Krefeld Wenn ein Picasso zum Restaurator muss

Krefeld · Im Herbst werden die Kunstmuseen eine Auswahl aus ihrer großen grafischen Sammlung zeigen. Die Papierarbeiten werden derzeit darauf vorbereitet. Viele sind ein Fall für den Restaurator - ein heikles Thema bei einem so empfindlichen Material wie Papier.

 Restaurator Sebastian Köhler und Sammlungskustodin Magdalena Holzhey mit der Zeichnung "La Repetition" von Pablo Picasso. Im Hintergrund ein bereits fertig restauriertes Selbstbildnis von Edvard Munch.

Restaurator Sebastian Köhler und Sammlungskustodin Magdalena Holzhey mit der Zeichnung "La Repetition" von Pablo Picasso. Im Hintergrund ein bereits fertig restauriertes Selbstbildnis von Edvard Munch.

Foto: Thomas Lammertz

An Picasso wäre jeder verzweifelt, dessen Geduldsfaden kürzer ist als der von Sebastian Köhler. Die Zeichnung "La Repetition" hat dem Restaurator der Krefelder Kunstmuseen höchstes Fingerspitzengefühl abverlangt. Auf der Rückseite des Papiers mussten die Spuren der Klebebänder gelöst werden, mit denen das Blatt bei früheren Ausstellungen an der Rückwand des Rahmens geheftet war. So etwas ist Millimeterarbeit, oft nur unter der Lupe möglich. Papier, das vertrauteste Material, ist zugleich auch das empfindlichste. Es verträgt weder Feuchtigkeit noch Licht, und schon gar keine Säure. "Früher gab es keine säurefreien Kartonagen und Passepartouts. Man wusste es nicht anders", sagt Sammlungskustodin Magdalena Holzhey. Zurzeit bereiten sie die erste große Ausstellung seit den 1990er Jahren vor, die ausschließlich die Grafische Sammlung der Kunstmuseen thematisiert. Ab 20. September werden in den Häusern Esters und Lange rund 150 Arbeiten gezeigt vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart - ein Querschnitt durch das 12 000 Blätter umfassende Konvolut. Nicht nur der Picasso war ein Fall für den Restaurator. Heikel war ein Selbstbildnis von Edvard Munch auf hauchfeinem Papier. "Da kann ein Hauch schon Verheerendes anrichten", sagt Köhler. Noch schwieriger verhielt es sich mit den Druckgrafiken von Henri Rivière (1864-1951). Der französische Künstler war beeinflusst von der japanischen Holzschnittkunst. "Für die damalige Zeit ist das absolut unüblich, fast schon zu modern", sagt Holzhey. "La pleine Lune" ("Vollmond") gehört zu den Schätzen, die sie bei der Sichtung der Sammlung entdeckt hat. Seit gut einem Jahr widmet sie sich intensiv dem grafischen Bestand, also der Kunst auf Papier. Der Landschaftsverband Rheinland unterstützt die Aufarbeitung der Sammlung, wie berichtet, mit 30 000 Euro. "Nur so können wir das realisieren", sagt die Kustodin. Und viele Kartonagen und Passepartouts neu anschaffen.

Rivières "Mond" ist ein Härtefall für ein Spezialatelier gewesen: "Das gesamte Papier war aufgeleimt gewesen und hatte bereits Wellen geschlagen", erzählt Köhler. Gestern Morgen hat er die Druckgrafik bei den Kölner Experten abgeholt - sie wirkt makellos.

"Eklatante Schäden sind zum Glück selten. Das Meiste, was wir gesichtet haben, war in erstaunlich gutem Zustand", berichtet der Restaurator. Gelistet waren alle Werke, doch längst nicht alle waren den Museumsleuten bekannt. "Es gibt bei den Erfassungen keine Abbildungen", erklärt Holzhey. So war manche Archivschublade eine echte Wundertüte. "Wir sind zum Beispiel sehr stolz auf einen frühen Baumeister." Die Arbeit hat Willi Baumeister (1889-1955), der als wichtigster Vertreter der Moderne in Deutschland gilt, 1922 geschaffen und mit einer persönlichen Widmung für ein befreundetes Ehepaar versehen. Dieser handschriftliche Künstlergruß war jahrzehntelang unter einem Passepartout verdeckt gewesen.

Die Kunst auf Papier soll nicht nur konservatorisch zeitgemäß behandelt und damit bewahrt werden. Die Vorbereitung der Ausstellung mit begleitendem Katalog dient auch dazu, die Sammlung neu zu sortieren. Die Arbeiten vom Mittelalter bis zur Gegenwart sollen "benutzerfreundlich" geordnet werden. Denn im wiedereröffneten Kaiser-Wilhelm-Museum wird es ein Grafisches Studienkabinett geben: ein sogenanntes Schaulager, also einen Raum, in dem grafische Arbeiten aufbewahrt werden, aber auf Anfrage den Besuchern zu Studienzwecken vorgelegt werden können. Wer den restaurierten Picasso dann intensiv betrachten möchte, kann sich bei den Museumsmitarbeitern melden. Für dieses Grafik-Studio werden - auch mit Hilfe des Fördergeldes - spezielle Schränke angeschafft.

(RP)
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