Krefeld Restaurierung deckt Kunst-Irrtum auf

Krefeld · Die Kunstmuseen haben mit Blick auf die KWM-Eröffnung auf Hochtouren Werke von den Schäden der Zeit befreit - mit kräftiger Unterstützung des Landes und verblüffendem Ergebnis. Ein Arte-Povera-Objekt war lange falsch betrachtet worden.

 Sebastian Köhler in seinem Restaurierungsatelier mit dem Bild "Blau CXII" von Moholy-Nagy. Im Hintergrund ein Landschaftsbild von Macke.

Sebastian Köhler in seinem Restaurierungsatelier mit dem Bild "Blau CXII" von Moholy-Nagy. Im Hintergrund ein Landschaftsbild von Macke.

Foto: Thomas Lammertz

Die Geschichte ist nicht verbrieft, aber höchst denkbar. Sebastian Köhler, Restaurator der Krefelder Kunstmuseen, hat sie von seinem Amtsvorgänger gehört, der in den 1980er Jahren dabei war, als Joseph Beuys seine Installation in der zweiten Etage des Kaiser-Wilhelm-Museum eingerichtet hat: "Mein Vorgänger hat gefragt: ,Herr Beuys, was mache ich denn, wenn an Ihre Sachen etwas drankommt?' - Antwort des Künstlers: ,Finger weg!'"

Vielleicht hätte Mario Merz (1925-2003), einer der wichtigsten Vertreter der Arte Povera, das ähnlich gesehen. Dann hätte es vielleicht eine gut gemeinte Schutzmaßnahme nicht gegeben, die um ein Haar einen kunsthistorischen Irrtum als Gewissheit fortgeschrieben hätte. Es geht um sein Objekt "Hagoromo" (1967-1969): ein Eisengestell, das mit einer Polyethylengaze überzogen ist, auf der ein Wachsgemisch aufgetragen wurde, in dessen Mitte der Leuchtschriftzug "hagoromo" ruht. Die Wachsschicht hatte über Jahre den Staub angezogen. Um das Werk, das jetzt in der ersten Etage zu sehen ist, präsentieren zu können, war eine Restaurierung notwendig.

 "Hagoromo" des italienischen Künstlers Mario Merz ist jetzt wieder ohne Glasscheibe (und ohne Staub) zu sehen.

"Hagoromo" des italienischen Künstlers Mario Merz ist jetzt wieder ohne Glasscheibe (und ohne Staub) zu sehen.

Foto: KKM

Gelagert war das 2,50 Meter lange Objekt mit einer Glasplatte. Und die warf Fragen auf. "Wir haben gesehen, dass die Leuchtschrift in das Wachs eingesunken war, an manchen Stellen grünlich verfärbt", erzählt Köhler. "Auf der Glasscheibe war der Schriftzug als Ghostimage zu sehen - alles eine Folge des Hitzestaus. Also konnte die Scheibe so wohl nicht vorgesehen gewesen sein." Intensive Forschung im Archiv brachte es an den Tag: Zum Schutz vor Schmutz und "Bonbonpapierchen, die wohl immer hineingeworfen wurden", hatte man dem offenen Kunstwerk einen maßgefertigten Deckel verpasst. "Der wäre fast kunsthistorische Gewissheit geworden", sagt Köhler.

"Der Aufwand, der hinter einer guten Restaurierung steckt, ist hinterher nicht mehr sichtbar", sagt Köhler. "Wenn mehrere hundert Stunden Zeit nötig sind, kann ich das nicht leisten." Unterstützung bekommen die Kunstmuseen oft vom Verband der Restauratoren (VDR). Er ist die Koordinierungsstelle für das NRW-Restaurierungsprogramm, das die Pflegearbeiten an Kunstwerken mit bis zu 80 Prozent finanziell fördert. "Denn oft müssen wir Arbeiten von externen Spezialisten machen lassen. Wenn der Aufwand weit über 300 Stunden liegt, ist das mit meinen anderen Aufgaben hier nicht zu leisten." Fünf Projekte sind in den vergangenen Jahren vom VDR gefördert worden - jeweils mit dem Höchstsatz, sagt Köhler, nennt aber keine Summen.

Außer Merz' Objekt auch das Thorn-Prikker-Wandgemälde, die Fensterscheiben und "Hibernia" im Beuys-Raum sowie ein Gemälde des Ungarn Laszlo Moholy-Nagy (1895-1945). Dessen Bild "Blau CXII" von 1924 steht noch auf der Staffelei im Restaurierungsatelier, es soll in der nächsten Ausstellung zu sehen sein. Dass die nur 91,7 mal 71,5 Zentimeter große Leinwand mehrere hundert Arbeitsstunden verschlungen haben soll, ist kaum vorstellbar. "Der helle Farbhintergrund hatte etliche kleine Sprünge in der Farbschicht. Quadratzentimeterweise mussten die Stellen, die sich lösten, von einem Spezialisten für monochrome Farbflächen mit dem Untergrund verbunden werden."

Restaurierung von Kunstwerken ist eine hoch diffizile Arbeit, die nicht nur äußerstes manuelles Geschick erfordert, sondern auch intensive Auseinandersetzung mit dem Willen des Künstlers. Wie viel darf, soll, muss man von den Schäden reparieren, die die Zeit angerichtet hat? Das war viele Überlegungen im Beuys-Raum wert. "Hibernia", ein weiß grundiertes Fundholz mit grauem Anstrich, sollte seinen abgenutzten Charakter behalten. Aber die Farbe löste sich, blätterte ab. "Wenn das zu viel ist, ist das Kunstwerk nicht mehr authentisch". Viele Jahre lang hat man geforscht und experimentiert und schließlich ein Füllstoff-Klebemittel-Gemisch erfunden, das - in winzigsten Tröpfchen unter die Farbschollen getupft - wieder Halt gibt.

Ein schwieriger Fall waren auch die Fenster im Raum mit der Barraque d'Dull Odde. Um einen Kellercharakter zu erzeugen, hatte Beuys die Scheiben mit weißer Farbe "blind" gemacht. "Wir fanden nicht, dass wir sie einfach hätten überstreichen können, sondern haben sie als Teil des gesamten Kunstwerks gesehen", betont Museumskuratorin Magdalena Holzhey. Das bedeutete aufwändige Trockenreinigung, eine schonende Prozedur mit leichtem Seifenzusatz, vorsichtige Ausbesserung der Farbe. Dabei kam heraus, dass der Raum von Beuys mit drei unterschiedlichen Weißtönen belegt wurde, also auch die Wände nicht das Weiß der übrigen Museumsräume haben konnten. "Das wäre ein zu harter Kontrast gewesen", sagt Holzhey. Die Lösung trägt die Farbbezeichnung "Savanna 18". Doch die Jury des Landes war diesmal schwierig vom Kunstwerk-Charakter zu überzeugen. "Wir vom VDR standen hinter den Kunstmuseen. Sie sind uns als kundige Kooperationspartner bekannt", sagt Stefanie Bründel vom VDR.

(RP)
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