Torsten Schrodt "Krefeld ist schon sehr tolerant"

Krefeld · Das Café Together ist Anlaufstelle für Lesben und Schwule. Mitarbeiter Torsten Schrodt berichtet von Sorgen und Nöten der Besucher.

 Torsten Schrodt leitet mit einer Kollegin in Krefeld das Café Together: "Krefeld ist eigentlich sehr tolerant. In Krefeld gab es an der Neuen Linner Straße die erste Schwulenbar in NRW; hier gab es einen schwulen Karnevalsprinzen, wir haben einen von Homosexuellen gegründeten Karnevalsverein. Und wir haben hier eben in Krefeld die erste schwul-lesbische Jugendgruppe eröffnet.

Torsten Schrodt leitet mit einer Kollegin in Krefeld das Café Together: "Krefeld ist eigentlich sehr tolerant. In Krefeld gab es an der Neuen Linner Straße die erste Schwulenbar in NRW; hier gab es einen schwulen Karnevalsprinzen, wir haben einen von Homosexuellen gegründeten Karnevalsverein. Und wir haben hier eben in Krefeld die erste schwul-lesbische Jugendgruppe eröffnet.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Herr Schrodt, Sie leiten mit einer Kollegin zusammen das Café Together für Homosexuelle in Krefeld. Welche Erfahrungen machen Sie - werden ihre Besucher in unserer Stadt diskriminiert?

Schrodt Diskriminierung findet immer noch statt, wenn auch unterschwelliger. Das geht dann etwa über Alltagsbeschimpfungen wie "schwule Sau" - es gibt Schwule und Lesben, die tolerieren diese Beschimpfung, andere nicht. In Kleve betreute ich eine Gruppe, bei der ich irgendwann bemerkt habe, dass 25 Prozent der Teilnehmer in therapeutischer Behandlung war. Das kommt ja nicht von ungefähr.

Wie kam es zur Gründung des Together in Krefeld?

Schrodt Es handelt sich um ein Modellprojekt des Landes, das 2010 initiiert wurde. Hier in Krefeld haben wir 50 Stammgäste, die meisten direkt aus der Stadt. Wir sind zwei Personen, die in Teilzeit hier arbeiten, aber auch in anderen Städten der Region Außengruppen von Together leiten - wir haben Projektgruppen etwa in Dinslaken und Kleve.

Wie sind Sie auf diese Immobilie hier an der Neuen Linner Straße gekommen?

Schrodt Das war gar nicht so einfach. Als wir mit dem Anliegen, ein schwul-lesbisches Café zu gründen, auf Makler zugegangen sind, sagten uns manche doch tatsächlich, dass sie keine Drogenszene im Haus haben wollten. Als wir dieses Haus hier fanden, haben wir lange überlegt, ob wir "schwul-lesbisches Café" außen dran schreiben. Letztlich haben wir uns entschieden, das zu tun.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, was sagen die Nachbarn?

Schrodt Krefeld ist schon sehr tolerant. In Krefeld gab es an der Neuen Linner Straße die erste Schwulenbar in NRW; hier gab es einen schwulen Karnevalsprinzen, wir haben einen schwul-lesbischen Karnevalsverein. Und wir haben hier eben in Krefeld die erste schwul-lesbische Jugendgruppe eröffnet. Krefeld ist also sehr weit.

Man könnte fragen: Warum braucht man ein schwul-lesbisches Jugendzentrum, warum diese Abgrenzung gegenüber Heterosexuellen? Am Ende können doch alle gemeinsam Kaffee trinken, wenn es in unserer Stadt so tolerant zugeht.

Schrodt Ich mache ein einfaches Beispiel. Wenn Sie als Heterosexueller die Kassiererin bei Aldi nett finden, dann können Sie sie fragen: Heute Abend Lust auf ein Bier? Wenn ich als Schwuler das mache, dann kassiere ich vielleicht eine Abfuhr, vielleicht aber auch einen Faustschlag. Es ist einfach schwer, einen Partner zu finden. Hier im Together können Leute von ihrem Leben erzählen, von dem, was sie bewegt. Sie erleben einfach, dass es Normalität ist und keine Ausnahme, wie überall sonst.

Viele der Jugendlichen haben Angst, ihre Homosexualität öffentlich zu machen. Wie kommen die mit Ihnen in Kontakt?

Schrodt Einige lernen wir über Freunde kennen, manche über E-Mail. Wir versuchen, Ängste und Sorgen zu nehmen. Manchmal holen wir die Jugendlichen auch an einem Treffpunkt ab, reden erst einmal mit ihnen. Wir haben hier übrigens zwei Eingänge, einen offiziellen Eingang vorne, und einen im Haus, wenn Leute unser Together unerkannt betreten möchten.

Wie viele gehen vorne rum, wie viele hinten rum rein?

Schrodt Ich schätze, dass mittlerweile 90 Prozent den vorderen Eingang nutzen. Aber man muss auch bedenken, dass von denen, die sich nicht vorne rein trauen, einige auch gar nicht kommen. Mittlerweile haben wir aber Jugendliche aus allen gesellschaftlichen Ecken.

Bemerken Sie einen anderen Umgang der Gesellschaft mit dem Thema Homosexualität als noch vor einigen Jahren?

Schrodt Es hat sich schon etwas entwickelt, aber wir sind längst noch nicht am Ende. Es gab schon vor 15 Jahren Menschen, die haben ein problemloses Coming-Out hingelegt. Andere haben immer noch Sorge. Die Gesellschaft gaukelt einem vor, dass man sich problemlos zu seiner sexuellen Neigung äußern kann. Tut man es, dann ist es für viele immer noch ein Problem. Im Übrigen: Was heißt "Coming Out" konkret? Es muss ja nicht jeder wissen, dass ich schwul bin. Ich bin auch nicht zu 100 Prozent geoutet, es wissen nicht alle, weil ich das Schwulsein auch nicht vor mir hertrage. Ein richtiges "Coming Out" gibt es also gar nicht. Den Begriff finde ich deshalb schwierig.

Was empfehlen Sie Jugendlichen? Sollten Sie sich in jedem Fall outen?

Schrodt Das hängt vom Einzelfall ab. Man muss es nicht gleich jedem sagen. Wir raten nicht jedem Jugendlichen, sich zwingend zu outen.

Fällt es Jugendlichen in der großen Stadt leichter, ein "Coming Out" zu wagen?

Schrodt Ich denke schon. Ein Beispiel: Wir haben auch in Voerde eine Together-Gruppe zu gründen versucht. Aber versuchen sie dort mal, einen Treffpunkt und Leute zu finden. Eine Stadt bietet Anonymität, im kleinen Ort hingegen steht man leicht auf dem Präsentierteller.

Also ist es in der Stadt leichter, homosexuell zu sein.

Schrodt Man hat einfach mehr Möglichkeiten, Gleichgesinnte zu finden. So ein Coming Out ist nämlich gar nicht so einfach: Man muss sich heute doppelt rechtfertigen. Einmal dafür, dass man nicht heterosexuell ist. Und man muss sich für die Rechtfertigung rechtfertigen, schwul oder lesbisch zu sein.

Gibt es einen Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung von Schwulen und Lesben?

Schrodt Ich denke schon. Lesbische Frauen werden leichter übersehen, schneller verniedlicht. Da heißt es dann: Die hat nur noch nicht den richtigen Mann gefunden. Als Schwuler erlebt man es häufiger, dass man beschimpft wird. Das geht bis zu körperlicher Aggression. Schwule werden auch leichter ausgegrenzt. Wir sind also noch lange nicht da, wo wir sein wollen.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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