Hülser Bruch Die Invasion der Rüsselkäfer-Weibchen in Krefeld

Krefeld · Michael A. Laumen kehrt die kleinen Tierchen an schlimmen Tagen mit dem Besen zusammen. Tausende fallen dann über sein Grundstück und den großen Garten am Breiten Dyk her.

Krefeld: Invasion der  Rüsselkäfer-Weibchen in der Hülser Bruch
Foto: Angela Kühne

Als der berühmte Feldherr Hannibal 218 vor Christus mit seinen Elefanten die Alpen überquerte, war das eine taktische Meisterleistung und ein historisches Ereignis. Dass andere Tiere mit Rüssel jetzt zu Tausenden den Hülser Berg überqueren und ins Bruch einfallen, ist lediglich eine Plage und ein Ärgernis. Michael A. Laumen vom Breiten Dyk am Rand des Hülser Bruchs fühlt sich extrem belästigt.

In seinem Garten, an der Haus- und an der Garagentür krabbeln unzählige dicke braune Käfer: Es handelt sich dabei um Insekten der Gattung Liophloeus tessulatus aus der Familie der Rüsselkäfer. Dass dieses Tier nicht unbedingt Sympathien einheimst, unterstreichen so genannten Trivialbezeichnungen. Demnach heißt der Käfer unter anderem Plumprüssler.

"Wir werden derzeit von unzähligen braun-schwarzen Riesenkäfern geplagt, die sich auf Büschen niederlassen, aber auch an der Oberkante des Garagentors. Von dort fallen sie einem auf den Kopf oder in den Nacken, wenn man das Tor öffnet. Auf irgendeine Art und Weise schaffen sie es auch, ins Haus zu kommen", berichtet Laumen. "Die Tiere haben einen Panzer, stechen nicht, machen aber ein lautes und ekliges Knackgeräusch, wenn man drauftritt. Zurück bleibt eine großflächige klebrige bräunliche Masse."

Laumen wohnt schon lange in dem Zweifamilienhaus mit großem Garten. Bislang waren ihm diese Käfer noch nie aufgefallen. In solchen Massen hätten sie noch nie seinen 600 Quadratmeter großen Garten erobert. "Mir war die Käferart bislang nicht bekannt", sagte der Freiberufler. Am Sonntag bot er den Gästen bei der Konfirmationsfeier seines Kindes eine ungewöhnlichen Zeitvertreib - eine Art Käfer-Quiz. "Es wusste jedoch niemand die Lösung", berichtete Laumen, der die Tierchen fotografiert hatte.

Aufklärung liefert der Entomologische Verein Krefeld. Die Experten mussten nicht lange rätseln. Sie wussten sofort Bescheid. "Bei dem Käfer handelt es sich um Liophloeus tessulatus - einen Rüsselkäfer, der nicht bestandsgefährdet und auch nicht besonders geschützt ist.

Die Art ernährt sich von Doldenblütlern und Efeu und ist etwa in den Monaten von April-Juli anzutreffen. Sie kommt auch im Siedlungsbereich in Gartengrundstücken vor. Eine lokal auftretende größere Bestandsdichte würde normalerweise über Parasiten und Prädatoren - das sind Fressfeinde - reguliert", informiert Werner Stenmans vom Entomologischen Verein.

Das würde aber voraussetzen, dass noch ausreichend viele Fressfeinde vorhanden seien. Die Zahl der Vögel hat aber nach Beobachtungen des Naturschutzbundes drastisch abgenommen. "Die Käfer sind natürlich harmlos", betont Stenmans. Das tröstet Laumen und seine Familie nur wenig. "Wir kehren die Käfer an ganz schlimmen Tagen mit dem Besen zusammen", berichtet der Krefelder. Das nervt. Offenbar reagieren die Tiere auf helle Flächen. Der Nachbar habe ein dunkles Garagentor und sei von der Plage kaum bis gar nicht betroffen. Der übernächste hingegen habe wie er auch ebenfalls weiße Fensterrahmen und Türen. Auch dort sammelten sich die Rüsselkäfer. Dabei bevorzugten sie die kühleren Nordseiten der Grundstücke.

Der Liophloeus tessulatus ist eine in Deutschland weit verbreitete Art. Die Käfer sind meist in etwas kühleren, feuchten Biotopen anzutreffen. Sie sind nachtaktiv und tagsüber eigentlich selten zu sehen. Der Plumprüssler oder Würfelfleckrüssler vermehrt, wie die meisten Dickmaulrüssler parthenogenetisch. Das heißt, die Weibchen können ohne Männchen Eier produzieren und befruchten (Jungfernzeugung). In Deutschland kommen demzufolge auch fast nur Weibchen vor. Die Eier legen sie an der Unterseite von Blättern ab, die Larven gehen dann aber rasch in den Boden und bohren sich in den oberen Bereich von Wurzelstöcken verschiedener Doldenblütler. Wahrscheinlich werden aber auch dünnere Wurzeln gefressen.

Laumen ertappt sich dabei, dass er sogar abends vor dem Fernsehgerät mehr auf den Boden als auf den Bildschirm schaut, ob nicht irgendwo einer der fiesen Tierchen hervor krabbelt. "Gottseidank ist der Spuk im Sommer vorbei", seufzte der Krefelder.

(sti)
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