Plötzlich Schwester Krefelderin findet Halbbruder auf Facebook

Krefeld · Die Krefelderin Simone Klein hatte lange vermieden, Dinge über ihren Vater in Erfahrung zu bringen. Vor einem Jahr machte sie es doch, stöberte auf dessen Facebook-Portal, und fand zu ihrer Überraschung einen Halbbruder. In diesem Jahr hat sie sich mit ihm getroffen, und ist jetzt plötzlich Schwester.

 Simone Klein vor dem "Café Liesgen". 2015 hat ihr unerwartet einen 51-jährigen Bruder beschert.

Simone Klein vor dem "Café Liesgen". 2015 hat ihr unerwartet einen 51-jährigen Bruder beschert.

Foto: Thomas Lammertz

37 Jahre ist die Uerdingerin Simone Klein im Glauben durch das Leben gegangen, dass sie niemals Geschwister haben würde. Ihre Eltern hatten sich schon kurz nach der Geburt der Tochter getrennt. Zum Vater gab es danach nur noch ganz seltenen Kontakt.

 Oliver Dick (51) lebt heute in Unna.

Oliver Dick (51) lebt heute in Unna.

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Simone Klein (38) wurde als Einzelkind groß, doch tief in ihr drin war immer der Wunsch, mehr über ihre Familie zu erfahren. Allein: Sie traute sich nicht, diesen Teil ihres Lebens zu ergründen. Wahrscheinlich wäre dies auch nie gelungen, wenn es nicht dieses Facebook gäbe.

Es gab auch in diesem Jahr Schauergeschichten über das "soziale Netzwerk" Facebook, das wahlweise als Datenkrake gilt, als Hassverbreitungsportal oder als Emotionsneutralisator. Im Falle von Simone Klein ist dieses Facebook aber auch noch etwas anderes: eine Geschwisterzusammenführungsplattform.

1977 wurde Simone Klein in Kassel geboren. Nach der Trennung zogen Mutter und Tochter schnell nach Uerdingen, wo Simone Klein auch heute noch mit ihrem Mann wohnt. Sie besuchte dort das Gymnasium Fabritianum, war Vorsitzende der Jusos in Krefeld, sitzt heute für die SPD im Krefelder Rat. Beruflich arbeitet sie als Kommunikationstrainerin in großen deutschen Unternehmen, coacht Führungskräfte. Zeitlich ist sie dadurch eingespannt, reist viel durch Deutschland. "Ich merke, was hinter Aussagen steckt, ich analysiere das berufsbedingt", sagt Klein über die Erfordernisse ihres Berufes. Das Paradoxon: Zwar bringt sie den Chefs deutschlandweit gute Kommunikation bei, für sich selbst sparte sie einen Teil dieser Kommunikation aus: Was mit ihrem Vater passierte, hat sie immer herauszufinden gescheut. "Meine Mutter hat zwar nie schlecht über ihn gesprochen, ich habe aber auch nichts vermisst. Er war einfach nicht da", sagt Simone Klein. Nur einmal habe sie kurz mit dem Vater telefoniert, als sie sechs oder sieben Jahre alt war.

Jahre vergingen, und Simone Klein wurde erwachsen. "Ich habe lange überlegt, ob ich Kontakt aufnehmen soll", sagt die Uerdingerin. Ende 2014 entschloss sie sich, ihren Vater, dessen Familiennamen Dick sie natürlich kannte, bei Facebook als Freund zu "adden". Der nahm die Freundschaftsanfrage an. Simone Klein hatte also fortan die Chance, mehr über ihren Vater, über dessen Leben, zu erfahren. Sie fand so heraus, dass es einen "Oliver Dick" unter dessen Facebookfreunden gibt und wusste sofort, dass es sich um den Sohn ihres Vaters handeln musste. Es ist ihr großer Halbbruder. Die Erklärung: Der Vater hatte schon eine Familie vor den Kleins. Aus dieser Beziehung entstammt Oliver Dick (51), der heute in Unna lebt. Er hat auch noch zwei Kinder, die beide schon studieren. Simone Klein hat also noch Nichte und Neffen.

Nach der ersten Nachricht im Januar schrieben sich Simone Klein und ihr Bruder Oliver Dick die ersten Nachrichten über Facebook: "Wer bist Du, was machst Du?" Beide merkten, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. "Wir sind uns in vielem sehr ähnlich", sagt Simone Klein. Ihr Mann habe etwa beobachtet, dass beide die gleichen Handbewegungen machten, und beide in bestimmten Momenten auf die Unterlippe beißen. Und beide sagen über ihren Vater nur: "Unser Erzeuger". "Innerhalb kurzer Zeit ist unser Kontakt sehr intensiv geworden." Nach einigen Monaten kam es sogar zum ersten Treffen in Uerdingen. Beide saßen gemeinsam in der Küche. "Wir haben viel länger geredet, als wir eigentlich vorhatten."

Dieses Jahr 2015 hat Simone Klein eine unerwartete Familie beschert. Als sie mit ihrem Chef ein Bilanzgespräch führte, fragte er, was das Jahr für sie gebracht habe. "Ich bin gleichzeitig Schwester und Tante geworden", sagte Simone Klein. Der Chef war ziemlich verdutzt, Simone Klein musste am Telefon grinsen.

(RP)
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