Krefelderin fühlt sich unwohl Ladenbesitzerin fürchtet wegen Jugendlicher um Existenz

Krefeld · Ulrike Meyerhöfer-Wolf führt einen Teeladen in Krefeld. Vor ihrer Tür treffen sich neuerdings Jugendliche. Nun ist sie mürbe und denkt übers Aufhören nach. Eine Geschichte über das Verhältnis von Jung und Alt.

 Ulrike Meyerhöfer-Wolf in ihrem Laden.

Ulrike Meyerhöfer-Wolf in ihrem Laden.

Foto: vo

Darf man das Geschehen dulden, muss man es sogar? Oder kann man als Stadt erzieherisch, also ordnungsdienstlich eingreifen, muss man es sogar? Es geht um das Erscheinungsbild in einem Stück City, um die Frage, ob öffentlicher Raum von drei Dutzend Jugendlichen so dominiert werden darf, dass andere beginnen, sich unwohl zu fühlen. Wie immer eine Stadtgesellschaft darauf reagiert: Für Ulrike Meyerhöfer-Wolf geht es um die Existenz ihres Ladens. "Ich mache das kein halbes Jahr mit", sagt sie, "wenn sich nichts ändert, gehe ich weg." Aber der Reihe nach.

Seit dem Jahr 2005 betreibt Ulrike Meyerhöfer-Wolf an der Lohstraße, Ecke Hirschgasse, nahe Rhein- und Königstraße, ein kleines Teegeschäft. Es ist ein hübscher Laden mit eigenem Gesicht; und obwohl die Lage etwas versteckt ist, gibt es mittlerweile viele Stammkunden. Es läuft gut.

Seit Mitte März nun ist die Lohstraße zum Treff für Jugendliche geworden. Neue Bänke und relative Ruhe nahe der Rheinstraße locken zum Verweilen. Bis zu 35 Jungen und Mädchen im Alter von 15, 16 Jahren versammeln sich dort - und zwar raumgreifend. Sprache und Gestus sind für erwachsene Ohren gewöhnungsbedürftig; manches klingt wie Pöbelei, Stimmen und Stimmung wirken großspurig, lautsprecherisch, halbstark.

Dabei richtet sich dieses Verhalten eher nach innen in die Gruppe hinein. Es kommt wohl nicht zu Aggression nach außen gegenüber Passanten. Die Jugendlichen bewegen sich selbstvergessen in ihrer Welt. Auch Meyerhöfer-Wolf sagt, sie habe keine Angst vor ihnen, "die machen niemanden direkt an". Andererseits berichtet sie von unschönen Szenen. Einmal standen junge Leute unmittelbar vor der Türe zu ihrem Laden; Meyerhöfer-Wolf habe sie gebeten, doch ein paar Schritte beiseite zu gehen, damit Kunden ungehindert den Laden betreten könnten. Antwort: "Wieso? Die können doch um mich rumgehen."

Die lautstarke Präsenz, der Kleinkrieg um Gesten der Rücksichtnahme, die folgenlosen Ansprachen: All das macht Meyerhöfer-Wolf eben doch mürbe. An einem Tag hat sich die Truppe gegen 14 Uhr getroffen und ist bis zum Abend geblieben, berichtet sie. "Wissen Sie, wenn da stundenlang 35 Jugendliche vor ihrem Schaufenster sind - das ist schon eine Hausnummer." Sagt's und kämpft mit den Tränen. Und Meyerhöfer-Wolf befürchtet natürlich auch, dass ihre Kunden in solchen Situationen lieber einen Bogen um das Geschäft machen. "35 Mann, das sind mehr als zwei Fußballmannschaften, und das auf einem Raum von 30 Quadratmeter. Die Straße ist dann dicht, ältere Damen mit Rollator kommen nicht mehr durch."

Jede Aufforderung, Rücksicht zu nehmen, leiser zu sein, nicht einfach Tempotaschentücher auf die Straße zu werfen, nicht so viel zu spucken, wurde mit "blöden Sprüchen" quittiert, resümiert Meyerhöfer-Wolf. Bei dem Gespräch mit ihr kommt es zu einer bezeichnenden Szene: Nachdem der Reporter Handyfotos von der Ladeninhaberin gemacht hat, stürmen zwei Jungen rein. Einer platzt mit der Aufforderung heraus, sofort die Fotos zu zeigen: "Sie dürfen mich nicht fotografieren; mir egal, ich ruf' die Polizei." Die Antwort, dass man ihn nicht fotografiert habe und er ruhig die Polizei rufen solle, beruhigt ihn nicht; er greift zum Handy und stürmt wieder raus; sein Begleiter lacht.

Ganz ernst war das alles wohl nicht gemeint; die Empörung war halb gespielt. Man hört schon, wie der Junge später seinen Gefährten erzählt, dass er es den Erwachsenen gezeigt hat. Aber es war eben nur zur Hälfte spielerisch: Die andere Hälfte der Szene zeigt, wie da jemand auf sein Recht und auf Respekt pocht, zugleich aber taub ist für Rücksicht und Respekt anderen gegenüber. Als beide draußen waren, spuckte einer von beiden kräftig aus; Meyerhöfer-Wolf rief ihm hinterher, doch nicht zu spucken. Vergeblich, wie immer. Hier spucke ich und kann nicht anders: Man fragte sich später unwillkürlich, ob diese elende Spuckerei selbstvergessene Gewohnheit ist oder bewusst inszenierte Verachtung oder pubertäres Überlegenheitsgetue oder alles zusammen. Entscheidend ist: Für den Beobachter ist es widerlich, eine Zumutung.

Meyerhöfer-Wolf berichtet, dass bislang viermal die Polizei gerufen wurde, zweimal von ihr, zweimal von anderen; in einem Fall haben Jugendliche Fußball gespielt und einen Ball gegen ihre Scheibe gedonnert. Seitdem die Polizei da war, sei das nicht mehr passiert, sagt Meyerhöfer-Wolf.

Die Polizei bestätigt ihre Darstellung. In einem Fall, erklärt ein Sprecher auf Anfrage, sei berichtet worden, die Jugendlichen hätten Böller gezündet (dieser Bericht kam nicht von Meyerhöfer-Wolf). "Das konnten wir nicht verifizieren", so die Polizei, dennoch habe man einen Platzverweis ausgesprochen. Letztlich hätten die Jugendlichen nichts Verbotenes angestellt; die Polizei sah und sieht also keinen Grund zum Eingreifen. Man habe aber den Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) der Stadt über die Situation informiert - als Hinweis, die Situation im Auge zu behalten.

Auch der KOD bestätigt den Bericht von Meyerhöfer-Wolf. Man habe am Samstag, 7. April, rund 30 Jugendliche an den Bänken in dem Bereich angetroffen. "Sie wurden über die ordnungsgemäße Nutzung der Bänke belehrt", sagt der KOD zum Einsatz. Die Jugendlichen saßen demnach auf der Rückenlehne mit den Füßen auf der Sitzfläche. Und sie seien darauf hingewiesen worden, dass die Bänke "nicht zum dauerhaften Gebrauch, sondern für eine kurze Pause da sind". Die Jugendlichen machten dabei laut KOD "keinen pöbelnden Eindruck". Bei einer Kontrolle am Montag, 9. April, seien sie nicht mehr angetroffen worden: "Wahrscheinlich haben sich die Jugendlichen während ihrer Ferien vermehrt dort getroffen", mutmaßt die Stadt.

Meyerhöfer-Wolf fühlt sich im Stich gelassen. Es ist eben nicht vorbei. "Solche Kontrollen sind doch nur nachhaltig, wenn sie regelmäßig stattfinden und zu den Zeiten, wenn die Jugendlichen auch da sind." Nach der Schule nämlich. Die Stadt hat zugesagt, der KOD werde die Örtlichkeit in seine Streifgänge mitaufnehmen und regelmäßig schauen, ob alles in Ordnung ist.

Am Ende denkt man: Rücksicht würde reichen. Die friedliche Koexistenz von Jung und Alt hätte dann sofort einen positiven Aspekt - er kommt als fast heiterer Punkt in dem Gespräch mit der Ladeninhaberin zur Sprache. "Seitdem die Jugendlichen da sind, habe ich kein Problem mehr mit Wildpinklern", sagt Meyerhöfer-Wolf lächelnd. Das Bitter-Ironische ist: Die Aussage bestätigt die Hoffnungen von Städteplanern, dass öffentlicher Raum dort angenehm ist, wo sich normale Leute nach zivilisatorischen Regeln aufhalten. Dazu gehört allerdings gegenseitige Rücksicht. Alles könnte so einfach sein.

(RP)
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