Krefeld Modern wohnen mit Mies

Krefeld · Die 12. Krefelder Architekturtage stehen im Zeichen des Wohnens. Die Creme der Mies-van-der-Rohe-Experten trifft sich vom 26. bis 28. Februar in den Häusern Esters und Lange. Es werden auch Original-Mies-Möbel zu sehen sein.

 Zeitschrift vom Oktober 1929

Zeitschrift vom Oktober 1929

Foto: KKM

Der moderne Mensch hockt im Dilemma. Da hat einer sein sauer Erspartes zusammengekratzt für ein Eigenheim - nach neuestem Stil sollte es sein, mit großzügiger Offenheit, ohne Schnickschnack, und auch das Interieur aus einem Guss - und dann stellt sich partout kein Wohlgefühl ein. Liebgewordene Sammelstücke des Lebens aus der alten Wohnung sind hier Ballast, nicht mal die Kuscheldecke passt ins Bild. Für Heimeligkeiten ist kein Platz im durchdesignten Raum. So hat er sich den Schritt in die Moderne nicht vorgestellt.

Man mag es vermuten: Da ist einer dem Postulat der Hochglanzmagazine zum schöneren Wohnen aufgesessen. Durchgestylter Chic ohne Herz - und nun Katzenjammer im antiseptischen Glaspalast. Das ist kein Lamento aus dem Jahr 2016, sondern Gesellschaftskritik anno 1931. Der Autor Fritz Hellwag stimmt in der Zeitschrift "Die Form" auf den - heute würde man sagen - Hype zur Moderne ein ironisches Klagelied an - und auf den Zwang, mit der Zeit gehen zu müssen. 1931 hat die Wirtschaftskrise viele Enthusiasten, die mit der Bauhaus-Bewegung die Revolutionierung des Lebensstils feierten, auf den Boden zurückgeholt. Die Avantgarde-Päpste, die im Sinne des Gesamtkunstwerkes nicht nur die Architektur, sondern auch die Möblierung prägten, erhielten kräftig Gegenwind. Die von Ludwig Mies van der Rohe auf der Deutschen Bauausstellung 1931 in Berlin präsentierten verchromten Stahlrohrsessel mit Leder beispielsweise waren für die meisten Familien schlichtweg unerschwinglich. Und doch waren sie Objekte heftiger Diskussionen.

Das sollen auch die 12. "Mehr Mies"-Krefelder Architekturtage spiegeln. Von Freitag, 26., bis Sonntag, 28. Februar, steht in den Häusern Esters und Lange alles unter dem Titel "Modern wohnen - Möbeldesign und Wohnkultur der Moderne". "Auch beim zwölften Mal gehen uns die Themen nicht aus", sagt Sylvia Martin. Die stellvertretende Leiterin der Krefelder Kunstmuseen hat die Architekturtage gemeinsam mit Museumspädagoge Thomas Janzen organisiert. Ko-Kurator ist Rudolf Fischer vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, der mit seinem Kollegen Wolf Tegetoff den in der vergangenen Woche erschienenen Band "Modern Wohnen" herausgegeben hat, der in Krefeld präsentiert wird. Im Buch, wie in den Vorträgen und Diskussionen in den Villen an der Wilhelmshofallee kommt die Creme der Mies-Experten zu Wort. Und auch Mies selbst. Der Film "Mies van der Rohe - Ein Architekt unserer Zeit" ist ein Porträt des Baumeisters und des Bauens um 1966 mit vielen Originaltönen des sonst sehr zurückhaltenden Mies. Auch originale Stühle werden ausgestellt. Sie werden manchen an 2007 erinnern, als sich die Mies-Villen mit Möbeln und Replikationen in die 20er Jahre zurückverwandelten. Mies und seine Lebensgefährtin, die Innenarchitektin Lilly Reich, haben über Jahre die Verbindung von Architektur und Design gepflegt.

 Cover des Hefts vom Juli 1931

Cover des Hefts vom Juli 1931

Foto: KKM

"Die Idee des Gesamtkunstwerks, die aus der Reformbewegung des Jugendstils kommt, verbindet den neuen Menschen mit dem neuen Raum", sagt Martin. Damals hatten Lifestyle-Magazine Hochkonjunktur. Zeitschriften wie "Die Form" oder "Die neue Linie" bildeten die angesagten Möbelkonzepte ab - und waren auch Forum für kontroverse Meinungen. Die Angst, sich nicht mehr auf sein Inneres konzentrieren zu können, weil man sich pausenlos in den endlosen Fensterfronten oder dem hochglänzenden Chrom und Stahl spiegelte, war durchaus verbreitet. Wie gehen wir heute mit dem Bauhaus-Gedanken um, wie stehen wir zur industriellen Massenfertigung von Möbeln und Hausrat? Solchen Fragen will der Kulturphilosoph Professor Christian Demand nachgehen - unter dem vielsagenden Titel "Betreutes Wohnen: Von der Geburt des Designs aus dem Geist des Verdachts". Aber auch junge Designer kommen an dem Wochenende zu Wort und erläutern, wieweit die Klassiker der Moderne sie in ihrer Kreativität fördern oder belasten. Und vielleicht gibt es auch eine Antwort, warum heute in den meisten durchgestylten Foyers Ledersessel stehen, die van der Rohes berühmtem Barcelona-Chair ähneln.

Es gibt die Gelegenheit mit führenden Mies- und Bauhaus-Experten ins Gespräch zu kommen. "Wir sind mit unserem Angebot in der Balance von Wissenschaft und gehobener Unterhaltung", sagt Thomas Janzen. Und die gibt es auch für Kinder - zum Beispiel beim Mini-Möbel-Basteln für Kinder und Familien am Samstag, 15 Uhr. Hier ist eine Anmeldung erforderlich, Telefon 02151 975580. DAS PROGRAMM

 Das Esszimmer im Haus Lange: Die Ausstellung gab 2007 eine Anmutung vom Stil der Bauzeit.

Das Esszimmer im Haus Lange: Die Ausstellung gab 2007 eine Anmutung vom Stil der Bauzeit.

Foto: KKM

Zusätzlich zu zahlreichen Führungen zur Architektur und den Hebefenstern gibt es eine Reihe von Angeboten, die in einem Flyer zusammengefasst sind. Besonders empfehlenswert:

Freitag, 26. Februar

Film und Diskussion "Mies van der Rohe. Ein Architekt unserer Zeit", 18 Uhr.

Samstag, 27. Februar

Präsentation der Stahlrohrmöbel und Erörterung der Besonderheiten der Stahlrohrmöbelproduktion der Vorkriegszeit, 17 Uhr

Buchpräsentation "Modern wohnen"; das Buch ist im Museumsshop erhältlich für 40 Euro. Vortrag "Betreutes Wohnen: Von der Geburt des Designs aus dem Geist des Verdachts", 18.30 Uhr

Sonntag, 28. Februar Zwei Kurzvorträge zur "Erfindung des Modernen Klassikers" und zum zeitgenössischen Design "kaschkasch" mit anschließender Podiumsdiskussion, ab 11.30 Uhr.

Das Programm beginnt Freitag und Samstag um 15 Uhr, am Sonntag um 11 Uhr. Eintritt für Erwachsene 6 Euro (ein Tag), 9 Euro (zwei Tage), 13,50 (drei Tage). Schüler und Studenten zahlen 2,50 bis 5,64 Euro.

Mehr Informationen zum Programm: www.kunstmuseenkrefeld.de

(RP)
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