Krefeld Vor 50 Jahren: Spinnrad für Cardin

Krefeld · Karl Lagerfeld hat eines. Wolfgang Joop auch. Ebenso Ungaro und Montana. Doch Pierre Cardin hat 1966 das erste Goldene Spinnrad verliehen bekommen. Das Haus der Seidenkultur erinnert an das Ereignis - und bekommt dazu hochkarätigen Besuch aus Paris.

 1994: Cardin bei der Verleihung der Goldenen Seidenschleife in Krefeld.

1994: Cardin bei der Verleihung der Goldenen Seidenschleife in Krefeld.

Foto: Stadtmarketing

In den Terminbüchern der Krefelder Friseursalons war der 25. November 1966 dicht belegt. Wer in Krefeld Rang und Namen hatte, putzte sich heraus für ein großes Ereignis. An jenem Freitag wurde erstmals das "Goldene Spinnrad" verliehen - und dazu erwartete die Samt- und Seidenstadt einen aufstrebenden Star der Modewelt: Pierre Cardin. Der Crefelder Hof - damals noch am Ostwall - war schon seit Wochen ausverkauft. Man war gespannt, als kämen die Royals zu Besuch. Nicht zu Unrecht: Cardin galt neben Paco Rabanne und André Courège als Begründer der Mode-Avantgarde.

Dieser Abend schrieb Modegeschichte. Mit dem ersten von Krefeld verliehenen "Mode-Oscar" leuchtete die große textile Vergangenheit wieder weit über die Landesgrenzen hinaus. Auf den Tag genau 60 Jahre später erinnert das Haus der Seidenkultur an dieses Ereignis. Es gibt eine kleine Gala für geladene Gäste, und ab Sonntag, 27. November, ist in der ehemaligen Paramentenweberei Hubert Gotzes die Ausstellung "Pierre Cardin 1966-2016" zu sehen.

 Mode von morgen aus dem Jahr 1966: Diese Modelle präsentierte Avantgardist Pierre Cardin vor 50 Jahren bei der Spinnrad-Verleihung im Crefelder Hof.

Mode von morgen aus dem Jahr 1966: Diese Modelle präsentierte Avantgardist Pierre Cardin vor 50 Jahren bei der Spinnrad-Verleihung im Crefelder Hof.

Foto: Rudolf Brass, Stadtarchiv, HdS

Wer die Spinnrad-Verleihung miterlebt hat, schwärmt noch heute von dem galanten Ehrengast aus Frankreich. Der Couturier, der stets betont, dass seine Mode auf die Straße gehört, beeindruckte mit edlen Stoffen, die zu hoch modernen, fast avantgardistisch anmutenden Modellen verarbeitet wurden. Die Modenschau war ein Erfolg. Die Schweißperlen der Organisatoren haben die meisten Besucher nicht bemerkt. Denn die Verleihung des "Goldenen Spinnrads" hing tatsächlich am seidenen Faden. Der Flieger, in dem Cardin saß, startete mit gehöriger Verspätung. Und das war nicht der einzige heikle Umstand. Über die Ereignisse hinter den Kulissen wird die von Klaus Drenk und Ilka Neumann kuratierte Ausstellung Aufschluss geben: In einem Dokument des damaligen Krefelder Verkehrsdirektors und Marketingleiters der Verseidag, Herbert Maeger, ist die Rede von einem "dramatischen Hintergrund des Veranstaltungsprogramms".

Der neue Modepreis sollte herausragende Leistungen ehren, die in der Mode richtungsweisend sind. Und Krefelds Entscheidungen hatten auf diesem Sektor Gewicht: Erich Selbach, seinerzeit Präsident der Industrie- und Handelskammer, beziffert in einem Fernsehbeitrag, der zur Spinnrad-Verleihung vor 50 Jahren in der Reihe "Hier und Heute" ausgestrahlt wurde, von einem Jahresumsatz von 3,3 Milliarden D-Mark in der Krefelder Textilindustrie. "Eine Summe, die den Humus für solche Preisverleihungen abgibt", sagte Selbach und wähnte "Krefeld mit den Modezentralen der Welt im Gleichschritt".

 1966: Pierre Cardin bei der Verleihung des Goldenen Spinnrads.

1966: Pierre Cardin bei der Verleihung des Goldenen Spinnrads.

Foto: HdS/Stadtarchiv Krefeld

Dieter Brenner, Sprecher des Hauses der Seidenkultur hat diesen Beitrag im WDR-Archiv ausfindig gemacht. In der Ausstellung wird der Film zu sehen sein.

Hoher Besuch aus Frankreich hat sich zur Vernissage angekündigt: Jean-Pascal Hesse, Pressechef des Hauses Cardin. Ein Drittel seines Lebens hat er an der Seite des Modezaren verbracht, mit ihm alle Kontinente bereist, Modenschauen mitten in der Wüste Gobi organisiert und ungezählte Projekte realisiert, auf die die Krefelder Ausstellung ebenfalls verweist. Mit ihm kommt Maryse Gaspard. Sie war Muse und Star-Mannequin der Cardin-Schauen, heute ist sie Chefdirektrice des Hauses. Sie bringen Pariser Original-Modelle mit, die eine Geschichte der Mode von 1966 bis zur Jahrtausendwende mit Kleidern, Schuhen, Schals und Mützen dokumentieren. Cardin, inzwischen 94 Jahre alt, verbringt die Winter im gemäßigten Klima des Südens. Auch wenn er diesmal nicht selbst nach Krefeld kommen kann, hat ihn die Idee zur Ausstellung begeistert. "Es ist toll, wie gut wir aufgenommen und unterstützt wurden. Pierre Cardin hat uns persönliche Dankesworte geschrieben", sagt Ilka Neumann.

 Maryse Gaspard, Starmannequin des Hauses Cardin. Heute ist sie Chefdirektrice und entwirft Mode für Cardin.

Maryse Gaspard, Starmannequin des Hauses Cardin. Heute ist sie Chefdirektrice und entwirft Mode für Cardin.

Foto: HdS

So herzlich zugetan haben auch viele Krefelder Cardin 1994 erlebt, als er mit dem Marketingpreis, der Goldenen Seidenschleife, ausgezeichnet wurde. Er erklärte, dass Mode auf die Straße gehöre, weil viele Ideen dort wurzeln. Dass Krefeld den Mut habe, die Mode bei der "Größten Straßenmodenschau" so opulent auf den Laufstegen auf der Straße in Szene zu setzen, belege die Kultiviertheit der Stadt. Der Modekönig ist eben auch ein Prinz Charming.

 Jean-Pascal Hesse hat mit Cardin Mode in der Wüste Gobi präsentiert.

Jean-Pascal Hesse hat mit Cardin Mode in der Wüste Gobi präsentiert.

Foto: HdS

Ausstellung "Pierre Cardin 1966-2016" im Haus der Seidenkultur, bis zum 5. März 2017. Geöffnet mi-fr. 15-18 Uhr, so. 13-17 Uhr; Gruppen- und Wunschtermine können reserviert werden unter Tel. 02151 510812.

(RP)
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