Krefeld Krefelderin gibt Star-Regisseur einen Korb

Krefeld · Ihre Zukunft liegt auf der Insel: Die Krefelderin Amanda Haas zieht am 1. Dezember ins englische Birmingham, um ihrem Traumberuf in der Filmindustrie anzutreten. Die 30-Jährige gehört zu den seltenen Spezialistinnen für so genannte Stop-Motion-Filme. Sogar der mehrfach für den Oscar nominierte Star-Regisseur Wes Anderson war an ihrer Mitarbeit interessiert - jedoch nur als Praktikantin. Die studierte Kommunikationsdesignerin sagte ihm deshalb ab.

 Mit der abgebildeten Kiste voller Modell hat sich die Krefelderin Amanda Haas bei den Trickfilmstudios beworben.

Mit der abgebildeten Kiste voller Modell hat sich die Krefelderin Amanda Haas bei den Trickfilmstudios beworben.

Foto: Lothar Strücken

Für Amanda Haas beginnt in einer Woche ein neues Leben. Die Krefelderin mit zwei Pässen - deutsch und englisch - fährt in Begleitung von zwei Freunden mit dem Auto nach Birmingham in eine Wohngemeinschaft. Im Gepäck befindet sich ihre kleine Werkstatt zur Herstellung von Requisiten für Puppentrickfilme. Darin ist sie Spezialistin. Die 30-Jährige hat an der Hochschule Niederrhein vor eineinhalb Jahren ihren Master in Kommunikationsdesign gemacht und vielfältig in der Filmindustrie ausprobiert.

Ihr eigener Stop-Motion-Film "Mucas" wurde sogar bei Arte gesendet. "Ich habe den Film 2009 zum Wettbewerb eingereicht. Er hat zwar nicht gewonnen, wurde aber dennoch gezeigt, weil er den Verantwortlichen so gut gefallen hat", erzählt die gebürtige Kempenerin, die seit mehr als acht Jahren in Krefeld in der Innenstadt lebt und im Bistro Schlösser im Behnischhaus im Service jobbt. Neun Monate Arbeit steckten in dem zehnminütigen Film über Bakterien, die auf unser aller Teller leben.

 Gut zu erkennen - die Größenverhältnisse: Hier produziert die Krefelderin einen Trinknapf für einen Stop-Motion-Film.

Gut zu erkennen - die Größenverhältnisse: Hier produziert die Krefelderin einen Trinknapf für einen Stop-Motion-Film.

Foto: Strücken Lothar

Bei einem Filmabend im Casablanca wurde ein Film von ihr gezeigt - mit Schauspielern. "Das Genre heißt Live-Action-Film", informiert die sympathische junge Frau. Im Pionierhaus in der Samtweberei an der Lewerentzstraße war ein Doku-Streifen aus ihrer Urheberschaft über den Berufsstand der Weber zu sehen. Nicht Menschen, sondern Tiere übernahmen dabei die Rolle der Weber. "Ich forme nicht gerne Menschen", sagt Amanda Haas. Sie bevorzuge Kreaturen - inspiriert aus Horror, Fantasy und Märchen. Ihre Basis ist grundsolide. Sie kennt sich mit Licht, Schnitt und Ton bestens aus. Als Teil von Haas/Floyd war sie einige Zeit lang live auf den Bühnen der Stadt als Sängerin harter Rocksongs im jazzig-bluesigen Gewand mit ihrem musikalischen Partner Bastian Vogel unterwegs.

Nun hat sich die Tochter eines englischen Vaters und Enkelin einer englischen Großmutter auf die zeitnahe Herstellung von Requisiten für Trickfilme spezialisiert. Für eine englische Serie soll sie nun in einer kleinen Firma für die Dinge sorgen, mit denen die Puppen in den Folgen umgehen. Über den Inhalt darf sie nichts verraten. Nur soviel, die handelnden Figuren sind genäht. Das komme ihr entgegen. "Ich nähe schon ewig Stofffiguren - zum Beispiel einen Piratenhasen mit nur einem Auge", erzählt sie über ihre ganz eigene Entsprechung des Keinohrhasen aus Till Schweigers bekanntem Kinofilm.

 Mucas heißt der Animationsfilm von Amanda Haas, der bereits auf Arte zu sehen war. Darin geht es um Bakterien im Alltag.

Mucas heißt der Animationsfilm von Amanda Haas, der bereits auf Arte zu sehen war. Darin geht es um Bakterien im Alltag.

Foto: Strücken Lothar

Für den Fall, dass sie von den Einkünften aus dem Filmstudio nicht leben kann, hat Amanda Haas einen Plan B bereit: Dann müsse sie die Produktion ihrer Stofftiere ausweiten oder Modelle für Architekturbüros bauen. Mit der Sprache, dem Land und den Menschen werde sie sicherlich keine Schwierigkeiten haben. "England ist wie ein zweites Zuhause. Das habe ich schon bei den vielen Besuchen der Verwandtschaft auf der Insel festgestellt", sagt sie. Das liege in ihren Genen. Der deutsche Opa habe sich nach der Kriegsgefangenschaft in eine Einheimische verliebt und sie geheiratet. Ihr Vater wiederum sei mit einer Deutschen glücklich geworden. Und die Mutter war von Beruf auch noch Kindermodendesignerin. Besser könnten die erblichen Anlagen für den beruflichen Neustart in Birmingham als gar nicht sein.

Für die Krefelderin war das Interesse schon als Kind groß. Sie sah sich gerne Cartoons an. "Ich fand es spannend, wie das funktioniert, und wie das gemacht wird." Einstellung für Einstellung wurde aufgenommen, die Figuren entsprechend geformt und anschließend in einem Fluss abgespielt. Diese Art der Industrie für Stop-Motion-Filme existiert in Deutschland quasi gar nicht. In England sei da schon mehr los. Gestern packte die 30-Jährige noch ihre Kartons mit dem täglichen Bedarf, aber auch mit kleinen Koffern, Pinseln, Stühlen und Tischen - den Requisiten aus Balsaholz im Zentimetermaßstab. "Ich war handwerklich schon immer geschickt. Für mich ist der Prozess des Herstellens wie Meditation", erklärt sie. Das mache sie ruhig und zufrieden. Und so zweifelt sie nicht an der Richtigkeit ihrer Entscheidung, ein Angebot des Regisseurs ihres Lieblingstrickfilms "Der fantastische Mister Fox", Wes Anderson, abgesagt zu haben, dort ein Praktikum zu absolvieren. "Ich hoffe jetzt, dass unsere neue Puppenfilmserie im englischen Fernsehen ein Erfolg wird und ich mit der Produktion wachsen kann", erklärt Amanda Haas.

(sti)
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