Krefeld Verkehrsinfarkt: Für 16 km 90 Minuten

Krefeld · Gemeinsam hielten die IHK Mittlerer Niederrhein und der DGB-Kreis Krefeld einen Kongress zu Planungsstau und drohendem Verkehrsinfarkt der Region ab. Geld stellt der neue Bundeswegeplan zur Verfügung, nun fehlt es an Planern.

 Beim Kongress zu Verkehr und Infrastruktur der IG Metall im Uerdinger Bay-Treff verfolgten die Besucher die spannenden Ausführungen von Experten der IHK, der Gewerkschaft, der Parteien und des Bundesverkehrsministeriums.

Beim Kongress zu Verkehr und Infrastruktur der IG Metall im Uerdinger Bay-Treff verfolgten die Besucher die spannenden Ausführungen von Experten der IHK, der Gewerkschaft, der Parteien und des Bundesverkehrsministeriums.

Foto: Strücken

Gerade erst habe der Bau- und Planungsausschuss des Krefelder Rates seine Einwendungen zum neuen Nahverkehrsplan des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) gemacht. Immerhin sei Krefeld von dem neuen Rhein-Ruhr-Express (RRx), dem S-Bahn- und dem Langstreckenverkehr auf der Schiene weitgehend abgehängt. Dies erklärte der Verkehrsexperte der Grünen, Daniel John, im Gespräch auf dem Kongress zu Verkehr und Infrastruktur, den die IHK und der DGB-Bezirk Krefeld zusammen mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und dem Chempark im Uerdinger Bay-Treff abhielten.

DGB-Chef Ralf Köpke eröffnete den Kongress mit der ironischen Frage, wer denn Schwierigkeiten bei der Anreise gehabt habe. Sigrid Wolf, die Vorsitzende des DGB-Kreises Düsseldorf-Bergisch Land, hatte für 16 Kilometer 90 Minuten gebraucht, zufälliges Beispiel dafür, was Arbeitnehmer im Rheinland alltäglich auf dem Weg zur Arbeit erdulden, bevor sie nur einen Handschlag für ihre Firma getan haben.

Die Region Mittlerer Niederrhein zeichnet sich durch ihre günstige Lage als Hinterlandregion der ZARA-Häfen (Zeebrügge, Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) aus. Nordöstlich schließt sich der Ballungsraum des Ruhrgebiets mit mehr als fünf Millionen Einwohnern an. Mittendurch zieht sich auch der Rhein-Alpen-Korridor, der von den ZARA-Häfen bis nach Genua verläuft. Der Nordsee-Baltik-Korridor von den Nordseehäfen Belgiens, der Niederlande und Deutschlands schneidet ebenfalls den Mittleren Niederrhein.

Vor diesem Hintergrund bilden ein engmaschiges Schienennetz, ein dichtes Straßennetz mit dem Rhein als "Aorta", von dem alle Verkehrskanäle ablaufen, wie es der verkehrspolitische stellvertretende Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Andreas Rimkus beschrieb, "einen Standortfaktor erster Güte". Dies unterstrich auch Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein. Diese Bedingungen hätten den Mittleren Niederrhein zu einem interessanten Logistik-Standort gemacht, der mittlerweile 300.000 Menschen Arbeit gäbe. Steinmetz kritisierte den Stillstand der vergangenen Jahre bei der Pflege und Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur.

Der Ministerialdirektor für Grundsatzangelegenheiten aus dem Berliner Verkehrsministerium, Gerhard Schulz, entschuldigte den nachlässigen Umgang mit der Verkehrsinfrastruktur: "Immer wieder mussten wir die Frage wälzen: Investieren wir in Köpfe oder Beton? Dabei benötigen wir beides." Mit der Ausweitung der Lkw-Maut auf 7,5-Tonnen-Laster und die Hereinnahme der Bundesstraßen in die Maut sei Geld in die Kassen gespült worden. Der neue Bundesverkehrswegeplan sei der erste Plan dieser Art, bei dem Geld nicht das Grundproblem sei. Dieser Plan, der bis 2030 gilt, wurde mit insgesamt 270 Milliarden Euro ausgestattet, die langfristig gesichert seien. Außerdem habe man die Fixierung auf die östlichen Bundesländer aufgehoben. "Das Geld fließt jetzt dahin, wo es am dringendsten gebraucht wird, also in die alten Bundesländer," sagte der Ministerialbeamte.

In den letzten Jahren sei das Verkehrsnetz auf Verschleiß gefahren worden. Diesen Prozess müsse man nun stoppen. 70 Prozent der Milliarden gingen in den Erhalt der Verkehrsnetze, 30 Prozent würden in den Neubau investiert. Wie stark sich der Druck aufgebaut habe, erkenne man daran, dass auf einen Aufruf zur Beteiligung der Bürger 40.000 Stellungnahmen einkamen, die teilweise in den Entwurf eingearbeitet wurden. Dieser würde jetzt in drei Gesetze gegossen, je eins für Straße, Schiene und Wasserwege.

Andreas Rimkus, der auch verkehrspolitischer Sprecher der NRW-Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion ist, kündigte an, dass das meiste Geld nach NRW flösse. Bis 2030 werde der Güterverkehr um 38 Prozent zunehmen, der Individualverkehr um 12,6 Prozent. Vor diesem Hintergrund hätte die "Ablastung" der Leverkusener Rheinbrücke wie ein "Pisa-Schock" gewirkt. "Verkehrspolitik ist etwas für Erwachsene. Beim Kampf der 16 Bundesländer um ihre Anteile, vor allem bei den Großprojekten, braucht man gute Nerven und muss die Knie gerade halten", sagte der Politiker. In den letzten Jahren habe die Politik durch Stellenabbau im Planungsbereich der Verkehrsinfrastruktur Geld freizumachen versucht für andere Zwecke. Das räche sich jetzt. Geld sei da, aber es könne nicht verplant werden. Nachdem 130 Stellen gestrichen worden seien, habe der Landesbetrieb "Straßen NRW" gerade mal 100 neue Stellen ausschreiben können.

Christoph Rasche, MdL und verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, bezweifelte die Wirkung der Maßnahmen. Vor allem den Bereich Schiene hält der Landespolitiker für unterfinanziert. "Die Verkehrspolitik ist eine einzige Unterlassungssünde", polemisierte er. Er vermisst den konsequent sechsspurigen Ausbau der am stärksten frequentierten Autobahnen und den zügigen Ausbau des Eisernen Rheins "entlang der A 52, zweigleisig, elektrisch, mit optimalem Lärmschutz, denn es ist jetzt bereits abzusehen, dass die Betuwe-Linie bald an ihre Grenzen stößt."

(oes)
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