Nach Der Wahl Was nun, Herr John?

Krefeld · Wir sprachen mit dem Grünen-Ratsherr Daniel John darüber, ob die Grünen zu viel über Flüchtlinge und zu wenig über Umwelt reden und ob man in Hüls bei der Fetten Henn das Weltklima retten kann.

 Grünen-Ratsherr Daniel John.

Grünen-Ratsherr Daniel John.

Foto: jon

Die Grünen sind in Krefeld mit 7,7 Prozent unter dem Bundesergebnis mit 8,9 Prozent geblieben. Hängt das damit zusammen, dass Ulle Schauws mit einem Slogan geworben hat, den man eher bei der FDP vermutet: "Frei und selbstbestimmt leben"? Der grüne Markenkern Umweltschutz ist da nicht erkennbar.

John Was das Wahlergebnis angeht: 7,7 Prozent machen uns nicht glücklich, es reicht aber nicht, das nur mit dem Bundesergebnis abzugleichen. Wir haben in NRW 7,6 Prozent geholt und sind damit etwas über dem NRW-Schnitt. Vor vier Jahren waren wir noch leicht unter dem NRW-Schnitt. Das bewegt sich aber alles sehr eng beieinander. Insofern würde ich sagen: Wir sind in NRW und auch in Krefeld stabil; das Ergebnis ist solide. Bei Kommunalwahlen sind wir traditionell viel stärker.

Und der grüne Markenkern?

John Bei dem Slogan haben Sie ein wichtiges Wort nicht genannt: "Füreinander." Das steht auf dem Plakat vor dem "Frei und selbstbestimmt leben". Daran wird dann doch deutlich, wo es Schnittmengen und Differenzen zur FDP gibt. Es gibt keine andere Partei, die so viel für die eine Hälfte der Bevölkerung, nämlich für die Frauen, getan hat wie die Grünen. Und wenn ich die Zusammensetzung des Bundestages sehe - rund 30 Prozent Frauen und rund 70 Prozent Männer -, dann sind wir da noch nicht am Ende. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir in einer Gesellschaft weiterkommen, in der Freiheit mit Egoismus gleichgesetzt wird. Man braucht eine Idee für eine freie Gesellschaft, und dies muss eine solidarische Gesellschaft sein. Ich glaube, hier liegt auch ein Grund für den Erfolg der AfD: Es gibt zu viele Menschen in Deutschland, die sich abgehängt fühlen.

Aber Sie sind da auf einem Themenfeld unterwegs, auf dem sich auch die Linke, die SPD, teils die CDU und mittlerweile auch die FDP drängeln. Leidet darunter nicht doch das Umwelt-Profil der Grünen?

John Man kann Umwelt und Soziales nicht voneinander trennen. Unser Nachhaltigkeitsmodell verbindet die Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Wenn Sie eine der Säulen auf Kosten der anderen über Gebühr erhöhen, bekommen Sie über die Zeit ein Problem. Die drei Säulen müssen in Einklang miteinander stehen, und deswegen waren wir auch nie nur eine ökologische Partei.

Funktioniert das aber in der Außenwirkung? Der frühere grüne NRW-Umweltminister Remmel ist im Landtagswahlkampf erfolgreich angegriffen worden als jemand, der der Wirtschaft in die Parade fährt. Mit dem Anspruch, die drei Säulen in Einklang zu halten, sind die Grünen nicht durchgedrungen.

John Bei der Bundestagswahl ist das besser gelungen als im Mai, stimmt. Ich glaube aber schon, dass wir in der Kampagne im Umweltbereich kräftige Akzente gesetzt haben. "Umwelt ist nicht alles. Ohne Umwelt aber alles nichts" hieß es auf einem Plakat. Das trifft für mich den Kern.

Na ja, Katrin Göring-Eckardt hat vor der Hauptstadtpresse mehr über Flüchtlings- als über Umweltpolitik geredet. Ist es nicht in Jamaika-Zeiten zwangsläufig so, dass auch die Grünen sagen müssen: Wir konzentrieren uns auf die Umweltforderungen und überlassen andere Themen anderen?

John Ich glaube nicht, dass das funktionieren würde. Und ich meine auch wahrzunehmen, dass unsere Wähler nach wie vor beides von uns erwarten, Umwelt und Gerechtigkeit. Jamaika muss aufpassen, dass es nicht ein Bündnis der Besserverdienenden wird. Ich denke, unsere Aufgabe als Grüne wird es sein, auch soziale Akzente zu setzen und darauf zu achten, dass der soziale Kitt der Gesellschaft nicht leidet.

Man kann auch den Eindruck haben, dass die Grünen zu sehr beseelt sind von Feindbildern. Zum Beispiel konventionell wirtschaftende Landwirte. Warum nicht für ein Programm kämpfen, dass konventionelle Landwirte konventionell sein lässt, sie aber auch massiv als Landschaftspfleger einsetzt - mit entsprechenden Ausgleichszahlungen für ein bundesweites Blühflächenprogramm? Konventionelle Landwirtschat garantiert im Übrigen auch, dass Lebensmittel preiswert bleiben. Das ist ja auch Sozialpolitik und eine große Errungenschaft moderner Landwirtschaft.

John Das wäre sicher ein Schritt. In Krefeld sind wir da mit dem Blühstreifenprogramm schon auf gutem Weg. Jede Verbesserung wird nur mit den Landwirten gehen. Da braucht es neben Dialog auch wirtschaftliche Anreize. Denn man wird die Folgen für die Umwelt leider nicht nur durch Blühstreifen abfangen können. Intensive Landwirtschaft hat oft die Problematik einer bodenzehrenden Monokultur und dem intensiven Pestizideinsatz, der dann zum Problem für die Insekten wird. Wir haben am Niederrhein ja auch ein Nitrat-Problem im Grundwasser, das auf Überdüngung zurückgeht. Man wird also auch über die Intensität der Bodennutzung nachdenken müssen. Bezahlbare Lebensmittel wird es auf Dauer jedenfalls nur geben, wenn unserer Äcker auch fruchtbar bleiben.

Eine andere Frage ist die, ob die Grünen sich nicht mit ihrem Widerstand gegen Wohnbebauung innerhalb einer Stadt wie Krefeld verkämpfen. Das Weltklima wird man in der Fetten Henn von Hüls nicht retten. Müssten die Grünen nicht viel stärker sortieren: Wirtschafts- und Wohnraum gehört dem Menschen, dafür gibt es andernorts großflächig Naturraum?

John Unser Grundsatz ist: Global denken, lokal handeln. Das gilt auch für solche Fragen. Es kann ja nicht sein, dass in der Stadt die Abwägung immer zugunsten neuer Wohnbauflächen ausfällt, vor allem, wenn es Alternativen gibt. In Krefeld zum Beispiel haben wir Ratspolitiker einen 100 Seiten langen Wohnungsmarkt-Bericht bekommen, der keine Angaben über die Leerstandsquote in Krefeld enthält. Auf dieser dünnen Datenbasis großflächige neue Wohngebiete auszuweisen, finde ich schwierig. Der Eigentümer eines maroden Gründerzeit-Stadthauses wird ja auch nur dann investieren, wenn er Mieter findet. Wenn der Markt das nicht hergibt, weil es ein großes Angebot von neuem Wohnraum gibt, wird er auch nicht sanieren.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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