Schiffsunglück im Ersten Weltkrieg Krefelder Überlebender des Emden-Unglücks

Krefeld · Am Karfreitag zeigt die ARD den Zweiteiler "Die Männer der Emden" - ein Krefelder überlebte das Schiffsunglück im Ersten Weltkrieg.

 Hermann Josef Daams befand sich auf dem kaiserlichen Kreuzer "Emden".

Hermann Josef Daams befand sich auf dem kaiserlichen Kreuzer "Emden".

Foto: dpa

Es ist die Geschichte einer gefährlichen Seereise von Männern, die auf der Flucht in die Heimat existenzielle Erfahrungen machen. 1914 kämpfen sich die Soldaten der deutschen kaiserlichen Marine auf dem Schiff SMS Emden siegreich von Schlacht zu Schlacht. Vor den Cocos- Inseln endet der Siegeszug.

Der australische Zerstörer Sydney versenkt die Emden. Die Bilanz am Ende der Seeschlacht: 136 Gefallene, 65 Verwundete und 132 unversehrte Männer auf deutscher Seite. Hermann Josef Daams, der in Krefeld lebte, war unter den Verwundeten. Seine Notizen in Tagebuchform, die bald das Museum Burg Linn zeigen wird, decken sich mit den Erfahrungen, die morgen Abend im Film "Die Männer der Emden" (20.15 Uhr, ARD) zu sehen sind.

Geboren wurde Hermann-Josef Daams 1890 in Duisburg-Ruhrort. Ab 1920 arbeitete er als Elektromeister in Hohenbudberg und zog 1929 von dort nach Uerdingen in die Edmundstraße 21. Seine Biografie reicht - wie die vieler anderer Deutscher dieser Zeit - vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis ins geteilte Deutschland. Dennoch weist sie eine Besonderheit auf. Daams gehörte zu den Mannschaften der II. Werftdivision in Wilhelmshaven.

In seinem Tagebuch beschreibt er in feingliedriger Sütterlin-Schrift, wie er und 1800 andere Soldaten am 15. April 1913 auf den Dampfer "Königin Louise" und einige andere Schiffe eingeschifft wurden. Am 29. Mai 1913 erreichte die kleine Flotte Tsingtau. Das arme Fischerdorf in der Bucht von Kiautschou war 1898 mit seinem 550 Quadratkilomter umfassenden Umland für 99 Jahre von der chinesischen Regierung gepachtet und zum Stützpunkt des deutschen Ostasiengeschwaders ausgebaut worden. In Papua Neuguinea und der Südsee besaß das Deutsche Reich umfangreiche Mandatsgebiete.

Daams wurde dem leichten Kreuzer "Emden" als Oberheizer zugeteilt. SMS "Emden" war das letzte Schiff der Dresden-Klasse, das noch eine Kolbendampfmaschine besaß. Den Ausbruch des Krieges mit Russland und England schildert Daams in seinem Tagebuch ganz sachlich: "Als wir die Sundastraße passierten, teilte uns unser Kommandant mit, daß Deutschland den Krieg an Rußland erklärt habe. (..) Am Morgen des selben Tages wurde am Horizont ein feindliches Schiff gemeldet, worauf das Kommando "Klar Schiff zum Gefecht! ertönte. Der Feind hatte auch uns bemerkt und versuchte innerhalb neutraler Gewässer zu gelangen. Volldampf voraus war unser Losungswort und innerhalb 15 Minuten waren sämtliche Kessel unter Dampf. (..) Am Abend des 3. August erfolgte 11,45 die Kriegserklärung Englands gegen Deutschland. Am Abend liefen wir wieder aus. Zum Abschied spielte die Kapelle ,Die Wacht am Rhein?."

Der strategische Hintergrund war dem Schiffsheizer nicht geläufig. Der Oberbefehlshaber des Geschwaders, Maximilian Graf von Spee, hatte frühzeitig erkannt, dass Tsingtau gegen den drohenden Kriegseintritt des imperialistischen Japan militärisch nicht zu halten war. Er verlegte seine Kampfschiffe nach Südamerika.

Die "Emden" sollte durch einen intensiven Kaperkrieg englische Kriegsschiffe binden und so die unbehelligte Überfahrt ermöglichen. Der Kommandant der "Emden" ließ auf seinem Schiff aus Holz und Leinwand die Attrappe eines vierten Schornsteins bauen, damit es von weitem wie ein englisches Kriegsschiff aussah, die zumeist vier Schornsteine besaßen. Von August bis Anfang November 1914 versenkte der Störkreuzer im Seegebiet zwischen Indien und der Südsee 15 Handelsschiffe und zwei Kriegsschiffe, insgesamt 63000 Bruttoregistertonnen.

Die 5000 Verteidiger Tsingtaus hatten sich inzwischen den Japanern ergeben; die deutschen Mandatsgebiete in der Südsee waren kampflos an Australier, Neuseeländer und Engländer gefallen, so dass die "Emden" mutterseelenallein in der pazifischen Inselwelt für das Deutsche Reich Kaperkrieg führte. Mit der Beschießung des Hafens der indischen Stadt Madras bricht Daams Tagebuch mitten im Satz ab. Entweder wurde ein Teil sorgsam herausgetrennt oder der Heizer war mit den kriegerischen Ereignissen so beschäftigt, dass er keine Ruhe mehr zum Schreiben fand.

Die eigentliche tragische Schlacht schildert Daams also nicht mehr: das Ende der "Emden". Für den 9. November 1914 war ein Treffen mit dem Kohlenschiff "Buresk" bei der kleinen Cocos-Insel Direction Island geplant. Um die australische Funkstation der Insel auszuschalten, sandte Kapitän von Müller einen 50 Mann starken Landungstrupp unter der Leitung des Ersten Offiziers Hellmuth von Mücke aus. Bevor die Station zerstört wurde, konnte sie noch einen letzten Funkspruch aussenden, der den australischen Kreuzer HMS "Sydney" anlockte.

Die "Emden" verwechselte die Rauchfahne der "Sydney" mit der der "Buresk" und trat zu spät die Flucht vor dem überlegenen feindlichen Kreuzer an, der die "Emden" zusammenschoss. Um den Überlebenden zu ermöglichen, sich an Land zu retten, steuerte der deutsche Kommandant das Schiff auf ein Riff. Die Bilanz der Seeschlacht sah so aus: 136 Gefallene, 65 Verwundete und 132 unversehrte Männer auf deutscher Seite. Daams war verwundet worden. Im Bauch der "Emden" hatte er Verbrennungen durch ausströmenden Dampf davongetragen. Der Landungstrupp wollte sich nicht freiwillig in Gefangenschaft begeben.

Von den Engländern auf der Funkstation ließ von Mücke den alten Dreimast-Schoner "Ayesha" mit Wasser und Proviant ausrüsten, um mit ihm die 12 000 Seemeilen nach Hause zurückzulegen. Doch die Engländer hatten unbemerkt die Dichtungen der Seeventile entfernt, so dass das Schiff ständig zu sinken drohte. Zufällig stieß die "Ayesha" auf den ebenfalls herumirrenden deutschen Versorger "Choising". Sie versenkten die "Ayesha" und fuhren mit der "Choising" nach Hodeidah im heutigen Jemen.

Dort trafen sie auf einen reichen Kaufmann mit seiner jungen Frau, der das Osmanische Reich angesichts der Aufstände der Araber untergehen sah und die Deutschen um Schutz bei der Reise nach Konstantinopel bat. Mit seinem Geld kaufte man zwei Daus, deren Weiterfahrt im Roten Meer von einer englischen Flotte gestoppt wurde. An Land ging es weiter. Trotz Diphterie, Malaria und ständiger Scharmützel mit aufständischen Arabern erreichte der Trupp schließlich die nicht fertiggestellte Hedschas-Bahn.

Im Mai 1915 erreichte die Truppe schließlich Konstantinopel, wo sie als Helden gefeiert wurden und dann weiter nach Berlin gelangten, wo sie trotz eines großen Empfangs bald wieder an die Front geschickt wurden. Die Hälfte der Überlebenden der "Emden" blieb im Krieg. Oberheizer Daams erhielt eine Erstversorgung durch die "Sydney" und kam dann in ein Gefangenenlager nach Westaustralien, vermutlich Rottnest Island gegenüber Fremantle.

Angesichts der Langeweile des Lagerlebens bildete sich ein reger kultureller Austausch, der es Daams auch ermöglichte, das Modell der Dampfmaschine der "Emden" zu bauen. Die unversehrt gebliebenen Gefangenen kamen in ein Lager nach Malta.

1950 stirbt Daams, der sich seit 1921 "Daams-Emden" nennen darf. Da beschloss der Berliner Reichstag ein Gesetz, nach dem alle Besatzungsmitglieder der "Emden" den Zusatznamen Emden an ihren Familiennamen anhängen durften. Von diesem Recht machte auch Hermann-Josef Daams-Emden Gebrauch.

Und noch eine Besonderheit hat Daams hinterlassen: Wenn am 4. Mai das Museumszentrum Linn die Ausstellung "Krefelder im Ersten Weltkrieg" eröffnet, befindet sich unter den zahlreichen Exponaten auch das Modell einer Kolbendampfmaschine, die ein in Elfrath wohnender Neffe des Erbauers Hermann Josef Daams zur Verfügung gestellt hat. Gebaut hat Daams das Modell in einem australischen Kriegsgefangenenlager aus Schrottteilen und Konservendosen.

Ausstrahlung der TV-Fassung am 18. April, Karfreitag, 20.15 Uhr, Teil 1 & 2 direkt hintereinander.

(rl)
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