Krefeld Der erste RRX geht auf die Teststrecke

Krefeld · Im Krefelder Zugwerk von Siemens wird auf den Punkt geliefert: Gestern ging der erste Prototyp des in Uerdingen gebauten Rhein-Ruhr-Express pünktlich auf die konzerneigene Teststrecke in Wildenrath. Die Premiere verlief erfolgreich. In den kommenden Monaten werden dort weitere sieben Vorserienfahrzeuge des Milliardenauftrags in Betrieb gesetzt.

 Das Fahrzeugkonzept kombiniert hochwertige Ausstattung mit moderner Technik.

Das Fahrzeugkonzept kombiniert hochwertige Ausstattung mit moderner Technik.

Foto: Siemens

Siemens liegt bei der Produktion des Rhein-Ruhr-Express (RRX) nach eigenen Angaben voll im Zeitplan. Im unternehmenseigenen Prüf- und Validationcenter (PCW) in Wegberg-Wildenrath hat gestern die erste Testfahrt des ersten Prototyps aus Krefeld, Wien und Graz stattgefunden. In den kommenden Monaten testet Siemens dort sieben RRX-Vorserienfahrzeuge und setzt sie in Betrieb, bevor sie erstmals Testfahrten im öffentlichen Bahnnetz absolvieren. Der RRX soll Ende des kommenden Jahres den schienengebundenden Nahverkehr im Großraum Rhein-Ruhr revolutionieren. Das Schienennetz ist bis zum Stichtag jedoch noch nicht optimiert. Das dauere noch einige Jahre, erklärte der damalige Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) im vergangenen April bei einem Besuch im Uerdinger Werk.

"Die Aufnahme der Testfahrten zeigt, dass wir beim RRX im Zeitplan liegen. Hier prüfen wir, ob die Fahrzeuge fit sind für ihren täglichen Einsatz in und zwischen den Städten in Nordrhein-Westfalen. Jeder einzelne Zug der gesamten RRX-Flotte wird hier quasi vor der Haustür in Betrieb gesetzt werden", sagte Sabrina Soussan, Leiterin des Siemens-Geschäfts mit Hochgeschwindigkeits- und Regionalzügen sowie Lokomotiven, gestern.

 In den kommenden Monaten testet Siemens sieben RRX-Vorserienfahrzeuge, bevor sie erstmals Testfahrten im öffentlichen Bahnnetz absolvieren.

In den kommenden Monaten testet Siemens sieben RRX-Vorserienfahrzeuge, bevor sie erstmals Testfahrten im öffentlichen Bahnnetz absolvieren.

Foto: Siemens

Der Konzern wurde im März 2015 von den Zweckverbänden Nahverkehr Rheinland (NVR), Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (SPNV-Nord), dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und dem Nordhessischen Verkehrsverbund (NVV) mit der Lieferung von 82 Elektrotriebzügen vom Typ Desiro HC und der Wartung für einen Zeitraum von 32 Jahren beauftragt. Der Auftrag hat ein Gesamtvolumen von über 1,7 Milliarden Euro. Der Großteil davon wird in Krefeld erwirtschaftet. Dort sind alle Ingenieurleistungen erbracht worden und dort entstehen auch die so genannten Endwagen (Triebwagen). Die beiden Mittelwagen werden in Wien, die Drehgestelle in Graz gefertigt.

Siemens hat die RRX-Flotte basierend auf der bewährten Plattform des Typs Desiro neu entwickelt. Das Fahrzeugkonzept kombiniert hochwertige Ausstattung mit moderner Technik. Jede Zugeinheit besteht aus vier Wagen, von denen der erste und der letzte als End- und Steuerwagen jeweils mit nur einem Deck und die beiden mittleren als Doppelstockwagen ausgeführt sind. Insgesamt stehen 400 Sitzplätze zur Verfügung. Die Züge sind in den Farben Weiß, Grau, Schwarz und Orange gehalten. Das Design des RRX setzt sich im Innenraum fort. Großzügige Sichtachsen und Fensterfronten sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Darüber hinaus bietet der RRX WLAN-Zugang und Steckdosen im gesamten Zug, Klapptische und Leseleuchten in der ersten Klasse sowie modernste Informationssysteme und eine energieeffiziente Antriebsanlage und Klimatisierung.

Nicht nur beim Fahrgastkomfort, auch bei der Verfügbarkeit nutzt das Fahrzeug die neuste Technik. Moderne Datenkommunikation sorgt für einen ständigen Dialog zwischen Zug und Service-Einrichtung: Im Rahmen der vorausschauenden Instandhaltung können Fehler so behoben werden, bevor sie entstehen. Mit der Übernahme des lebenslangen Service des RRX garantiert Siemens eine mehr als 99-prozentige Verfügbarkeit für den fahrplanmäßigen Betrieb. Der RRX ist außerdem auf einen hocheffizienten Betriebseinsatz ausgerichtet. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 160 Kilometern pro Stunde und Fahrerassistenzsystemen für vorausschauendes Bremsen und Beschleunigen soll der Rhein Ruhr Express auch auf den hochbelasteten Strecken für einen optimalen Verkehrsfluss sorgen.

Ulrich Semsek, Leiter des Krefelder Zugwerks, ist stolz auf die innovativen Prozesse in der Fertigung. Jedem Techniker und Monteur stehen digital am Bildschirm dreidimensional animierte und bewegliche Ansichten für jeden Arbeitsschritt zur Verfügung. Der Prozess wird fast in Echtzeit überwacht. Die Ingenieure können nicht nur die Arbeitsfortschritte und die daraus resultierenden Fertigstellungstermine im Auge behalten. Das System verbessert sich ständig. Sollte ein Mitarbeiter feststellen, dass an einer bestimmten Stelle zum Beispiel eine Schraube vorgesehen sei, die um einen einzigen Millimeter zu dick ist, dann korrigiere er die Bestellung für alle nachfolgenden Züge sofort online. "Der Prozess optimiert sich während der Fertigung", sagte Projektleiter Jens Chlebowski seinerzeit.

Anders als in der Automobilherstellung ist in Uerdingen noch vieles Handarbeit. Die Seitenwände der Rohbauten der Endwagen werden aus drei Stranggussprofilen zusammengeschweißt, die Öffnungen für extra breite Türen und die Fenster herausgefräst. Die Züge bestehen zum großen Teil aus Aluminium. Im Innern wird glasfaserverstärkter Kunststoff verbaut. Das geringe Gewicht und der daraus resultierende niedrigere Energieverbrauch waren wichtige Ziele in der Entwicklung und mit ausschlaggebend dafür, dass Siemens sich bei der Auftragsvergabe gegen die Konkurrenz durchsetzen konnte.

(sti)
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