Kurzkritik Retter des Blues

Krefeld · Zwei Abende, zwei identische Konzerte, beide Male ausverkauftes Haus - es muss sich um eine besondere Band handeln, wenn eine erste Albumveröffentlichung so gefeiert wird. Der Auftritt der Krefelder Band Minor Cabinet in der Kulturrampe zur Veröffentlichung ihres Debütalbums "Black Ink On White Sheets" am vergangenen Wochenende hatte etwas von großer Familienparty. Im Publikum standen am Freitag Eltern und Freunde, auf dem Weg auf die Bühne der kleinen Kulturrampe wurden die fünf Männer geherzt und gedrückt. Geradezu liebevoll war das, was sich dann in den folgenden zweidreiviertel (!) Stunden ereignete. Die Band spielte sich in einen Rausch, nichts folgte der Routine eines Rockkonzertes. Und Samstag das gleiche noch mal - weil so viele sie sehen wollten.

 Minor Cabinet am Freitag in der Kulturrampe.

Minor Cabinet am Freitag in der Kulturrampe.

Foto: sep

Minor Cabinet machen Bluesrock, aber die Band auf diesen Stil zu reduzieren, würde diesem Debütalbum nicht gerecht. Soul, Jazz, Folk - ein Füllhorn musikalischer Stile gossen sie über die Kulturrampe. 2012 gründete sich die Band mit Musikern aus Krefeld, Kempen und Bochum, in der aktuellen Besetzung mit Julian Jasny (Gesang und Gitarre), Tarek El Kassar (Gesang und Keyboards), Paul Krobbach (Gesang und Bassgitarre), Roman Dönicke (Schlagzeug) und Clemens Bombien (Gitarre) wollten nicht in die Fußstapfen anderer Bands treten - Mission: bloß kein 08/15-Rock. Sänger Jasny ist mit einer außerordentlichen Stimme gesegnet, Gitarrist Clemens Bombien stand schon mit Bluesgrößen auf einer Bühne. Der Bluesmusiker Kris Pohlmann entdeckte die Band und verpflichtete sie für sein Label "Black Penny Records". 2014 nahmen sie ihr Debüt in der Tresorfabrik Duisburg auf.

Wer hört heute als junger Mensch noch Blues? In der Version von Minor Cabinet, die oft an Led Zeppelin, bisweilen an Kings Of Leon, manchmal auch an die Eels erinnern, scheint das Genre eine Zukunft gefunden zu haben. Im Kollektiv machen Minor Cabinet einen Sound, der jedem Musiker den Raum gönnt, seine Stärken auszuspielen - natürlich steht aber Jasny, Psychologiestudent und angehender Referendar, mit seinen stimmlichen Stärken im Mittelpunkt. Er blieb dennoch auf dem Boden, würdigte seine Mitmusiker, wusste auch für das große Ganze zurückzutreten. Es gab einige Längen an diesem durch eine Pause unterbrochenen Konzertabend. Die Band wollte einfach alles auftischen, was sie im Laufe ihrer Karriere gesammelt hat. Der begnadete Gitarrist Bombien spielte einige Soli, die die Eine-Minute-Toleranzgrenze deutlich überschritten. Aber immer wieder kehrten Minor Cabinet zum Kern ihres Wirkens zurück - dem dringlichen Bluesrock.

Im Zugabenteil sang Jasny begleitet nur vom Klavier herzergreifende Soli und Duette mit Annika Bruns - hätte man Jasny an diesem Abend von der Kulturrampe vor die DSDS-Jury verpflanzt, dann stünde hier jetzt Deutschlands neuer Superstar. So sah man - eine Superband!

SEBASTIAN PETERS

(RP)
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