Krefeld Weg aus der Krise - neues Konzept soll Stadtteilkirmes retten

Krefeld · Fachleute reden mittlerweile von einer europaweiten Krise der Stadteilkirmessen. Die Fischelner Schützen haben jetzt schonungslos Bilanz gezogen und diese Art Volksfest neu erfunden.

 Für Ute Römgens sind die Pläne bitter. Seit 60 Jahren ist ihre Familie auf der Kirmes vertreten.

Für Ute Römgens sind die Pläne bitter. Seit 60 Jahren ist ihre Familie auf der Kirmes vertreten.

Foto: Puvogel

Mit einem frischen Konzept wollen die Fischelner Schützen in diesem Jahr mehr Familien zum Schützenfest auf den Marienplatz locken. Die Umstrukturierung bedeutet gleichzeitig den Abschied von der jahrzehntealten Tradition, das Fest mit einer klassischen Kirmes zu umrahmen. Die Schützen gehen damit ein Problem an, das europaweit zu beobachten ist: das Sterben der Stadtteilkirmessen. Hat das Fischelner Projekt Erfolg, ist es Pionierarbeit.

"Wir beobachten seit rund zehn Jahren den Trend, dass Kirmes auf kleinen Plätzen einfach nicht mehr funktioniert", erklärt Michael Osterath, im Vorstand der Bürgerschützen für strategische Planung zuständig. "Größere Fahrgeschäfte, die eigentlich Zuschauermagneten sind, ziehen sich zurück, weil sie nicht genügend Umsätze machen. Und was bleibt, ist nur der Schrott", sagt Osterath und meint damit zum Beispiel Greifautomaten.

Diese Ansichten teilt Albert Ritter, Präsident des deutschen Schaustellerverbandes. "Europaweit haben die Stadtteilkirmessen zu kämpfen. Das Freizeitverhalten der Jugendlichen hat sich verändert und die Konkurrenz ist groß, schließlich ist heute doch jede Tankstellen-Eröffnung ein Event." Umso wichtiger findet er, dass traditionelle, kleine Kirmessen gepflegt werden. "Sie stärken das Wir-Gefühl im Stadtteil und sind wichtig für das Miteinander. Kirmes ist gelebte Integration, jeder feiert mit jedem, keiner wird ausgeschlossen."

In Fischeln wollen die Schützen mit dem neuen Konzept vor allem Familien ansprechen, die nicht nur wegen des Schützenfestes hingehen, sondern sich von der Gestaltung des Platzes angezogen fühlen. Ein "stimmiges Konzept" soll es werden, das kulinarische Angebot hochwertiger.

Bereits im vergangenen Herbst haben die Bürgerschützen mit dem Schaustellerverein Niederrhein Kontakt aufgenommen, um das neue Vorhaben auf den Weg zu bringen. Einige der klassischen Kirmes-Angebote werden bleiben, andere müssen weichen. Paul Müller, Chef des Schaustellervereins, nennt den Plan der Schützen "mutig". "Aber wenn das funktioniert, dann können die sich auf die Schulter klopfen", sagt er. Er sei von dem Konzept angetan. Das Publikum stelle heute andere Ansprüche. "Wir müssen umdenken." Für manche Schaustellerkollegen sei diese Entwicklung allerdings bitter.

Zum Beispiel für Ute Römgens. Ihre Familie ist seit mehr als 60 Jahren mit Kinderkarussell und verschiedenen anderen Buden beim Fischelner Schützenfest gewesen. Sie fühlt sich ausgebootet. Erst vor kurzem, sagt sie, hat sie Bescheid bekommen, dass ihr Unternehmen zum Schützenfest nun nicht mehr auf dem Marienplatz "bauen" kann, wie im Schaustellerjargon das Aufstellen der Attraktionen heißt. Einen unterschriebenen Vertrag für das Schützenfest gab es zwar nicht, doch Römgens hatte darauf vertraut, dass alles wie gewohnt weiterlaufen würde. Fünf Wagen waren eingeplant, für die nun ein kompletter Umsatzausfall droht. Denn die Bewerbungsfristen für andere Jahrmärkte seien längst abgelaufen.

Klaus Hess, Geschäftsführer der Bürgerschützen, berichtet, man habe seit über zehn Jahren versucht, die Schausteller dazu zu bewegen, Veränderungen vorzunehmen, hin zu mehr Qualität. Gäste des Schützenfestes hätten sich beklagt, das Kirmes-Essensangebot schmecke nicht, sei mit Wurst und Pommes zu eintönig, die Anbieter hätten sich gegenseitig die Marktanteile weggenommen. "Die Besucher des Schützenfestes gingen oft einfach an der Kirmes vorbei."

Das soll nun anders werden, wie Michael Osterath berichtet. Rund um die Mariensäule wird ein großer Biergarten entstehen, mediterran, mit Blumen, Sonnenschirmen und Palmen. Viele Sitzplätze sollen zur Straßenfront der Marienstraße aufgebaut werden, so dass die Gäste von dort aus den Schützenzug beobachten können. Links davon werden herzhafte kulinarische Angebote angeboten, Flammkuchen, qualitativ hochwertiger Wein, aber auch der klassische Grillstand. Rechts wird Süßes zu kaufen sein, Crèpes, Kuchen, Kaffeespezialitäten und Eis. Vor dem TaM sollen die Attraktionen für Kinder ihren Platz finden. Mittelpunkt und Blickfang wird ein zehn Meter hoher Kletterturm sein. "Da stehen die Acht- bis 14-Jährigen drauf", meint Osterath und denkt an die vielen jungen Familien, die in Fischeln wohnen. Rodeoreiten ist geplant, eine Hüpfburg, aber auch ein klassisches Kinderkarussell.

Einige klassische Kirmesangebote soll es auch weiterhin geben. Darunter, passend zum Schützenfest, natürlich eine Schießbude.

Das Schützenfest ist vom 30. Juni bis 4. Juli auf dem Marienplatz, Fischeln.

(RP)
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