Analyse Kr Wie Krefeld Über Politik und alte gallische Redensarten

Krefeld · Aus gegebenem Anlass gilt es daran zu erinnern, was Politik ist, worin Politik steckt, warum es gerade Politik ist zu behaupten, etwas müsse politikfrei sein, und wo es garantiert keine politikfreie Zone gibt: im Rathaus nämlich, erst recht nicht im Dienstzimmer des Oberbürgermeisters. Frank Meyer macht, was alle Oberbürgermeister gerne machen: sich als guter Geist über den trüben Wassern der Politik schwebend darstellen. Das ist, halten zu Gnaden, eine eminent politische Strategie, sich gegen Kritik zu immunisieren.

 Gallische Redensarten zeichnen sich dadurch aus, dass das Gegenteil des Gesagten gemeint ist oder eintritt. Eine davon wird im Asterix-Band "Der Seher" erwähnt. Sie lautet: "Aber sag's nicht weiter!"

Gallische Redensarten zeichnen sich dadurch aus, dass das Gegenteil des Gesagten gemeint ist oder eintritt. Eine davon wird im Asterix-Band "Der Seher" erwähnt. Sie lautet: "Aber sag's nicht weiter!"

Foto: Egmont Ehapa Verlag

Zum Hintergrund: Die FDP hatte bekanntlich kritisiert, dass der scheidende Dezernent Gregor Micus auf Honorarbasis Koordinator im Kampf gegen Kinderarmut werden soll. Die Liberalen vermuten gar, dahinter stehe die Verabredung, dass dafür Markus Schön vom Fachbereichsleiter Jugendhilfe zum Dezernenten befördert werde. Die Stadtverwaltung - heißt: Oberbürgermeister Frank Meyer - hat empfindlich reagiert. Sie betont, dass nur der Rat über eine solche Personalie entscheide, und nennt die Spekulationen der FDP "nachweislich falsch". Die Stelle sei öffentlich ausgeschrieben.

Nun ja, das als Beleg zu nennen, dass es keine Verabredungen gibt, ist kühn. Oder bewusst naiv. Natürlich wählt der Rat, aber natürlich verhandeln die Fraktionen über solche Personalien. So ist zum Beispiel Martin Linne Dezernent geworden. Die damaligen Grünen haben ihn seinerzeit unter Führung von Stefani Mälzer mit der CDU durchgesetzt und im Gegenzug Zugeständnisse beim Haushalt gemacht. Das war nicht verwerflich - so machen Erwachsene Politik.

Die Stadt behauptet weiter, dass öffentliche Personalspekulationen der Reputation der Stadt schadeten und mögliche Bewerber beschädigten. Als Asterix-Fan möchte man rufen: Alte gallische Redensart! Das sagt die Stadt immer und weiß es besser, erst recht einer wie Frank Meyer, der erst Politiker war, bevor er Verwaltungschef wurde. Markus Schön ist der lebende Beweis, dass jene Redensart nicht stimmt. Auch Schöns Name war vor seiner Wahl bekannt; unsere Zeitung und die Süddeutsche in München hatten über die Kandidatur ausführlich berichtet. Gewählt wurde Schön dennoch. Unter anderem, weil er als SPD-Mann auch die CDU-Fraktion beeindruckte. Wahlbeamte wie Schön wissen um das Risiko, Spielball von Politikern zu werden; das gehört zum Geschäft. Wenn Kandidaten nicht durchsetzbar sind, liegt das an politischen Konstellationen und nicht daran, dass irgendetwas in der Zeitung stand. Gern suggeriert wird auch, dass es politikfreie Zonen jenseits der bösen Politik gibt. Noch so eine alte gallische Redensart. Es gibt aber bei der "res publica" - der öffentlichen Angelegenheit, wie der Staat wörtlich übersetzt bei den Römern genannt wurde - keine politikfreie Zone. "Aus Sicht der Stadtverwaltung", so lässt Meyer über seine Sprecher verlauten, "ist das Thema Kinderarmut nicht geeignet, damit Politik zu machen."

Mit Verlaub: Meyer macht mit seinem Koordinator genau das: Politik. Er hat damit über die Verwaltung ein weiteres sozialdemokratisches Herzensthema besetzt. Das erste war das Thema Integration im Ausbau eines neuen Fachbereichs. Nebenbei: Dies im Blick, wird die FDP-Spekulation zur Personalie Schön gerade plausibel, nur aus anderen Gründen als von der FDP suggeriert. Wenn der SPD-Mann das Micus-Dezernat übernimmt, hat die SPD die für sie wichtigen Politikfelder besetzt. Markus Schön mag ja sogar der richtige Mann, die Entscheidung fachlich zu vertreten sein. Nur sage keiner, das sei keine Politik.

Die FDP meint ja auch nicht Micus, wenn sie ihm unterstellt, mit einem Pöstchen seine Pension aufbessern zu wollen. Wer Micus nur etwas kennt, der weiß, dass er so nicht tickt. Er ist integer, kein Pöstchenjäger und privat schon immer sozial engagiert. Meyer mag ihn ja deshalb auch schätzen. Dennoch ist Micus in dem Moment, in dem Meyer ihn so besetzt, ein Stück sozialdemokratische Politik.

Daraus folgt eben dies: Die FDP meint gar nicht Micus, wenn sie auf ihn eindrischt. Meyer ist's, der getroffen werden soll. Und er hat ja auch reagiert - politisch nämlich - mit dem Versuch der Selbstimmunisierung, indem er in aller Unschuld verkünden lässt, Kindrarmut eigene sich nicht für Politik. Doch. Tut sie. So ist die Welt. Sie ist deshalb nicht schlecht. Denn es gibt keine unpolitische Politik - nur gute und schlechte.

(RP)
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