Krefeld Was ist los im Konzern Siempelkamp?

Krefeld · Siempelkamp hat angekündigt, an seinen deutschen Standorten bis Ende 2017 rund 350 Arbeitsplätze abzubauen -die meisten davon in Krefeld. Der Konzern will die Produktion verstärkt nach China und Tschechien verlagern.

 Hans Fechner, Sprecher der Geschäftsführung der Siempelkamp-Gruppe, hält die schlechten Nachrichten über China für Ammenmärchen.

Hans Fechner, Sprecher der Geschäftsführung der Siempelkamp-Gruppe, hält die schlechten Nachrichten über China für Ammenmärchen.

Foto: Lammertz

Wie ist die wirtschaftliche Situation der Siempelkamp-Gruppe?

Die offiziellen Zahlen 2015 will der Konzern erst Ende März nennen. Gleichwohl berichtete Hans Fechner, Sprecher der Geschäftsführung, über Größenordnungen fürs abgelaufene Geschäftsjahr. Demnach landete der Konzern bei rund 603 Millionen Euro Umsatz und damit rund 20 Prozent über den eigenen Erwartungen. Was unter dem Strich als Ertrag übrig geblieben ist, dazu macht Siempelkamp traditionell keine Angaben.

 Siempelkamp hat sein Stammhaus in Krefeld und besitzt dort Erweiterungsflächen, die im Flächennutzungsplan bereits berücksichtigt sind.

Siempelkamp hat sein Stammhaus in Krefeld und besitzt dort Erweiterungsflächen, die im Flächennutzungsplan bereits berücksichtigt sind.

Foto: Sk

Deutet sich ein Einbruch in der Konjunktur an. Womit rechnet Siempelkamp für 2016?

Zum Jahresbeginn verfügt die Gruppe laut Fechner über einen Auftragsbestand in Höhe von 821 Millionen Euro. Wie viel davon als Umsatz in der Jahresbilanz 2016 auftaucht, ist noch nicht absehbar. Nach deutschem Handelsrecht, so Fechner, fließen die Beträge erst nach der Schlussabnahme des Auftrags durch den Kunden ein.

Ist die Entwicklung in allen Branchen, in denen Siempelkamp sich geschäftlich betätigt, gleich?

Nein. Nach eigenen Angaben floriert der Maschinenbau. In der früheren Nuklearsparte (heute Ingenieur- und Serviceleistungen) ist die Wende (Turnaround) vollzogen, und lediglich die Gusstechnik schwächelt.

Wie sieht das im Einzelnen in Zahlen aus?

Der Auftrageingang im Maschinenbau lag bei 464 Millionen Euro, der Umsatz bei 355 Millionen Euro. Für die Gießerei stehen 73,1 Millionen Euro (minus 13 Prozent) beim Auftragseingang und 90 Millionen Euro beim Umsatz (minus acht Prozent) in den Büchern. Und bei Engineering and Services beträgt der Eingang 76,2 Millionen Euro (minus 29,2 Prozent) und der Umsatz 142,1 Millionen Euro (plus 59 Prozent).

Wie sieht das zum Beispiel in der Sparte Engineering and Services genau aus?

Siempelkamp hat sich aus dem Bau von Kernkraftwerken zurückgezogen. Die Gesellschaft mit Sitz in Mülheim baut so genannte Castoren für den Transport und die Lagerung von radioaktiven Elementen. Im Geschäftsjahr hat Siempelkamp zwei stark strahlende Reaktoren in den USA zurückgebaut und abgerechnet - deshalb der starke Anstieg beim Umsatz.

Wie sieht die Zukunft für die früheren Nuklearsparte aus?

Siempelkamp hat mit Energy Solutions in den USA einen Vertrag für den Rückbau weiterer Reaktoren mit einer Laufzeit von fünf Jahren unterzeichnet. In den USA sind laut Fechner 30 stillgelegte Atomkraftwerke, die im Gegensatz zu denen in Deutschland zurückgebaut werden sollen. Bis der Schacht Konrad in Salzgitter als Endlager in Betrieb gehen soll, kann Siempelkamp laut Fechner nicht warten. Er will Aktivitäten in die USA verlegen.

Allein in der Gießerei will Siempelkamp rund 130 Stellen abbauen. Wie ist die wirtschaftliche Lage dort?

Eine Verlagerung kommt wegen der hohen Kosten nicht in Frage. Der Durchlauf von bislang 60.000 Tonnen jährlich wird sich laut Prognose auf 40.000 Tonnen verringern. Das Unternehmen muss sich auf seine Stärken und Spezialaufträge konzentrieren. Quasi Serienproduktion wie die Naben für Windräder oder aber auch die Castoren werden lauf Fechner nicht mehr in dem Maße nachgefragt wie in der Vergangenheit.

Stichwort Maschinenbau...

Die große Stärke von Siempelkamp, die an der Entwicklung der sich selbst optimierenden Fabrik arbeiten. Ständige Innovationen sorgen für einen Technologiervorsprung, der aber laut Fechner nicht auf allen Märkten nachgefragt wird. Die chinesischen Kunden beispielsweise sollen in Zukunft das bekommen, was sie benötigen und wollen - und nicht mehr. Siempelkamp produziert deshalb im eigenen Werk vor Ort in Qingdao und verbaut Komponenten chinesischer Zulieferer. Der zweite chinesische Siempelkamp-Standort Wuxi ist nach Firmenangaben gemietet und soll aufgegeben werden.

Wie sieht es mit anderen Tochtergesellschaften und Beteiligungen aus?

Die Firma Büttner baut Trockner und Energieanlagen. Die 106 Mitarbeiter erwirtschafteten einen Umsatz von 65 Millionen Euro. Die Produkte von Büttner sind so stark nachgefragt, dass auch die Wettbewerber von Siempelkamp bei Büttner ordern.

Siempelkamp hat seine Beteiligung bei Pallmann von 20 auf 45 Prozent erhöht. Wie geht es in Zweibrücken weiter?

Siempelkamp will das Familienunternehmen in den kommenden Jahren komplett übernehmen und dort rund 70 Arbeitsplätze abbauen. Der Spezialist für Zerkleinerungsmaschinen in der Holz- und Kunststoffindustrie verfügt laut Fechner über enormes Potenzial, aber unzureichende Strukturen und Verbindungen. So werden etwa die zu Siempelkamp gehörenden Schaltschrankbauer und Automatisierungsexperten von ATR günstiger als die Konkurrenz die Steuerungsautomatik zuliefern. In vielen Ländern gibt es wegen sinkender Rohstoff- und Energiepreise eine Renaissance für Altanlangen. Wie reagiert Siempelkamp darauf?

Mit der Stärkung des Servicegedankens. In Bad Kreuznach entsteht ein modernes Logistik- und Dienstleistungszentrum auf 8000 Quadratmetern in Hallen für die Ersatzteilversorgung der Siempelkamp-Kunden. Vor allem Druckzerfaserer werden wieder stark nachgefragt, berichtet Fechner. Das Areal der Firma Hombak ist Eigentum von Siempelkamp.

Das Gelände am Stammsitz in Krefeld ist ebenfalls Eigentum und besitzt noch Erweiterungsmöglichkeiten. Welche Rolle spielt das für die Entscheidungen des Managements?

Eine große. Fechner kündigte an, angemietete Standorte auf Dauer aufzugeben. Die Standorte Mülheim und Wolfratshausen wurden genannt, aber auch Wuxi in China. Zwischen den Zeilen klang an, dass das neue Zentrum in Bad Kreuznach, das bis Ende 2016 realisiert sein soll, hätte auch in Krefeld entstehen können. Langwierige Bürokratie und kostspielige Umweltauflagen sprachen offenbar dagegen. Fechner beklagt, dass für die Fläche in Krefeld zuerst ein Bebauungsplan hätte erstellt und anschließend für 800.000 Euro Ersatzpflanzungen an anderer Stelle vorgenommen werden müssen.

Womit begründet Siempelkamp den Stellenabbau in Deutschland und die Verlagerung von Teilen der Produktion ins Ausland?

Kostendruck. Fechner sagte, die Gruppe war bislang extrem deutschlandtreu. Siempelkamp soll es aber auch in 20 Jahren noch geben. Rund 1600 der 2000 deutschen Beschäftigten arbeiten in Krefeld. 2924 Mitarbeiter sind es weltweit.

(RP)
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