Krefeld Kleider machen Kinder

Krefeld · Die Geschichte der Kinderkleidung im Wandel der Jahrhunderte dokumentiert ein prächtiger Band des Deutschen Textilmuseums.

 Das "Porträt eines Knaben in Husarenuniform" wird Martin van Meytens d.J. (1695-1770),s einer Werkstatt oder dem Umkreis, zugeschrieben. Es zeigt, dass Kleider Leute machen - auch Kinder, und gehört zur Stiftung Museum Kunstpalast.

Das "Porträt eines Knaben in Husarenuniform" wird Martin van Meytens d.J. (1695-1770),s einer Werkstatt oder dem Umkreis, zugeschrieben. Es zeigt, dass Kleider Leute machen - auch Kinder, und gehört zur Stiftung Museum Kunstpalast.

Foto: Stiftg. Museum Kunstpalast/Horst Kolberg

Jeans oder nicht? Diese Frage hat in den 60er Jahren manche Familie vor eine Zerreißprobe gestellt. Der Nachwuchs wollte die blauen Hosen - je verwaschener, desto schöner. Nicht alle Eltern waren begeistert. Und dass einmal Jeansjacken schon in Babygröße Mode sein könnten, war damals unvorstellbar. Denim war längst nicht das erste Modethema, dem man eine soziokulturelle Brisanz zuschrieb. "Kleidung ist immer ein Spiegelbild einer erwachsenen Person", sagt Uta-Christiane Bergemann, Dozentin an der Akademie Mode und Design in Düsseldorf. Auch wie Eltern ein Kind einkleiden, ermögliche Rückschlüsse auf die Gesellschaft und deren Wertvorstellungen. Das zeigt auf prachtvolle und fundierte Weise der Band "Das Bild vom Kind im Spiegel seiner Kleidung. Von prähistorischer Zeit bis zur Gegenwart", den sie gemeinsam mit Anette Schieck, Leiterin des Deutschen Textilmuseums, herausgegeben hat.

Es ist ein Tagungsband im Nachklang zur Ausstellung "Der Kinder bunte Kleider" im Deutschen Textilmuseum - mit mehr als 12.000 Besuchern eine der bestbesuchten Schauen im Linner Haus. Bei einem Symposium haben sich in Krefeld Wissenschaftlerinnen verschiedener Fachrichtungen mit dem Thema Kinderkleidung befasst - Vertreterinnen von Archäologie und Kunstgeschichte, Bekleidungsforschung, Ethnologie und Erziehungswissenschaften haben archäologische Zeugnisse, aber auch Gemälde und Skulpturen aus Museumssammlungen studiert. 14 Beiträge sind in dem mehr als 200 Seiten starken Band enthalten - finanziell gefördert durch die Sparkassen-Kulturstiftung und mit Unterstützung der Museumsfreunde.

Der Spruch, dass Kleider Leute machen, wird hier wissenschaftlich untermauert. Anhand eines Mumienbildnisses auf einem ägyptischen Leichentuch aus dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. lässt sich ablesen, dass es schon damals einen geschlechtsspezifischen Farbkanon gab: Mädchen trugen Violett, Rosa, manchmal auch leuchtende Rottöne. Die Jungen hatten - wie bei den Römern - weiße Tuniken mit dunklen Zierstreifen. Der Band veranschaulicht, welchen Status Kinder zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Gesellschaften hatten. Lange wurden sie als kleine Erwachsene betrachtet - und entsprechend gekleidet. Im 15. Jahrhundert waren Leinenhemdchen Mode. Je mehr Falten die Ärmel und der Brustbereich hatten, desto mehr Stoff wurde benötigt - ein Hinweis auf die finanzielle Situation der Familie.

Dass Material strapazierfähig sein und der Schnitt Kindern Bewegungsfreiheit beim Spiel gewähren soll, ist eine moderne, junge Erkenntnis. In den steifen Uniformen der Vorfahren war Stillsitzen geboten. Das Buch zeigt Husarenuniformen aus dem 18. Jahrhundert, die berühmten Matrosenanzüge und Spielschürzen. Und es schlägt den Bogen in die Gegenwart: 1960 entdeckte das Unternehmen C & A Kinder als Zielgruppe, eröffnete erste Kleinkind-Abteilungen und kreierte die Marke "Palomino" für Kinder.

Der Band ist für 39,90 Euro im Museumsshop erhältlich.

(RP)
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