Gefährdete Kinder in Krefeld Behörden müssen Kinder immer häufiger retten

Krefeld · Mit 81 Fällen akuter Gefährdung des Kindswohls verzeichnet die Stadt für das vergangene Jahr einen Höchststand. Das teilte das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik mit. In Düsseldorf ist die Zahl nur gut halb so groß.

Das Wohl von Kindern und Jugendlichen liegt den Krefeldern anscheinend sehr am Herzen: Die Zahl der gemeldeten Fälle, in denen Angehörige, Nachbarn, Lehrer, Ärzte und andere Personen das Wohl der minderjährigen Krefelder gefährdet sahen, ist im vergangenen Jahr Vergleich zu 2015 sehr stark gestiegen - um 27,3 Prozent. Und das nicht ohne Grund.

Für manche Jungen und Mädchen ist das Leben in ihrer Umgebung ein echtes Martyrium. 81 Mal mussten die Behörden sofort eingreifen, weil eine akute Gefährdung der jungen Menschen an Leib und Seele vorgelegen hat - fast doppelt so oft wie im deutlich größeren Düsseldorf. Das entspricht einem Plus von 68,8 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr. Die neuen Zahlen teilte das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (IT.NRW) gestern mit.

Insgesamt sind in Krefeld 671 Verdachtsfälle aktenkundig geworden. 2015 waren es noch 144 weniger. 22 mal waren Kleinkinder untere drei Jahren betroffen (plus 57,2 Prozent), siebenmal waren es Drei- bis Fünfjährige (plus 75 Prozent), zwölfmal Sechs- bis Neunjährige (plus 20 Prozent) und 40 Mal Zehn- bis 17-Jährige (plus 100 Prozent). Hinzu kommen 53 (plus 15,2 Prozent) so genannte latente Fälle, bei denen eine Gefährdung der Kinder und Jugendlichen zwar nicht sicher ist, aber auch nicht ausgeschlossen werden kann.

Beim ganz überwiegenden Teil aller aktenkundig gewordenen Verdachtsfälle kann das Jugendamt Entwarnung geben. Manche Eltern oder Erziehungsberechtigten benötigen zwar Hilfe, kümmern sich ansonsten aber zuverlässig um ihre Jüngsten. 203 Mal (plus acht Prozent) traf das im vergangenen Jahr zu. Noch höher ist die Zahl der Überprüfungen, bei denen keinerlei Beanstandungen hinsichtlich des Kindswohls festgestellt werden könnte. 334 Mal war das der Fall. Zusammen macht das einen Anteil von 80 Prozent aus, in denen keine Gefährdung von Leib und Seele bei den Kindern und Jugendlichen festzustellen war.

Während die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen seit 2013 steigende Verdachtsfälle und auch steigende Akutfälle verzeichnet, sieht das in Krefeld trotz der aktuellen Tendenz anders aus. In der Seidenstadt sinken die Verdachtsfälle seit 2013 auf einen Tiefstand in 2015. Der dann drastische Anstieg in 2016 ist allerdings immer noch das zweitniedrigste Ergebnis für die zurückliegenden vier Jahre.

Im Jahr 2016 haben die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen im Rahmen ihres Schutzauftrags in 35.011 Fällen eine Einschätzung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorgenommen. Das waren 9,4 Prozent mehr als im Jahr 2015 (32.015). Wie die amtliche Statistikstelle des Landes mitteilt, wurde in etwa jedem achten Fall (4331) eine akute Gefährdung des Kindeswohls festgestellt.

In 5288 Fällen bestand eine latente Gefährdung, das heißt, die Frage, ob gegenwärtig tatsächlich eine Gefahr besteht, konnte nicht eindeutig beantwortet und eine Kindeswohlgefährdung nicht ausgeschlossen werden. In 11.483 Fällen wurde zwar keine Kindeswohlgefährdung, jedoch ein Hilfebedarf festgestellt. In 13.909 Verdachtsfällen ergab sich, dass weder eine Kindeswohlgefährdung noch ein Hilfebedarf bestand.

Mehr als die Hälfte der Kinder (57,8 Prozent) mit akuter Kindeswohlgefährdung wies Anzeichen für eine Vernachlässigung auf, knapp ein Drittel (33,5 Prozent) hatte Anzeichen für körperliche Misshandlung. Die Jugendämter in NRW wurden bei rund jedem fünften (6280) Fall von Verwandten, Bekannten oder Nachbarn des Kindes oder Jugendlichen, in 8294 Fällen durch Polizei, Gerichte oder Staatsanwaltschaften auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung hingewiesen. Das Personal von Schulen sowie Kindertageseinrichtungen und Tagespflegepersonen (4572) war in 13,1 Prozent der Fälle Initiator für eine Gefährdungseinschätzung.

Nach dem Anfang des Jahres 2011 in Kraft getretenen Bundeskinderschutzgesetz ist eine Gefährdungseinschätzung vom städtischen Jugendamt vorzunehmen, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen vorliegen. Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes bzw. Jugendlichen eingetreten oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist.

(sti)
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