Krefeld Pauline und die Schuhputzer von La Paz

Krefeld · Die Krefelderin Pauline Diercks lernt die harte Welt der Schuhputzer von La Paz kennen. Deren Markenzeichen: eine Mütze, die zugleich vermummt. Pauline macht ein Soziales Jahr in Bolivien. Ihre Zwischenbilanz ist durchwachsen.

 Die Krefelderin Pauline Diercks mit dem Schuhputzer Manuel in La Paz. "Ich wahre schon eine gewisse emotionale Distanz, aber ich finde, sie brauchen sich nicht zu schämen für das, was sie machen", sagt sie.

Die Krefelderin Pauline Diercks mit dem Schuhputzer Manuel in La Paz. "Ich wahre schon eine gewisse emotionale Distanz, aber ich finde, sie brauchen sich nicht zu schämen für das, was sie machen", sagt sie.

Foto: Sebastian Hachmeyer

Paz/Krefeld Nach sieben Monaten internationalem Jugendfreiwilligendienst (IJFD) im Sozialprojekt für Schuhputzer "Hormigón Armado" in der bolivianischen Hauptstadt La Paz zieht die 19-jährige Pauline Diercks aus Krefeld eine Zwischenbilanz. Trotz einiger Startschwierigkeiten hat sich Pauline gut in ihr Arbeitsumfeld eingegliedert. Das Leben der Schuhputzer findet sie bewundernswert.

"Grundsätzlich unterstützen wir Schuhputzer, Jugendliche und Straßenkinder in ihrem Alltagsleben und beschäftigen sie mit Aktionen, Workshops und Arbeit, damit sie einen kleinen Lohn erhalten und nicht auf die schiefe Bahn geraten", fasst Pauline das Projekt "Hórmigon Armado" der Stiftung für bolivianische Kunst und Kultur (FACB) zur Förderung und Unterstützung von Straßenkindern und Schuhputzern in La Paz zusammen.

 Im April 2015 berichteten wir über Pauline Diercks und ihr Vorhaben, ein Soziales Jahr in La Paz in Bolivien zu absolvieren.

Im April 2015 berichteten wir über Pauline Diercks und ihr Vorhaben, ein Soziales Jahr in La Paz in Bolivien zu absolvieren.

Foto: Lammertz

"Hormigón Armado", was Stahlbeton auf Deutsch heißt, sei ein Kunstbegriff mit doppelter Bedeutung, sagt die Geschäftsführerin Gabriela Claros. Auf der einen Seite weise er auf die Stärke und Widerstandsfähigkeit der Schuhputzer hin, auf der anderen Seite bedeute der Name so viel wie "zähe" oder "hartnäckige" Ameise, was sich auf ihre Organisationsfähigkeit und Arbeitskapazität beziehe. Das Projekt beinhaltet Patenschaften mit Straßenkindern oder eine von Schuhputzern geführte "alternative" Stadtführung, die Einblicke in das Leben auf der Straße ermöglichen soll. Ein wesentlicher Aspekt ist die Veröffentlichung einer Zeitschrift, die die Schuhputzer auf der Straße verkaufen und sich so einen Zuschuss zum Lebensunterhalt verdienen. Da sich Pauline für Kunst interessiert, arbeitete sie anfangs am Design dieser Zeitschriften mit. Doch dann wurde diese Arbeit an Profi-Designer übergeben. Eine ihrer momentanen Aufgaben ist die Unterstützung eines Gastronomie- und Backprojekts. Die monatliche Produktion von bis zu 5000 Kilogramm Plätzchen ist für die Lebensmittelpakete des landesweiten Mutterschaftszuschusses bestimmt. So erziele das Backprojekt ein doppeltes Ziel, erklärt Pauline, denn im Projekt arbeiteten 14 Jugendliche (zwölf Mütter und zwei Väter), die es wegen ihrer jungen Elternschaft schwer haben, eine reguläre Arbeit zu finden.

Einer der Festangestellten im Backprojekt ist der Schuhputzer Manuel. Manuel hat sich früh entschlossen, auf der Straße Schuhe zu putzen, wie er sagt, aus finanziellen Gründen. "Das Leben eines Schuhputzers ist ein Leben auf der Straße, man verdient sich seinen Unterhalt, man spart jeden Cent, um seiner Familie zu helfen", sagt Manuel.

Dabei habe er viele schlimme Erfahrungen gemacht, wie die ewigen Diskriminierungen auf der Straße oder Kunden, die nicht bezahlen wollten oder sogar seine Putzutensilien zerstörten. "Die Gesellschaft kann dir dein Leben ruinieren und zur gleichen Zeit retten", sagt er. Es gebe zwar keinen festen Lohn als Schuhputzer, aber die Arbeit sei wenigstens frei. Am Ende sei er froh, diese Erfahrungen auf der Straße gemacht zu haben, denn sie hätten ihm geholfen, die Person zu werden, die er heute sei. "Schuheputzen bedeutet viele Dinge auf einmal. Für mich hat es mein Leben verändert, denn mit kleinen Dingen kann man Großes erreichen", sagt Manuel. Pauline bewundert diese Einstellung. Es gebe viele Vorurteile gegenüber Schuhputzern, beispielsweise, dass alle kriminell seien und Drogenprobleme hätten, sagt sie. Deswegen würden sich viele Schuhputzer auch vermummen. Laut Manuel sei die Vermummungstaktik aber ebenso Statussymbol und normale Arbeitsbekleidung, die gegen die gleißende Sonne und die Kälte von La Paz Schutz biete. Pauline berichtet, sie habe mit keinem Schuhputzer direkt über seine Vorgeschichte reden können, auch weil einige sehr verschlossen seien. "Ich wahre schon eine gewisse emotionale Distanz, aber ich finde, sie brauchen sich nicht schämen für das, was sie machen", sagt sie. Obwohl sie sagt, das Projekt sei sehr sinnvoll und helfe den Schuhputzern enorm, ist Pauline nicht rundum glücklich. "Die Anfangszeit war sehr schwierig, hier war nichts los, ich war frustriert, weil nie Leute kamen und ich unbedingt mit Menschen arbeiten wollte." Außerdem sei die fehlende Klarheit ihrer Funktion einer ihrer Kritikpunkte gewesen.

"Ich weiß, dass ich hier momentan nicht viel mehr machen kann, als das, was ich gerade mache, aber manchmal fühle ich mich schon ein wenig unterfordert, weil der Alltag doch recht eintönig ist, und ich mir doch mehr Herausforderungen wünsche." Dennoch sei sie froh, sich für diesen Schritt entschlossen zu haben. Der Freiwilligendienst leiste einen Beitrag für die Gesellschaft und sei förderlich für die eigene Entwicklung.

(RP)
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