Krefeld Nachdenken über die Farbe Weiß

Krefeld · Im Projektraum "35 Blumen" zeigen sieben Künstler: "Weiß - 7 Arten, der Stille zu begegnen". Es ist eine kleine, aber vielsagende Ausstellung, die viel Raum für bunte Gedanken lässt. Zu sehen bis 10. Oktober.

 Drei Krefelder Künstler, die an der Blumenstraße Arbeiten zum Thema "Weiß" zeigen: (v.l.) Brigitta Heidtmann (Holzobjekte), Nicky Schwarzbach (Fotografie) und Jürgen Trittin (Materialbilder).

Drei Krefelder Künstler, die an der Blumenstraße Arbeiten zum Thema "Weiß" zeigen: (v.l.) Brigitta Heidtmann (Holzobjekte), Nicky Schwarzbach (Fotografie) und Jürgen Trittin (Materialbilder).

Foto: Thomas Lammertz

In diesen Tagen färbt der Herbst die Landschaft. Und in den Innenstädten toben auffällige Farben gegen künftige Wintertristesse an. In einem kleinen Raum an der Blumenstraße 35 ist derweil eine Oase farblicher Ruhe entstanden. Im Projekt-raum "35 Blumen" zeigen sieben Künstler Arbeiten in Weiß. Sie verstehen ihre Ausstellung als Kontrapunkt zu anderen Schauen, die mit lauten Tönen Aufmerksamkeit erregen. "Weiß - 7 Arten, der Stille zu begegnen" haben sie als Titel gewählt. Und das ist nur eine Anregung, wie man die Arbeiten betrachten kann, zwischen denen sich je mehr Bezüge herstellen lassen, je länger man sie betrachtet - obwohl alle stilistisch ganz unterschiedlich sind.

Auf 16 Quadratmetern kann der Betrachter nachdenken über die Farbe Weiß, die ja eigentlich gar keine Farbe ist, zumindest keine Spektralfarbe, sondern ein Gemisch verschiedener Farben. Was alles in Weiß stecken kann, lässt Renata Balciunaite aufschimmern. Ihre Bilder erinnern an Weiß-in-Weiß-Pusteblumen. Durch den Untergrund schimmern pastellige Töne, zarte Linien, die wie seltsame Insekten oder Sporen wirken, vertiefen den mystischen Eindruck. Die Künstlerin, die bis zu ihrem 23. Lebensjahr in Litauen lebte, gibt als wichtige Inspiration ihre Begegnung 1994 mit dem Krefelder Mystiker Aoananda an. Weiß steht für sie für Schnee und Stille, aber auch für Spuren, für Leere und Schmerz. Und alles lässt sich in ihre Bilder hineinsehen, so geduldig wie in die abstrakten Klecksbilder der Psychologen, aber weitaus ergiebiger als für Ein-Wort-Geschichten.

Die Wirklichkeit ist der Ausgangspunkt für Madeleine Strindberg. Die Künstlerin mit israelischen Wurzeln lebt in London und hat mit weißen Kreisen und Übermalungen auf Zeitungen die lauten Ereignisse des Jahres - von Trumps Wahl bis zum Brexit - übertüncht, aber nicht gänzlich unkenntlich gemacht. Wie das Auge eines Hurricanes, eine trügerische Ruhe, wirkt die sanfte Weißheit auf dem turbulenten Zeitgeschehen. "Der Stille zu begegnen? Die Stille ist ohrenbetäubend", hat sie als Statement in der Ausstellung zurückgelassen.

"Weiß lässt die Konturen zurücktreten und den unendlichen Raum denkbar werden", sagt Brigitta Heidtmann. Die Krefelderin schafft mit ihren Holzobjekten nicht nur optisch Verbindungen zwischen den Künstlern. Wie springende Punkte verteilen sich weiße Holzscheiben auf der Wand und werfen Schatten. Ein Oval zeigt noch deutlicher, wie die konkrete Form unter der Helligkeit der Farbe auf der weißen Wand zurücktritt.

Wo ist die Grenze? Die Frage darf sich auch bei der Fotografie von Nicky Schwarzbach stellen: Ein entblößter Frauenschoß, von einem 100 Jahre alten, blütenweißen Babylatz notdürftig bedeckt. Hier wird verdeckt. Oder enthüllt. Es geht um Geburt und Unschuld einerseits. Andererseits: Wer solche Fotos macht, ist nicht unschuldig. Auf diese Spannung baut Schwarzbach. Ihre Weiß-Leitthese heißt "Weiß verschenkt sich im Moment der höchsten Spannung ohne Aussicht auf Erlösung."

Die Suche nach Erhellung lässt sich auch in der Malerei von Sonja Hellmann finden. Mit weißer Farbe hat sie Symbole der Yoga-Meditation auf weißes Tuch gemalt, die sich mit meditativer Ruhe betrachten lassen.

Für Johannes Trittin ist "Weiß" nur Mittel zum Zweck. Den Krefelder interessiert vor allem das Material und wie es sich verändert durch die permanente Addition des Gleichen: So hat er auf einen schwarzblauen Untergrund Schicht für Schicht weiße Latexfarbe aufgetragen, insgesamt zehn Kilo Farbe. So entsteht Volumen, Fläche wird zur Form, Farbe zu Material. "Papier ist Sinnbild des Aufnehmens von Inhalt und der Möglichkeit der permanenten Rezitation, die Farbe Weiß - als Farbsubstanz - ein Sinnbild der ständigen Erneuerung. Es rezitiert sich permanent", formuliert Trittin. Eine von vielen Möglichkeiten von Weiß, die die Musikerin Petra Grünschläger-Salbeck mit lichten Improvisationen unterlegt.

Ausstellung bei 35 Blumen, Blumenstraße 35. Bis 10. Oktober. Geöffnet Freitag, 18 bis 21 Uhr, Sonntag, 16 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung: www.35blumen.org

(RP)
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