Krefeld Mordprozess: Staatsanwalt geht von 114 Messerstichen aus

Krefeld · Der Mann, der einen Obdachlosen umgebracht hat, hat nach der Tat die Polizei gerufen - die glaubte ihm erst nicht. Das Motiv für den Gewaltexzess ist unklar.

Ein Mann aus Krefeld muss sich seit gestern wegen Mordes an einem Obdachlosen vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts verantworten. Er soll einen 56-Jährigen mit über 100 Messerstichen getötet haben. Sein Verteidiger hat bereits angekündigt, dass die Stiche mit dem Jagdmesser eingeräumt werden.

Der Angeklagte wird von einem Wachtmeister im Rollstuhl zu der Treppe vor den Saal geschoben, ein anderer hält ein Sauerstoffgerät. Der Mann mit Vollbart, Brille und Bauchansatz trägt die Haare kurz. Auf die Frage, ob er sich äußern möchte, sagt er: "Ich schweige, er macht es" und weist auf seinen Verteidiger. Der antwortet zunächst pauschal, dass das Zusammentreffen und die Messerstiche eingeräumt werden. Dann fügt er hinzu: "Es ging ihm nicht darum, einen Menschen umzubringen." Das Motiv reißt er nur kurz an: Sein Mandant sei erzürnt gewesen. Erst beim nächsten Mal sollen die Angaben konkretisiert werden. Auf die Frage des Richters, ob der 52-Jährige etwas zu seinem Lebenslauf sagen wolle, kann man ein wortloses "Ich weiß nicht, was ich sagen soll" erahnen. Das übernimmt dann der Sachverständige.

Der Mann sei in Mönchengladbach aufgewachsen und habe nach einer Lehre zum Molkereifachmann als Lkw-Fahrer gearbeitet. Seit 1997 sei er arbeitslos, wegen der "Sauferei", wie es der Angeklagte selber nenne. Meist habe er "dumm rumgelebt in der Säuferecke", schon am Morgen Alkohol getrunken, oft fünf bis sechs Flaschen Bier.

Auch zu den Vorwürfen hat er sich bereits beim Sachverständigen geäußert. Das spätere Opfer hatte er demnach am Tattag in Mönchengladbach kennengelernt. Man sei ins Gespräch gekommen, habe beschlossen, in das Apartment des Angeklagten an der Sternstraße in Krefeld zu fahren, wo man Bier trinken und wo der Obdachlose auch übernachten könne. Dann sei es zum Streit gekommen. Als der 56-Jährige das Foto der erwachsenen Tochter des Angeklagten sah, habe er ihn aufgefordert, sie anzurufen. Er wolle mit ihr "verkuppelt" werden.

Dem habe der Obdachlose mit der Forderung "Du machst jetzt das, was ich will" Nachdruck verliehen und dem Angeklagten ein Messer an den Hals gehalten. Unter einem Vorwand sei der 52-Jährige zum Schrank gegangen und habe sein Jagdmesser herausgeholt. "Das war's dann", hatte er dem Sachverständigen gesagt.

Er selber habe dann bei der Polizei angerufen. Die aber nahm ihn nicht ernst, weil er betrunken war. Auch ein Anruf beim Anwalt sei folgenlos geblieben, weil der ihn gar nicht verstehen konnte. Schließlich habe der Mann seine Tochter angerufen. Als die sich davon überzeugt hatte, dass die schrecklichen Angaben zutreffen, habe sie die Polizei gerufen.

Vor Gericht wurden gestern Fotos des Opfers und das Jagdmesser begutachtet, durch das der Obdachlose zu Tode kam.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 56-Jährige Wolfram B., der sich im Januar als Obdachloser am Mönchengladbacher Bahnhof aufhielt, mit 114 Stichen grausam ermordet wurde. Eine grausame Begehungsweise liege vor, weil er dem 56-Jährigen im Todeskampf weitere Qualen zufügte, indem er mitleidslos auf ihn eingestochen habe. An einer Vielzahl von Verletzungen an Brust, Hals und Kopf starb der Obdachlose noch in der Wohnung.

Mehrere Nachbarn sind als Zeugen geladen. Ein Sachverständiger soll feststellen, ob der Angeklagte voll schuldfähig ist. Am Tattag waren beide Männer erheblich alkoholisiert. Der Angeklagte ist bereits vorbestraft, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und räuberischer Erpressung.

Weitere Zeugen werden an den nächsten Prozesstagen gehört. Die Verhandlung wird am 5., 12. und am 26. August fortgesetzt. Der Sachverständige soll noch ein Gutachten zur Schuldfähigkeit des Mannes vortragen.

(RP)
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