Krefeld Eine erstaunliche Gründergeschichte

Krefeld · Der Krefelder Dennis Gehlen ist einer der bekanntesten deutschen Computerspieler - jetzt baut er ein Fernsehstudio für "TaKe TV" in Krefeld. "Ich kenne diese Reaktionen, viele Leute können sich nicht vorstellen, dass das Geld bringt."

 Dennis Gehlen in seinen neuen Räumlichkeiten an der Alten Linner Straße im ehemaligen "Sportpalast" - dort soll ein Fernsehstudio entstehen, in dem Computerspiele gefilmt werden.

Dennis Gehlen in seinen neuen Räumlichkeiten an der Alten Linner Straße im ehemaligen "Sportpalast" - dort soll ein Fernsehstudio entstehen, in dem Computerspiele gefilmt werden.

Foto: Thomas Lammertz

Vom Computerspiel-Kid zum Start-Up-Unternehmer - die Geschichte, die der Krefelder Dennis Gehlen (28) erzählt, klingt eigentlich unglaublich: Da ist ein junger Mann, der Geld damit macht, Computerspiele anderer Leute zu kommentieren, der mit "TaKeTV" seinen eigenen Computerspielesender für den Bereich E-Sport aufgebaut hat und in Krefeld mittlerweile rund zehn Mitarbeiter beschäftigt. Als Computerspiele-Laie gerät man ins Staunen, wenn man sich mit dem jungen Mann über seinen Broterwerb unterhält. "Und das finanziert sich?", fragt man ihn automatisch. "Ich kenne diese Reaktionen, viele Leute können sich nicht vorstellen, dass das Geld bringt", sagt der 28-Jährige. Wann immer er aber sein Konzept im Detail erkläre, würden es die Leute kapieren.

Gut möglich, dass schon bald mehr Krefelder diesen Mann kennenlernen. Denn jetzt startet der Computerspielestar Dennis Gehlen sein nächstes großes Level: In einem 1600 Quadratmeter großen Geschäftslokal an der Alten Linner Straße, dem ehemaligen Sportpalast, will er sein eigenes Fernsehstudio für das Segment E-Sport aufbauen. In dem Studio will er Videos wie das folgende produzieren. Darin erklärt er Fans des Spiels "Heroes Of The Storm" einzelne Strategien.

 Blick ins alte Fernsehstudio von Dennis Gehlen - "TakeTV" finanziert sich über Werbung.

Blick ins alte Fernsehstudio von Dennis Gehlen - "TakeTV" finanziert sich über Werbung.

Foto: Gehlen

Gehlen strahlt Silicon-Valley-Mentalität aus: Kapuzenpulli statt Krawatte, Jeans statt Anzughose - und im Gespräch redet er von "flachen Hierarchien" in seinem Unternehmen, dass viel gelacht werde, dass seine Mitarbeiter alle Kumpels seien. Schöne neue Computerwelt!

Er kam zum Computer wie wahrscheinlich viele Altersgenossen aus Krefeld auch: Dennis Gehlen besuchte erst die Grundschule Buchenschule, wechselte dann auf die Freiherr-Vom-Stein-Realschule und später auf die Kaufmannschule am Neuer Weg. In jungen Jahren spielte er zuerst Nintendo, Sega, Amiga und Mega Drive. Gehlen verbrachte so viel Zeit vor Computerspielen, dass er zum Spieleexperten wurde, besser wurde als andere. Die erste entscheidende Begegnung hatte er in der westlichen Krefelder City: Als er 14 Jahre war, nahm ihn ein Bekannter mit in ein Internetcafé an der Evertsstraße, Gehlen schaute sich dort auf dem Bildschirm an, wie sich professionelle Zocker duellierten. "Dort hat mich dann das professionelle Spielen gepackt", sagt der 28-Jährige.

Dennis Gehlen spielte zuerst selbst via Internet gegen andere, wurde dann 2001 zum Profispieler, und das schon parallel zur Schullaufbahn. Er spezialisierte sich auf das Spiel Warcraft 3, ein Echtzeitstrategiespiel. Gehlen reiste also fortan um die Welt. "In Europa habe ich jedes Land bereist, in Deutschland kenne ich alle großen Städte, war bei nationalen Turnieren gern gesehener Gast. Auch in China und Amerika war ich bei Turnieren." Die Preisgelder dort seien lukrativ gewesen - bei der Computermesse Cebit in Hannover etwa gewann Gehlen einen Smart im Wert von 20 000 Euro. Dabei hatte er damals noch gar keinen Führerschein. Er war in dieser Zeit das, was man einen Computerspielenerd kennt, einer der größten Profispieler in Deutschland.

Und dann kam der Tag, an dem der Profi-E-Sportler Dennis Gehlen die Seite wechselte. Das Datum kann er immer noch benennen: "Das war am 6.6.2006. Die Schulzeit endete, ich bekam ein Jobangebot vom deutschsprachigen Sender NBC Giga." Der auf Computerspiele spezialisierte Sender machte etwas für die damalige Zeit ungewöhnliches: Er zeigte im Fernsehen, wie Menschen gegeneinander Computer spielen. Dennis Gehlen machte dort ein journalistisches Volontariat, kommentierte die Spiele, arbeitete auch redaktionell hinter der Kamera. Es folgte ein Job beim Unternehmen Turtle Entertainment, bei dem er in ähnlicher Funktion bis 2011 arbeitete. Parallel machte er erste Gehversuche mit eigenen Online-TV-Sendungen. In seine 50-Quadratmeter-Wohnung an der Petersstraße lud er Profispieler ein. Gehlen kommentierte via Internet, wie sie sich duellierten. Aber eigentlich war alles auch großer Spaß: "16 Mann in meiner Wohnung, die alle gegeneinander spielen. Die Leute im Netz haben das superkrass abgefeiert." Gehlen startete auch den Homestory-Cup, der zuletzt sogar in der Krefelder Königsburg gastierte. Computerspieler aus aller Welt trafen sich dort. Die Events wurden größer, die Einnahmen durch seine Arbeit stiegen, eine feste Clique um dieses Hobby herum entstand. Dennis Gehlen merkte, dass er selbst Unternehmer werden kann.

Ende 2010 meldete er sein erstes Kleingewerbe an. Er zog an die Wiedenhofstraße in eine neue Wohnung über den Irish Pub Limericks um und gründete dort "TaKeTV". 50 000 Euro investierte er in die technische Ausrüstung. Er kaufte Kameras, Mikrofone, Mobiliar. "Da ging es richtig los" sagt Dennis Gehlen im Rückblick.

Zwischen zwei und zehn Stunden pro Tag produziert TaKeTV Live-Inhalte für das Internet. Tausende Leute schauen täglich TaKeTV. Mittlerweile arbeiten zehn Leute für ihn, Webdesigner, Kameraleute, Mediengestalter. Er bildet sogar selbst aus, derzeit hat er zwei Azubis. Dennis Gehlen wurde Vollzeit-Unternehmer, seine Einnahmen sind die Werbegelder.

Das Prinzip der kommentierten Spiele funktioniert so: In Amerika gibt es eine große Plattform namens Twitch, ein Online-Fernsehsender für Gamer, auf der Computerspiele aus aller Welt von bekannten Spielern übertragen werden. Zuschauer-Zielgruppe: 18 bis 30-Jährige. Zwischen die Übertragungen werden Werbeblöcke geschaltet. Die einzelnen Sender, die sich auf diese Website schalten, bekommen einen Teil der Werbeeinnahmen. Dennis Gehlen lässt seinen eigenen Sender TaKeTV über diese Plattform Twitch laufen, kann also selbst noch Werbeblöcke für seine Sendungen buchen. Kunden für Anzeigen dieser Art kommen derzeit noch vorwiegend aus dem Computersegment, aber auch Firmen wie Adidas, Coca Cola und Red Bull interessieren sich mehr und mehr für den Markt. Dennis Gehlen erklärt: "Je mehr Zuschauer, desto interessanter wird es für die Firmen, Werbung auf diesem Sender zu buchen." Maximal drei bis fünf Minuten Werbung pro Stunde schalte er. Die laufe aber anders ab als im Fernsehen. "Bei uns in der Szene ist klassische Werbung verpönt, da ist die Interaktion sehr wichtig."

Früher war Dennis Gehlen das Gesicht von TaKeTV. Mittlerweile ist er aber immer häufiger auch der Mann im Hintergrund, für die Bürokratie, handelt die Verträge mit den Sponsoren selbst aus.

Der nächste Entwicklungsschritt wird ein Quantensprung für TakeTV werden. Den alten Sportpalast an der Alten Linner Straße lässt Gehlen gerade zum 1600 Quadratmeter großen Online-Fernsehstudio umbauen, mit einer Bar, mit verschiedenen Spielemöglichkeiten, mit einem Lounge-Bereich. "So etwas gibt es weltweit meines Wissens kein zweites Mal." Immer nur im Wohnzimmer zu drehen, sei auf Dauer für den Zuschauer nicht spannend. Gehlen will stattdessen eine Live-Kulisse. Die Zuschauer sollen nach Krefeld in sein Studio kommen, er will mit den Gamern in Kontakt kommen. Einen großen Teil hat er schon ausgebaut. Mindestens 400 000 Euro Investitionsvolumen hat das Großprojekt, 200 000 Euro gewährte die Sparkasse als Kredit.

Zwischenzeitlich machte der Brandschutz Probleme. Die Stadt fordert Nachbesserungen, das ist jetzt aber auf einem guten Weg. Dennis Gehlen ist der Kampf mit der Bürokratie fremd, er ist zuversichtlich, auch diesen Aspekt klären zu können. Ihm sei daran gelegen, in Krefeld, seiner Geburtsstadt, zu bleiben. Ein Umzug nach Luxemburg oder Gibraltar, wie es andere Internetunternehmen machen, komme für ihn nicht infrage. "Ich bin ein sauber arbeitender Mensch, Pfuschen gibt es bei mir nicht." Er sei auch ehrlicher Gewerbesteuerzahler, betont Gehlen, "und das nicht zu knapp." Und noch eines ist ihm wichtig: "Ich habe noch nie im Leben Fördermittel beantragt."

Denis Gehlen hat seine nächste große Mission angetreten. Er will beweisen, dass TaKeTV weiter von Krefeld aus funktioniert. Krefeld habe in der Gaming-Szene als Sitz von Take TV einen hohen Bekanntheitsgrad. "Es gibt wohl keine größere Werbung für Krefeld bei jungen Gamern als uns."

Sehen Sie hier ein Video mit den Highlights von TakeTV aus dem Jahr 2014:

(RP)
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