Krefeld Podium: Gibt es zu viele Studenten?

Krefeld · "Bachelor für alle?" lautete der Titel einer Podiumsdiskussion an der Hochschule Niederrhein. Hintergrund sind hohe Abbrecherquoten und Sorgen der Wirtschaft, bald nicht mehr genügend Facharbeiter zu bekommen.

 Krankt das Bildungs- und Ausbildungssystem an einem Akademisierungswahn? Es diskutierten in der Hochschule Niederrhein vor Studenten (v.l.) die FDP-Landtagsabgeordnete Angela Freimuth , Prof. Benno Neukirch, Moderator Jens Voß und IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz.

Krankt das Bildungs- und Ausbildungssystem an einem Akademisierungswahn? Es diskutierten in der Hochschule Niederrhein vor Studenten (v.l.) die FDP-Landtagsabgeordnete Angela Freimuth , Prof. Benno Neukirch, Moderator Jens Voß und IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz.

Foto: Thomas lammertz

Mittlerweile drängen 60 Prozent eines Jahrgangs an eine Hochschule - so viele, dass die Wirtschaft um die Existenz des Dualen Ausbildungssystems fürchtet. Wenn alle studieren und niemand mehr eine Ausbildung anstrebt, brechen den Unternehmen die Facharbeiter weg - was eine Katastrophe für die mittelständisch orientierte deutsche Wirtschaft wäre.

Das ist der Hintergrund für eine Podiumsdiskussion an der Hochschule Niederrhein (HN) gewesen, an der der IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz, der Dekan des Bereichs Gesundheitswesen, Prof. Benno Neukirch, und die FDP-Landtagsabgeordnete Angela Freimuth teilnahmen - Ausrichter war die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, die Moderation lag beim Krefelder RP-Redaktionsleiter Jens Voß. Titel: "Bachelor für alle - notwendige Professionalisierung oder Überakademisierung?"

Steinmetz vertrat die These, dass es zu viele Studenten gibt - als ein Indiz gilt etwa die Abbrecherquote, die bei 20 bis 30 Prozent liegt. Viele täten besser daran, ihren Berufsweg mit einer Ausbildung zu beginnen, so Steinmetz. Als Gründe für den Andrang aufs Studium sah er etwa überzogene Gehaltserwartungen und Sozialprestige-Motive: Ein Studium sei immer noch mit mehr gesellschaftlicher Anerkennung verbunden als eine Lehre. Neukirch sah das Problem einer Überakademisierung nicht für die HN. Zum einen würden die Studenten dort früh klare Rückmeldungen bekommen, ob sie geeignet seien; zum anderen sei die Passgenauigkeit der Studienwege so präzise, dass Absolventen effektiv nach den Bedarfen der Unternehmen ausgebildet werden würden. Neukirch sieht das Problem der Überakademsierung vor allem bei den Geisteswissenschaften angesiedelt, weniger bei den nah an der Wirtschaft agierenden Fachhochschulen. Die FDP-Politikerin Freimuth sprach sich dagegen aus, Studienplätze künstlich zu verknappen, kritisierte aber falsche Anreize der rot-grünen Landesregierung: So würden Unis dafür belohnt, viele Studenten durchs Examen zu bringen - damit verbunden sei die Gefahr, dass Unis jeden "durchwinken", um die Prämien zu kassieren.

Alle drei Diskutanten beklagten, dass der Weg der Ausbildung immer noch mit schlechterem Sozialprestige verbunden sei als der des Studiums. Und dies, obwohl Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten in den Unternehmen für Facharbeiter und auch die Verdienstmöglichkeiten gut seien - teils besser als für Absolventen von sozialen oder geisteswissenschaftlichen Studiengängen. Steinmetz beklagte zudem, dass es keine "Gleichheit der Waffen" gebe, da etwa Fachhochschulen deutlich besser ausgestattet seien als Berufskollegs.

Ein Student aus der Zuhörerschaft kritisierte, dass es Unsinn sei, Jugendlichen erst das Abitur zu geben und sie dann an den Unis auszusieben. Er beklagte einen Niedergang des Leistungsniveaus an den Schulen und forderte, dass das Schulsystem viel deutlicher an Begabungen ausgerichtet werden müsste: Kopfarbeiter gehörten ans Gymnasium, handwerklich Begabte eher in Haupt- oder Realschulsysteme. Steinmetz pflichtete ihm bei: Die Schulpolitik der letzten Jahrzehnte sei einseitig darauf ausgerichtet gewesen, möglichst vielen das Abitur zu vermitteln - auch darunter habe das Ansehen von Ausbildungsberufen gelitten.

(RP)
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