Brexit Krefelder Schüler diskutieren mit RP-Wirtschaftschefin Antje Höning

Krefeld · Wer glaubt, er habe alles über den Brexit gehört, der irrt. Es gibt zum Beispiel 17.000 EU-Verordnungen, die auch für Großbritannien gelten - die Briten müssen nach dem Austritt aus der EU jede einzelne Verordnung neu in britisches Recht umgießen. Ein Wahnsinnsaufwand, wie überhaupt immer klarer zutage tritt, dass der Brexit neben politischen und finanziellen Fragen einen Riesenberg an Bürokratie aufgeworfen hat.

Brexit: Krefelder Schüler diskutieren mit RP-Wirtschaftschefin Antje Höning
Foto: Lammertz Thomas

Dieser Aspekt war ein Punkt in einem Impulsvortrag, den die Ressortchefin Wirtschaft der Rheinischen Post, Antje Höning, gestern vor Schülern der Montessori-Gesamtschule gehalten hat. Höning skizzierte Ursachen und Folgen der britischen Entscheidung, die Höning zufolge viele Verlierer und nur wenige Gewinner hat. Dass auch die Briten aufs Ganze gesehen zu den Verlieren gehören, dass mit dem drohenden Austritt Schottlands aus dem britischen Verbund bald aus Groß- ein Kleinbritannien werden könnte - all das dämmere auch den Briten immer deutlicher.

Die Oberstufe hatte unter Leitung ihres Politiklehrers Thomas Müller den Brexit im Unterricht behandelt. In der Frage-Runde gestern wollte eine Schülerin wissen, warum die Älteren die Abstimmung gegen die Jungen gewonnen hätten - weil, so die Antwort, auch bei den Briten aufgrund der demografischen Entwicklung die Älteren bei politischen Entscheidungen eine starke Stimme hätten. Und, so darf man ergänzen, weil die Jungen nicht in dem Maße wie die Älteren zur Wahl gegangen sind. So gab es landesweit ein böses Erwachen.

Ob nicht ganz unkompliziert die Schweiz Vorbild für den künftigen Status der Briten in Europa sein könnte - kaum, lautete die Antwort; die Verhandlungen werden kompliziert und für die Briten sehr teuer werden. Die EU stellt Forderungen zwischen 60 und 100 Milliarden Euro für Dinge, die die Briten in der EU mitbeschlossen haben.

Ob es einen Domino-Effekt geben könne - nicht ausgeschlossen, so die Antwort, auch wenn bislang EU-Gegner weder in Frankreich noch in den Niederlanden Wahlen gewonnen haben. Ob Deutschland nicht sogar vom Brexit profitiere, wenn sich Finanzdienstleister aus London nach Frankfurt verlagerten, fragte jemand. Kurzfristig vielleicht, lautete die Antwort, aber mittelfristig schade der EU-Abschied der Briten auch den Deutschen - wie überhaupt Europa und den Briten.

Für die Montessori-Schüler war das Ganze auch ein Bekenntnis zur EU. Eine große EU-Flagge zierte das Foyer der Schule. Höning betonte aber auch, der Brexit zeige, dass Europa Reformen, Konzentration auf das Wesentliche und viel Anstrengung brauche, um wieder Herzensprojekt zu werden. Und sie mahnte: Regierungen und Parteien müssten aufhören, aus innenpolitischen Gründen Brüssel zum ewigen Buhmann für Probleme im eigenen Land aufzubauschen.

(vo)
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