Krefeld Smiley gegen Temposünder am Ostwall
Krefeld · Die Diskussion um Ampelschaltung und Geschwindigkeitsreduzierung an der neuen Haltestelle am Krefelder Ostwall entwickelt sich immer mehr zur Provinzposse. Fußgänger sind verunsichert, Autofahrer verzweifelt, mancher Lenker von Bussen und Bahnen vermittelt den Eindruck, dass Beschränkungen für ihn nicht gelten.
Dabei ist die Verwaltung an der Verunsicherung der Bürger nicht ganz unschuldig. Noch vor wenigen Wochen sprachen die städtischen Planer mit Blick auf den kompletten Haltestellenbereich vom "shared space" (gemeinsam genutzter Raum): Charakteristisch ist dabei die Idee, auf Verkehrszeichen, Signalanlagen und Fahrbahnmarkierungen zu verzichten. Ein Knackpunkt: Eine Ampelanlage ist im "shared space" eigentlich nicht vorgesehen, hier aber vorhanden und ein Stein des Anstoßes. Das hat inzwischen auch das Rathaus erkannt. "Es handelt sich hier um keinen ,shared-space-Bereich'", erklärte Linne nun der Politik, da sonst auf jede Form der Beschilderung verzichtet werden müsse: "Außerdem müsste auf dem Platz eine Barrierefreiheit vorhanden sein. Die ist aber nicht gegeben. Entweder komme ich barrierefrei in den Bus oder ich fahre barrierefrei über den Platz. Beides gleichzeitig geht an einer Stelle nicht."
Während die Politik über die verbale Sprunghaftigkeit des Baudezernats noch die Stirn runzelt, kann bei der Polizei zumindest in diesem Punkt tief durchgeatmet werden. Die dortigen Verkehrsexperten hatten bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass das Umfeld der neuen Haltestelle Ostwall kein "shared space" sei. Ihre Erkenntnis: "Die Verhältnisse auf und an der Straße sind genau definiert, das heißt, es gelten dort definierte Verkehrsregeln. Zudem erscheint die vorhandene Verkehrsdichte nach bislang gewonnenen Erfahrungen der Verkehrsingenieure auch nicht geeignet, um dort einen ,shared space' einzurichten."
Nun hat der Dezernent einen neuen Plan entwickelt, der zu einer Reduzierung der Geschwindigkeit an der Ostwall-Haltestelle führen soll. Er spricht jetzt von einem "verkehrsberuhigten Geschäftsbereich mit einem verkehrsbezogenen Trennsystem". Linne ist sicher: "Den haben wir am Ostwall." Hier hat der Verwaltungsfachmann allerdings die Rechnung ohne die Polizei gemacht.
Deren Experten kommen zu einer völlig gegenteiligen Erkenntnis: "Es handelt sich an dieser Stelle auch nicht um einen ,verkehrsberuhigten Geschäftsbereich'." Vielmehr sei der Ostwall eine ganz "normale" Straße, an der durch Verkehrszeichen die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 10 km/h beschränkt ist. Auch für Fußgänger gelten dort - laut Polizei - die sonst üblichen Regeln. Spätestens hier bewegt sich Planer Martin Linne wieder auf Konfrontationskurs. Seiner Meinung nach dürfen Fußgänger neben der Ampel jederzeit die Fahrbahn queren. Mehr noch: "Die Lichtsignalanlage ist ein zusätzliches Angebot für unsichere Fußgänger und eine Forderung der Behindertenverbände."
Beim Kampf um die Reduzierung der Geschwindigkeit sitzen Linne und Polizei wieder in einem Boot. Bei einer "gemeinsamen Verkehrsschau" habe man beschlossen, das derzeitige 60 Zentimeter große Tempo-10-Schild durch einen 15 Zentimeter größeren Bruder zu ersetzen sowie ein Tempo-10-Piktogramm auf die Fahrbahn zu malen. Autofahrer, die alles richtig gemacht haben, werden abschließend von einem Smiley einer Geschwindigkeitsmessanlage angelächelt. Dieses freundliche Gerät (Kosten: 3000 bis 4000 Euro) muss allerdings noch angeschafft werden.
Für Politik und Verwaltung ist damit die Angelegenheit jedoch noch lange nicht abgeschlossen. Busse und Bahnen rücken in einem weiteren Schritt in den Fokus. "Auch diese haben die vorgegebene Geschwindigkeit einzuhalten", sagt die Polizei. "Tun sie aber nicht", erwidert CDU-Ratsherr Jürgen Wettingfeld. Deshalb soll die Verwaltung mit den Verkehrsbetrieben Kontakt aufnehmen.
Weitere - vielleicht nicht alle ganz ernst gemeinte - Fragen blieben im Fachausschuss offen: Können die städtischen Blitzer überhaupt auf zehn km/h eingestellt werden? Was passiert eigentlich, wenn jemand mit mehr als zehn Stundenkilometer durch die Blitzanlage läuft? Müssen schnelle Hunde auch Knöllchen zahlen? SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk: "Es soll auch in Zukunft für diese Stelle kein Denkverbot geben."