Krefeld Schlaganfall: Neue Katheter retten Leben

Krefeld · Mit modernen Kathetertechniken werden am Helios-Klinikum große Blutgerinnsel entfernt, die einen schweren Schlaganfall auslösen. Wenn ein Gerinnsel in einem hirnversorgenden Gefäß für eine medikamentöse Auflösung allein zu lang ist, gibt es mit diesem Verfahren eine Erfolgsquote von 90 Prozent, sagen Experten.

 So seht es aus, wenn ein moderner Katheter ein Blutgerinnsel aus dem Körper geborgen hat: Über die Leistenarterie wird der Katheter bis zum Gefäßverschluss geschoben, dann wird der Thrombus herausgezogen.

So seht es aus, wenn ein moderner Katheter ein Blutgerinnsel aus dem Körper geborgen hat: Über die Leistenarterie wird der Katheter bis zum Gefäßverschluss geschoben, dann wird der Thrombus herausgezogen.

Foto: Helios

Jedes Jahr erleiden etwa 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Gut ein Drittel verstirbt innerhalb des ersten Jahres danach. 70 Prozent der Überlebenden tragen dauerhafte Behinderungen davon. Bisher war beim Hirninfarkt allein die Therapie mit Gerinnsel auflösenden Medikamenten die Behandlung der Wahl. Heute gilt: Der Therapieerfolg bei großen Schlaganfällen kann entscheidend verbessert werden, wenn Kathetertechniken zum Einsatz kommen. Hier wird das ursächliche Gerinnsel mechanisch aus dem kranken Gefäß herausgezogen. Das Helios-Klinikum bietet diese neuen Behandlungsmöglichkeiten als seines Zeichens einziges Krankenhaus in Krefeld an. Die Klinik wurde jetzt von der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DEGIR) sowie der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) als Ausbildungsstätte für Neurointerventionen qualifiziert.

Die Gabe von Medikamenten über eine Vene zur Gerinnselauflösung galt lange als einzige ausreichend belegte Therapie zur Akutbehandlung des Schlaganfalls. Doch für den Behandlungserfolg der medikamentösen Thrombolyse (kurz Lyse) ist die Größe des gefäßverschließenden Gerinnsels entscheidend. Entsprechend ist in spezialisierten Schlaganfallzentren heute die Thrombektomie als neuer Therapiestandard etabliert, sobald ein Thrombus ein großes hirnversorgendes Gefäß vollständig verschließt. Die Thrombektomie wird in aller Regel in Ergänzung zur medikamentösen Lysetherapie durchgeführt. In bis zu 90 Prozent kann dann mit dem Katheter das Gefäß wieder eröffnet werden: "Die Thrombektomie ist der alleinigen medikamentösen Thrombolyse dann überlegen, wenn ein großes Gerinnsel ein sogenanntes Hauptstammgefäß komplett verschließt. Das ist besonders schlimm für den Patienten, da diese Verschlüsse zu großen Schlaganfällen mit schwersten Ausfällen führen. Die Länge des aufzulösenden Thrombus ist einfach zu groß", erklärt Professor Thomas Haarmeier, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Helios-Klinikum. Zwar sei in Zentren mit Kathetern gearbeitet worden - bis vor kurzem allerdings ohne erwiesenen Nutzen. Diese Situation habe sich durch die Einführung der sogenannten Stent-Retriever verändert. In mehreren wissenschaftlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass deutlich mehr Patienten überleben und ohne wesentliche Defizite den Weg ins normale Leben zurück finden, betont der Facharzt.

Über die Leistenarterie wird ein Katheter eingeführt, meist in Narkose unter Röntgenkontrolle im Interventionszentrum. "Ein sehr dünner Mikrokatheter mit einem Durchmesser von weniger als einem Millimeter wird zu dem verschlossenen Hirngefäß vor- und durch das Blutgerinnsel hindurchgeschoben. Darin enthalten ist ein elastisches Drahtgeflecht, ein sogenannter Stent-Retriever. Durch Zurückziehen des Mikrokatheters entfaltet sich dieses Drahtgeflecht. Das Blutgerinnsel verfängt sich darin und kann so herausgezogen und der Blutfluss zum Gehirn wieder hergestellt werden", beschreibt Dr. Ralf Dörbecker, Leitender Arzt Neuroradiologie am Institut für interventionelle und diagnostische Radiologie, das Verfahren.

Da die Behandlung des frischen Hirngefäßverschlusses viel Erfahrung erfordert, gehört sie in die Hand erfahrener Spezialisten: eine neurovaskuläre Einrichtung, in der Neurologen und Neuroradiologen, die die komplizierten Mikrokathetertechniken beherrschen, eng auf einer Stroke Unit zusammenarbeiten. "Der wesentliche Faktor für eine erfolgreiche Therapie ist die Zeit vom Auftreten der Symptome bis zum Therapiebeginn. Wichtig ist dabei, dass die Patienten unmittelbar nach Symptombeginn in ein neurovaskuläres Zentrum, das heißt in eine Klinik mit entsprechender fachlicher Erfahrung und gerätetechnischer Ausstattung, eingewiesen werden", betont Chefarzt Haarmeier: "Am Klinikum ist es uns möglich, die Behandlung von der Ankunft im Krankenhaus bis zum Beginn der Intervention in durchschnittlich 90 Minuten, nicht selten innerhalb von 60 Minuten Gesamtzeit zu realisieren. Bei guten Gefäßverhältnissen kann die Thrombektomie dann innerhalb von Minuten erfolgreich sein - gemessen von der Punktion der Leiste, in die der Katheter eingeführt wird, bis zur Extraktion des Thrombus. Wir gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent der Schlaganfallpatienten für diese Therapie infrage kommen." Auch bei frisch operierten Patienten, die keine Gerinnsel auflösende Medikamente bekommen dürfen, kann die Thrombektomie eingesetzt werden.

(RP)
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