Krefeld Oratorium: christlich, muslimisch, bewegend

Krefeld · Die Kombination von Passagen Johan Sebastian Bachs mit zeitgenössischer orientalisch geprägter Musik in "Und er sprach..." bewegte. Das Publikum in der Friedenskirche war hingerissen.

 Ein besonderer Moment: Der Dionysius-Chor, die Kantorei der Friedenskirche und das Turkish Chamber Orchestra führen in der Friedenskirche das erste christlich-muslimische Oratorium auf.

Ein besonderer Moment: Der Dionysius-Chor, die Kantorei der Friedenskirche und das Turkish Chamber Orchestra führen in der Friedenskirche das erste christlich-muslimische Oratorium auf.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Was könnte in diesen Tagen gesamtgesellschaftlich hilfreicher sein als Christen und Muslime die Gemeinsamkeiten zwischen ihren religiösen Traditionen auch gemeinsam erleben zu lassen? Und welche Sprache zwischen beiden ließe sich schneller entdecken und verstehen als die Musik? Dieser Überlegung folgten die Schöpfer des christlich-muslimischen Oratoriums "Und er sprach..." und brachten es am Sonntag in der Friedenskirche zu Gehör.

Kantor Hans-Jörg Böckeler war zwar momentan nicht in der Kondition, das Konzert mitzudirigieren, genoss aber von der Empore aus die Früchte seiner intensiven Probenarbeit mit Dionysius-Chor und Kantorei der Friedenskirche, während der seinerseits renommierte Betin Günes die Chöre und sein international besetztes Turkish Chamber Orchestra durch das Opus führte. Und er war es auch, der die orientalischen Passagen komponiert und beispielhaft stilsicher mit den abendländischen aus der Feder von Johann Sebastian Bach verbunden hatte. Dabei bezog sich Günes auf die Koran-Sure 19, denn auch im Koran erfährt Jesus besondere Verehrung. Dort wird ebenfalls von der jungfräulichen Geburt Jesu berichtet, und im Koran kann er sogar schon als Säugling sprechen.

Johann Sebastian Bach bezog sich in seinem Weihnachtsoratorium natürlich auf die biblische Überlieferung. Beide Varianten - inhaltlich und musikalisch - wurden in der Aufführung einander gleichberechtigt gegenübergestellt und durch instrumentale Intermezzi miteinander verwoben. So entstand ein ganz besonderes Stück sakraler Musik, das nicht nur seiner inhaltlichen Intention gerecht wurde, sondern auch künstlerisch ausgezeichnet gelang. Das Gesamtensemble unter dem temperamentvollen Dirigat von Günes, der zwischendurch auch den vor ihm stehenden Flügel spielte, hat die Brückenschläge zwischen den Kulturen nachhaltig internalisiert und harmonierte glänzend. So schwelgte man mal im deutschen Barock, mal in Günes' ganz eigener Fusion aus osmanischen, mittelöstlichen, armenischen und amerikanischen Elementen - und beides in schönster Selbstverständlichkeit und handwerklich tadellos inklusive guter Textverständlichkeit. Und sieht man davon ab, dass es dem Tenor Laçin Modiri nicht recht gelang, die Tragkraft seiner Stimme raumgerecht zu dosieren, bereiteten auch die Gesangssolisten große Freude, bei den Damen Jana Marie Gropp (Sopran) und Ava Gesell (Mezzosopran) und Bass-Bariton Günes Gürle.

Das Publikum in der bestens besuchten Kirche war völlig hingerissen und dankte mit Standing Ovations, die nicht enden wollten.

(RP)
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