Krefeld Kraftakt: Deutsch für 330 Flüchtlinge

Krefeld · Normalerweise wird Asylbewerbern das Recht auf Sprachförderung erst nach ihrer Anerkennung zuteil - zu spät, urteilen Fachleute aus Krefeld, die sich jetzt zu einem Kraftakt zusammengefunden haben: Evonik-Stiftung, Stadt Krefeld, Bundesagentur für Arbeit und VHS haben ein Deutsch-Intensivlernprogramm für Flüchtlinge aus dem Boden gestampft. Die ersten 330 Asylbewerber sollen in den nächsten Monaten Deutschkurse belegen können. "Nur wer die Sprache kann, ist der, der sich integrieren kann", sagte Stadtdirektorin Beate Zielke bei der Vorstellung des Programms. Das Angebot ist bestimmt für Flüchtlinge, die eine Bleibeperspektive, also eine Aussicht haben, Asyl gewährt zu bekommen. Hintergrund: 44 Prozent der 2500 Flüchtlinge, die die Stadt bislang beherbergt, kommen vom Westbalkan und werden wohl wieder gehen müssen. Der Rest kommt zum großen Teil aus Syrien, dann aus Irak, Afghanistan, Eritrea und Iran. Gut 20 Prozent verweigern Angaben über ihre Herkunft.

Was das Programm kostet, wollten die Organisatoren nicht sagen; das Geld der Stadt jedenfalls kommt aus städtischen Stiftungen, nicht aus Steuergeldern.

Evonik engagiert sich auf diesem Feld, weil die Wirtschaft mit Blick auf die demografische Entwicklung die Möglichkeit sieht, Fachkräfte zu gewinnen: "Darin liegt die Chance für Deutschland", sagte Bernd Diener, Leiter von Evonik Krefeld. Sein Unternehmen hat bundesweit eine Million Euro für Integrationsprojekte für Flüchtlinge bereitgestellt.

Fachlich werden die Sprachkurse in Krefeld von der Volkshochschule verantwortet. Wie VHS-Leiterin Inge Röhnelt erläutert, wurde zunächst der Bildungsgrad der 330 Flüchtlinge mit Fragebögen erkundet, um sie zu einheitlichen Lerngruppen vereinen zu können.

Drei Viertel der Flüchtlinge sind junge Männer. Das Bild schulischer und beruflicher Bildung ist bunt: Rund ein Drittel der Neuankömmlinge haben laut Befragung Hochschulerfahrung, die meisten geben an, mehrere Jahre Schulbildung oder Berufserfahrung hinter sich zu haben. Auf dieser Grundlage wurde ein Kurssystem entwickelt, das dem jeweiligen Leistungsstand entspricht. Die Lerngruppen umfassen nicht mehr als 18 Personen.

Eine der Lehrerinnen ist Sieglinde Haghour, die lange beim Goethe-Institut in Damaskus gearbeitet hat. Sie betont, dass sie ihren Schülern zum Kursbeginn die Regeln klarmacht: "Sollte jemand oft unentschuldigt fehlen, schmeiße ich ihn raus." Ein Kurs hat bereits begonnen, bislang hat sie nur gute Erfahrungen gemacht: Die jungen Leute kämen stets vorbereitet in den Unterricht, obwohl sie in Turnhallen untergebracht seien. Zwei ihrer Schüler - Syrer im Alter von 22 und 23 Jahren - bestätigten Lernerfolge, indem sie sich in der Runde auf Deutsch vorstellten: Demnach ist Sherzad Ahmed Maschinenbaustudent, der in Deutschland zu Ende studieren und promovieren will; Ammar Alhomada gibt an, in Syrien eine Ausbildung als Krankenpfleger gemacht zu haben; sein Ziel sei es, in dem Bereich zu studieren.

Das kommunale Engagement mehrerer Partner ist nötig, weil die Bundesmittel für Sprachhilfen nur langsam anlaufen: "In der Bundespolitik wird viel geredet, wie wichtig Spracherwerb ist, aber wenig gehandelt", beklagt Sozialamtsleiter Wolfram Gottschalk. Vor rund eineinhalb Jahren seien die Mittel für Sprachkurse fast auf Null gefahren worden, ergänzt Stadtdirektorin Zielke; die Kommunen hätten seinerzeit gewarnt, dies sei das falsche Signal - vergeblich. Nun muss ein "Riesenapparat" (Röhnelt) wieder hochgefahren werden. Bis er läuft, müssen Initiativen wie die in Krefeld schon mal anfangen.

(RP)
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