Krefeld Krefelder läuft Marathon über Eis und Schnee

Krefeld · Der Schmerz reichte bis tief in die Lunge. Es war bitterkalt, als Sascha Weyermann auf Grönland aus dem Flugzeug stieg und die eisige Luft einatmete. Er hatte die Reise angetreten, um bei minus 20 Grad Celsius über Schnee, Gletscher und Geröll einen Marathonlauf zu absolvieren. Der Krefelder Koloss besiegte sich selbst und lief gleich noch einen Halbmarathon hinterher.

 Sascha Weyermann hatte während des Laufs auf Grönland einen Blick für die Schönheit am Rand der Marathonstrecke.

Sascha Weyermann hatte während des Laufs auf Grönland einen Blick für die Schönheit am Rand der Marathonstrecke.

Foto: Sascha weyermann

Er hat sich einen Vollbart wachsen lassen und monatelang trainiert: Sascha Weyermann, 43 Jahre alt, 1,90 Meter groß und 95 Kilogramm schwer, ist unter die Extremsportler gegangen und hat auf Grönland an einem Marathonlauf über Geröll, Eis und Schnee teilgenommen. Der Ingenieur aus Krefeld hat sich gleichsam selbst besiegt und ist als 45. von 132 Startern aus aller Welt ins Ziel gekommen. Die Zeit und die Platzierung waren dabei das Unwichtigste. Die Erfahrung, die Atmosphäre, die Eindrücke von der Landschaft und das Kennenlernen der Konkurrenz standen im Vordergrund. Und Weyermann hatte mehrfach Glück. So übernachtete er an der Sammelstelle in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen in einem Doppelzimmer mit einem 70-Jährigen, der bereits 150 Marathonläufe in den Beinen hat. In Kangerlussuaq auf Grönland teilte der Krefelder Modellathlet sein Quartier mit einem Ultraläufer aus Swasiland. Das 50-jährige Ausdauerwunder aus Afrika startet regelmäßig bei Wettbewerben über Laufstrecken mit einer Distanz von 150 Kilometern und mehr.

 132 Läufer gingen auf Grönland an den Start, um die Marathon-Distanz über Eis, Schnee und Geröll zu bewältigen.

132 Läufer gingen auf Grönland an den Start, um die Marathon-Distanz über Eis, Schnee und Geröll zu bewältigen.

Foto: Sascha weyermann

Weyermann war gut vorbereitet -mental, körperlich und in der Ausrüstung. Nachdem er mit den anderen Sportlern die Strecke und die Eis-Caps besichtigt hatte, schlüpfte er in seine Sportkleidung, zog die Schuhe mit Spikes an und lief zwei bis drei Kilometer, um sich zu beruhigen. Es war Freitag und tags darauf ging es in der Morgendämmerung mit dem Bus zum Start. Bis zum letzten Moment blieben die Akteure auf ihren Sitzen, um sich nicht voreilig den Temperaturen und dem eisigen Wind auszusetzen. Wie kalt es dort war, unterstreicht eine Anekdote bei Kilometer 21. Dort gab es nicht nur warmen Tee, sondern auch die Möglichkeit, die durchgeschwitzte Funktionskleidung zu wechseln. "Ich habe mein Shirt ausgezogen und auf den eisigen Boden geworfen, ehe ich ein frisches genommen habe. Der Stoff im Schnee war in Sekunden hart wie ein Brett - sozusagen schockgefrostet", berichtet der 43-Jährige aus dem Bismarckviertel. Die Temperaturen haben ihn stark beeindruckt. Mit dem Smartphone konnte er keine Fotos machen, weil der Akku im Gerät bei den Minusgraden nach Sekunden den Dienst quittierte.

Das Rennen ist schnell erzählt. Das Feld startet um 8.30 Uhr. Es war noch leicht dunkel. Die ersten Kilometer gingen leicht aufwärts. Zum Teil war der Schnee knietief, und die Sportler kamen nur gehend voran. "Ich habe das genossen, das Adrenalin schoss mir ins Blut. Das Licht war toll." Nach acht bis neun Kilometern wurde die Strecke humaner, der Untergrund war fest. Der Schlüsselmoment für den Krefelder wartete bei Kilometer 35. Ausgelaugt und müde gab ihm der Hinweis auf einem Schild die Motivation zu sagen, den "Rest schaffe ich auch noch". Mit einem Kohlehydratgel führte er sich zusätzliche Energie aus der Tube zu. Vor allem war das aber ein psychologische Trick, sich selbst noch einmal für den Endspurt anzutreiben.

 Sascha Weyermann dankt nach dem Zieleinlauf seiner Familie, den Kollegen und Freunden, die an ihn geglaubt haben.

Sascha Weyermann dankt nach dem Zieleinlauf seiner Familie, den Kollegen und Freunden, die an ihn geglaubt haben.

Foto: Sascha weyermann

Im Ziel angekommen führte Wyermanns Weg direkt zum Telefon. Er rief seine Eltern in St. Tönis an. Mutter hatte sich Sorgen gemacht. Vater, der im Alter von mehr als 80 Jahren noch mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen war, sah die Herausforderung des Juniors von Beginn an entspannter.

Der Gedanke an die Eltern, Kollegen und Freunde mit ihren aufmunternden Kommentaren via Facebook, Twitter und Telefon hätten ihn stets vorangetrieben, berichtete der Krefelder Sportler. Am Sonntag war er so euphorisiert, dass er sich auch noch zum Halbmarathon meldetet. "Ich habe meine Spiegelreflexkamera mitgenommen, um einige schöne Momente einzufangen", erklärte er. Dann das Vorhaben jedoch schnell wieder aufgegeben. "Die großartigen Eindrücke lassen sich einfach nicht so einfangen und festhalten, wie ich sie vor Ort empfunden habe", sagte Weyermanns. Wie ein sechsjähriges Kind habe er quasi mit offenem Mund dagestanden und dem Nordlicht zugeschaut.

 Sascha Weyermann mit der Startnummer 450 auf Grönland. Es gab nur 132 Starter. Die Veranstalter haben bei den Startnummern wahllos in eine Kiste gegriffen und die Lätzchen verteilt, berichtete der Krefelder.

Sascha Weyermann mit der Startnummer 450 auf Grönland. Es gab nur 132 Starter. Die Veranstalter haben bei den Startnummern wahllos in eine Kiste gegriffen und die Lätzchen verteilt, berichtete der Krefelder.

Foto: SW

Nach seiner Rückkehr nach Krefeld sei er in ein großes Loch gefallen. Leere, für einige Tage totale Leere, habe er verspürt, sagte der 46-Jährige - aber schön, dass es nicht mehr so bitterkalt gewesen sein.

(sti)
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