Analyse Kita-Gebühren - sozial gerecht?

Krefeld · Wer die Vorschläge der Politik zu den Kita-Gebühren studiert, kommt zum Ergebnis: Die Pläne sind ungerecht, aber....

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Foto: dpa, Rainer Jensen

Eine Erkenntnis bleibt, wenn man die neue Gebührenstaffelung studiert hat, die jetzt CDU und SPD gemeinsam vorgeschlagen haben: Die Krefelder Familien sind es, die das Haushaltsloch stopfen helfen. Bis zu 101 Prozent mehr als bisher müssen sie nach neuen Plänen der großen Fraktionen an Kita-Gebühren zahlen. Man fragt sich unweigerlich: Ist es sozial gerecht, wenn Familien solche Gebührensprünge hinnehmen müssen, ganz gleich, welches Einkommen sie haben?

Bei aller Kritik: Es lohnt sich, tiefer ins Zahlenmaterial einzusteigen. Dann wird die Antwort auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit gleich schwieriger. Zu Beginn zwei verblüffende Zahlen zum Vergleich: Die Stadt hat die Grundsteuer B, die am Ende alle Mieter und Grundstücksbesitzer zahlen müssen, von einem Hebesatz von 475 Prozent auf 533 Prozent angehoben. Der daraus resultierende Mehrbetrag liegt grob bei rund fünf Millionen Euro für den städtischen Haushalt. Diese fünf Millionen Euro verteilen sich auf alle rund 40.000 Krefelder Steuerzahler. Die Kita-Eltern wiederum müssen jetzt 1,75 Millionen Euro Gebühren insgesamt mehr tragen, diese Kosten verteilen sich nach der von CDU und SPD vorgelegten Tabelle aber auf nur 4540 Kinder. Sozial gerecht?

Zahl der Kinder in Kitas nach Bundesländern
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Foto: dpa, Caroline Seidel

Stadt und Politik berufen sich bei ihrer Gebührenerhöhung auf die Richtlinien des Landes: Die Kita-Kosten sollen demnach zu 19 Prozent durch Elternbeiträge gedeckt sein. Nach letzten bekannt gewordenen Zahlen lag der Anteil in Krefeld bei nur 13 Prozent. Muss daraus folgen, dass die Gebührenspirale immer weiter gedreht wird? Andere Kommunen machen Krefeld vor, wie es anders geht: Sie kommen zum Teil für die Elternbeiträge auf. Es gilt also offenbar nur auf dem Papier, dass Gebühren kostendeckend sein sollen. Für die Kitas gilt sogar, dass das eine überholte politische Denke ist. Krefeld hat lange damit geworben, besonders familienfreundlich zu sein, weil die Kita-Gebühren sehr niedrig sind. Aus diesem Grund wurde Krefeld auch für Familien interessant, die ihren Job auswärts haben, die aber dennoch nach Krefeld zogen. Sie sind hier herzlich willkommen, sie wurden Steuerzahler für unsere Stadt! Gut möglich, dass es jetzt ein paar weniger Zuzügler werden.

Ein Zwischengedanke: Kitas gehen uns alle an. In den Krefelder Kitas sitzen die Steuerzahler von morgen. Warum sollen für die Kitas nur die Kita-Eltern zahlen? Und warum zahlen wir dann keine Schulgebühr?

Kita-Navigator: Das sagen die Politiker
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Bei der Frage nach der sozialen Gerechtigkeit der Kita-Gebührenstaffelung geht natürlich auch um die Frage, wie gerecht das System in sich ist, wie also die Eltern in den einzelnen Gehaltsklassen belastet werden. Im rot-schwarzen Modell wird die Frage des zur Verfügung stehenden Einkommens jetzt deutlich mehr in den Blick genommen. Es macht eben einen Unterschied, ob man 70.000 Euro oder 150.000 Euro im Jahr verdient. In dieser Hinsicht kehrt mehr soziale Gerechtigkeit ein. Dennoch eine Bitte an die Politiker: Feiern Sie diese Gebührenerhöhung jetzt bitte nicht als "maßvoll". Zwar sprechen die beiden großen Fraktionen davon, dass teilweise auch Familien entlastet würden. Wer sich dann allerdings die Erhebung genauer anschaut, der sieht, dass tatsächlich nur in 41 Fällen weniger gezahlt wird. Die Familien der restlichen rund 4500 betroffenen Kinder, bei denen Gebühren kassiert werden, müssen laut Vorlage mehr zahlen.

Wieder die Frage: Ist die Gebühr gerecht? Die Krefelder Grünen fanden gestern schnell eine Antwort. Sie schimpften über die Pläne von CDU und SPD. Ratsfrau Anja Cäsar schrieb bei Facebook schon am Morgen, der Vorschlag der beiden Großen sei "mit der heißen Nadel zusammengestrickt". Die Grünen hätten ein viel attraktiveres Modell, verspricht sie. Sie kritisiert, dass die Unterschiede zwischen den Einkommensstufen eher "willkürlich springen" würden, die Grünen sich stattdessen für ein von der Verwaltung ebenfalls präferiertes Modell der linearen Erhöhung der Gebühren aussprechen. Man sollte sich allerdings nicht der Illusion hingeben, dass bei den Grünen insgesamt weniger Belastungen auf die Kita-Eltern zukommen. Die Grünen nehmen jetzt die Top-Verdiener - laut Statistik verdienen von 630 Kita-Kindern die Eltern mehr als 100.000 Euro - in den Blick.

Kita-Gebühren - sozial gerecht? Diese Frage hat noch einen Aspekt: Alle handelnden Kräfte in Krefeld - Stadt wie Politik - halten daran fest, dass Eltern mit mehreren Kindern immer nur für das Kind mit den teuersten Betreuungskosten zahlen müssen. Würden diese Eltern anteilig für alle Kinder zahlen, dann würden Großfamilien deutlich mehr in die Pflicht genommen. Am Ende steckt wahrscheinlich in der Beibehaltung dieses Modells die größte soziale Gerechtigkeit.

Der vorliegende Plan von CDU und SPD ist also der Versuch einer größtmöglichen Fairness, und dennoch muss man der Politik den Vorwurf der Mutlosigkeit machen: Eine echte Familienpolitik in einer familienfreundlichen Stadt sähe so aus, dass darauf hingearbeitet wird, auf Kita-Gebühren perspektivisch zu verzichten. Krefeld geht jetzt den umgekehrten Weg.

Ein Schlussgedanke, ein Krefelder Steuerzahler brachte uns unlängst auf die Idee: Wie wäre es mal mit einer Gebührenbremse, für Kitas, für Abwasser, für Müll? Wo sind die Politiker, die sich mal gegen eine geplante Gebührenerhöhung wehren?

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(RP)
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