Krefeld Vogelhändler begeistert am Schwanenmarkt

Krefeld · Mit großem Jubel feierten die Krefelder gestern eine Operette mitten in der Fußgängerzone: Von Zellers "Vogelhändler" gab es gleich noch eine Zugabe. Hunderte Zuschauer schunkelten mit.

Und wieder ist ein Klischee entkräftet: Opernsänger sind keine um ihre Stimmbänder stets besorgte Zugluftvermeider. Fünf Profis bewiesen gestern Nachmittag, dass sie ohne Schonung auch unter Regenandrohung im Wind und auf offenem Platz singen können - und es auch eine ganze Operettenlänge aushalten. Die Sopranistin Désirée Brodka war besonders mutig. Das Mikrofon, das ihre Sprechstimme bei der Moderation unterstützen sollte streikte. Kurzentschlossen schaltete die Düsseldorferin die Technik ab: "Dann rede ich halt lauter", rief sie in die Menge, die sich vor dem Schwanenmarkt versammelt hatte. Und das funktionierte: Mit fester Stimme führte sich durch die anderthalbstündige Spezialfassung von Carl Zellers Operette "Der Vogelhändler" - und sang auch noch die Partie der Postbotin Christl ohne Abstriche.

Mit dem frisch gegründeten Verein "Music to Go" präsentierte Brodka "Operette im Espresso-Format". Sie will viele Menschen erreichen und ihnen beweisen, dass klassische Musik nicht immer ernst und schwer sein muss. Mit vier Opernsänger-Kollegen und vier Musikern überzeugte sie hunderte Zuschauer rund um den Schwanenbrunnen. Ein Bühnenbild gab es nicht, ein roter Vorhang als provisorischer Blickschutz verdeckte die Kostümwechsel. Hier konnte jeder erleben, wie Theater gemacht wird. Und das hatte seinen eigenen Reiz.

"Der Vogelhändler" am Schwanenmarkt
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"Der Vogelhändler" am Schwanenmarkt

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Die 1891 uraufgeführte musikalische Verwechslungskomödie ist ein Dauerbrenner auf den deutschen Bühnen. "Der Vogelhändler" hat alles, was ein Publikumsfavorit braucht: bauernschlaue und gewitzte Figuren, die sich als jemand anders ausgeben, komische Verstrickungen, die sich aus einem Mangel an jagdbaren Wildscheinen und tugendhaften Jungfrauen im Fürstentum ergeben - und jede Menge Hits wie "Ich bin die Christl von der Post", "Grüaß enk Gott, alle miteinander" oder "Noch amal, noch amal, sing Nachtigall". Bei "Schenkt man sich Rosen in Tirol" schunkelten die ersten Zuschauer mit.

Das Publikum erlebte eine vergnügliche Kaffeestunde mit einem propperen Vogelhändler Adam (Walther G. Rösler) und einem komödiantisch bestens aufgelegten Baron Weps (Agris Hartmanis). Dem Bass-Bariton flogen spätestens dann alle Herzen zu, als er in der Rolle der Hofdame Adelaide die komische Alte gab. Die glänzendste Männerstimme ließ James Park hören, den viele aus dem Opernstudio Niederrhein des Theaters kennen. Als Graf Stanislaus erntete er schon vor dem Schlussapplaus "Bravo"-Rufe. Ein Heimspiel war die Aufführung für Lisa Kaltenmeier, die mit makellosem Sopran die Partie der Kurfürstin sang. In der melancholischen Arie "Als geblüht der Kirschenbaum" adelte sie die Open-Air-Aufführung zum Musiktheater.

Die gute Seele in der Operette wie auf der gepflasterten Bühne war die Christl, die Désirée Brodka mit Pep und Herz verkörperte. Mit Witz brachte sie zwischen den Gesangseinlagen die Handlung auf den Punkt, sang mit warmem Ton und ergänzte das Mini-Orchester - Katharina Storck (1. Violine), Alvaro Navarro Diaz (2. Violine), Dmitry Pichugin (Viola) und Alexander Pichugin (Cello) - kurzerhand mit der Champagnerflasche als Triangel-Ersatz.

Das Publikum erklatschte sich begeistert eine Zugabe - und hofft aufs Wiederkommen im nächsten Jahr.

(RP)
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