Krefeld "Mülltrennung birgt manchmal mehr Konflikte als Kulturelles"

Krefeld · Sozialamtsleiter Gottschalk zieht Bilanz der Flüchtlingsunterbringung: Anfangs wurde das Sozialamt förmlich überrollt; die Flure standen voller Menschen; die Konflikte waren teils überraschend.

 Wolfram Gottschalk musste 3600 Menschen unter teils chaotischen Bedingungen unterbringen - anfangs standen plötzlich Busse mit 150 Flüchtlingen vor dem Rathaus. Noch sind 800 Menschen in Turnhallen untergebracht.

Wolfram Gottschalk musste 3600 Menschen unter teils chaotischen Bedingungen unterbringen - anfangs standen plötzlich Busse mit 150 Flüchtlingen vor dem Rathaus. Noch sind 800 Menschen in Turnhallen untergebracht.

Foto: Stadt

Die Stadt Krefeld hat in den letzten Monaten rund 3600 Flüchtlinge aufgenommen. Wolfram Gottschalk, Leiter des Fachbereichs Soziales, berichtet über eine "leicht entspannte Personalsituation", das ungebrochene Engagement der ehrenamtlichen Helfer und darüber, dass die Mülltrennung gelegentlich ein größeres Konfliktpotenzial darstellt als kulturelle Unterschiede. "Man muss sich darüber im Klaren sein, das ist ein Geschäft, wo nicht jeden Tag die Sonne scheint und nicht überall alles rund läuft. Aber wir sind inzwischen personell im Betreuungsbereich deutlich besser aufgestellt."

Noch immer seien etwa 800 Menschen in Turnhallen untergebracht, für die dringend nach anderer Unterbringung gesucht werde. Dennoch habe sich die Situation, verglichen mit den Zuständen von 2015, als auf den Fluren des Fachbereichs Soziales vor lauter Menschen kein Durchkommen gewesen sei, etwas entspannt. Bis Ostern seien wöchentlich noch 100 Personen zugewiesen worden, derzeit seien es etwa dreißig. "Zum Glück kommen seit Anfang des Jahres nicht mehr so viele Busse vorbei, die gar nicht angekündigt waren."

Positiv erweise sich, dass sich sowohl die Zahl der Sozialarbeiter als auch die der Mitarbeiter vor Ort in den Unterkünften erhöht habe. Gottschalk spricht von "einer bunten Truppe", bei der man auf eine "gute Mischung der Kompetenzen" und der kulturellen Hintergründe geachtet habe.

In allen Unterkünften gibt es "Unterkunftsbetreuer", die sieben Tage in der Woche 24 Stunden im Schichtbetrieb ihren Dienst versehen und erste Ansprechpartner in allen Fragen für die Flüchtlinge sind. Zusätzlich bieten Sozialarbeiter mehrfach in der Woche vor Ort Sprechzeiten an.

Unschätzbaren Wert stelle das ehrenamtliche Engagement vieler Bürger dar, wobei Gottschalk betont "es ist nicht so, dass alles erst seit der Einrichtung der Stelle für Flüchtlingskoordination besteht". Schon vorher habe es an vielen Unterkünften Initiativen und organisierte Hilfe gegeben.

Im Jahr 2015 seien es jedoch häufig Ad-hoc-Entscheidungen zu fällen gewesen. Kurzfristig seien 150 Menschen angekündigt worden "und wir wussten, juut, da müssen wir jetzt mal wieder eine Halle fertigmachen". Da sei nicht viel gewesen mit "vorher die Bevölkerung einbinden, oder dass sich vorher ein Koordinierungskreis bildet".

Inzwischen zeige sich die bundesweite Situation entspannter und dadurch werde vor Ort eine "planvolle Vorbereitung" erst möglich. Gemessen an der Zahl der Flüchtlinge sowie der Unterkünfte gebe es wenige Beschwerden, aber natürlich gebe es auch Konflikte. Oft liege es an der Lautstärke. "Je näher die Wohnbebauung liegt, je größer die Einrichtung und so schöner das Wetter, umso mehr Beschwerden haben wir, weil das Leben draußen stattfindet". Häufig helfe bereits ein Gespräch zwischen dem Unterkunftsbetreuer und den Anliegern; und eben die Erkenntnis, dass "dreihundert Menschen in einem Gebäude schon mal lauter sind als zwei in einem Einfamilienhaus".

Das gleiche gelte für einen Aufenthalt oder eine Unterhaltung im Garten. Bei den Wohnungsunterbringungen gebe es immer wieder mal "kleinere Konflikte", wenn die Mülltrennung nicht funktioniert. Es gebe Hausgemeinschaften, in denen man "umherfliegenden Müll" immer direkt dem Flüchtling zuschiebe, und wenn man dann der Sache nachgehe, stelle man fest "das war eine der Ureinwohnerinnen, die einfach mal ihren Müll in den Hausflur geschmissen hat, statt in die Mülltonne".

Besonders positiv laufe es immer dort, wo "die Einrichtung nicht als Störfaktor, sondern als Teil der Gemeinschaft" wahrgenommen werde. Das zeige sich besonders in den dörflichen Strukturen von Traar und Hüls. Anders als vielfach in der Stadt, kenne sich die Bevölkerung und bilde Netzwerke. Schützen- und Sportvereine bieten sich an und auch nach Wochen der Hilfsbereitschaft sei das ehrenamtliche Engagement nicht abgeklungen.

Allenfalls bei den Sprachkursen sei die Stimmung "schon mal schwankend", das liege aber häufig wohl daran, dass "die arabische Pünktlichkeit oder überhaupt eben auch nicht mit der berühmt berüchtigten deutschen Pünktlichkeit" zu vergleichen sei. Insgesamt bestehe der Wunsch nach Kontakt.

Gottschalk macht die Erfahrung, dass sich die positive Stimmung der Orte auf die Flüchtlinge auswirkt und meint lächelnd "Während man als Zugezogener nach 30 Jahren immer noch nicht als Hülser gilt, macht man es den Flüchtlingen da zum Teil einfacher."

(RP)
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