Krefeld Krefelder schreibt Himmler-Biografie

Krefeld · Da ist sich der in London lehrende und forschende Professor sicher: "Bestimmte Dinge sind nur erklärbar, wenn man die Perspektive durch die Person nimmt." Der 1955 in Krefeld geborene Peter Longerich – als er zehn Jahre alt war, zog die Familie nach Norddeutschland – hat 2008 eine umfangreiche Biografie über Heinrich Himmler (1900 – 1945) vorgelegt. Nach Krefeld eingeladen hatte ihn Dr. Ingrid Schupetta, aber da die Villa Merländer wohl zu klein gewesen wäre, ging man für den Vortrag des Historikers im Rahmen einer öffentlichen Schulveranstaltung an die Gesamtschule Kaiserplatz. "Wir haben unsere Schüler dafür sensibilisiert", sagte Schulleiter Jochen Adrian. Die "Schreckensfigur" Himmler erwies sich für Longerich "als harmloser, als man ursprünglich glauben würde".

Geordnete Verhältnisse

Das NS-System zog unterschiedliche Menschen an, die darin Karriere machten. Himmler wuchs in bürgerlich geordneten Verhältnissen auf, galt als Musterschüler auf dem Gymnasium und schloss sein Studium als Diplom-Landwirt ab. "Den Holocaust gab es nicht, weil Himmler ihn wollte, aber er war prägend daran beteiligt", sagte Longerich. In der NSDAP begann Himmlers Aufstieg 1925, Reichsführer SS wurde er 1929, und 1936 wurde er auch Chef der Polizei, einschließlich der Gestapo. Seine antisemitische Hetzrede von 1935 und die Rede von 1943, als er von "anständig gebliebenen Tätern" sprach, weisen ihn als einen der "Väter des Holocaust" aus.

"Aber es hat keinen Sinn, die Figur zu dämonisieren, er kam aus der Mitte der Gesellschaft", sagte Longerich, der zehn Jahre an der Biografie arbeitete. Dabei "nie von Himmler träumte" und sich die professionelle Distanz erhielt. Und sich trotzdem fragt, wie die NS-Zeit verlaufen wäre, hätte es Himmler nicht gegeben. Aber Himmler, da ist er sicher, "eignet sich nicht, Neonazismus zu transportieren".

Mit der NS-Zeit beschäftigte sich Longerich seit seiner Dissertation. Die Himmler-Biografie war seine erste Arbeit in dieser Form, er begann damit, als er "älter war, als Himmler geworden ist". Sein Buch, "schon ein wissenschaftliches Buch", soll auch interessierte Laien ansprechen.

In den nächsten Wochen erscheint die bebilderte Taschenbuchausgabe. Biografien, wie sie im englischsprachigen Raum häufig verfasst werden, hält Longerich für eine "adäquate Form", sich Geschichte zu nähern.

Goebbels-Biografie geplant

Ende des Jahres will Peter Longerichs eine weitere Biografie vorlegen, die von Joseph Goebbels, dem in Rheydt geborenen Propagandaminister des NS-Systems. Der sich auch mal am Krefelder Theater als Dramaturg beworben haben soll, wie Longerich von seinem Vater erfuhr. Wofür er aber bisher keinen Beleg fand.

(RP)
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