Krefeld Im Milonzirkel

Krefeld · Ein ganzheitliches, effektives Training für Muskeln, Bänder und Gelenke verspricht der "Milonzirkel". Ein Selbstversuch auf Befehl eines launischen Knies.

 Umzingelt von Geräten zum Krafttraining: Das grüne Display zeigt an, wie viele Kilogramm man gerade stemmt - und mit welcher Geschwindigkeit. Eine imaginäre 50-Prozent-Marke soll nicht überschritten werden; nur schön langsam ist es richtig.

Umzingelt von Geräten zum Krafttraining: Das grüne Display zeigt an, wie viele Kilogramm man gerade stemmt - und mit welcher Geschwindigkeit. Eine imaginäre 50-Prozent-Marke soll nicht überschritten werden; nur schön langsam ist es richtig.

Foto: Christoph Reichwein

Warum Milonzirkel?

Weil für jeden irgendwann die Stunde der blöden Wahrheit schlägt. Zum Beispiel dann, wenn man einen Laufkurs absolviert und innerhalb von vier Monaten auf zehn Kilometer kommen will. Das lässt sich anfangs auch prima an, die Puste kommt, bis sich so bei Trainingskilometermarke sieben seine Majestät das Knie mit folgender Botschaft meldet: Man habe ja wohl eine bürgerliche Vollmeise, solche Belastungen zu inszenieren; man geruhe jetzt zu schmerzen und diesem albernen Treiben ein Ende zu setzen.

So war's dann auch, der Frust war groß, das Training musste abgebrochen werden. Später dann die Erklärung: Puste hat man bei Lauftraining relativ schnell, nur dass Bänder, Muskulatur und Gelenke nicht nachkommen. Man rennt ganz gut, federt aber das Gewicht nicht ordentlich ab. Resultat: Alarmstufe Blöd - Gelenkschmerz.

Und so kroch aus einer hinteren, unteren Ecke im Seelengeflecht wie schwarzer Efeu ein Satz von Karl Valentin ins Geäst des inneren Lebens: Alle Menschen sind sterblich, ich vielleicht auch. Oder anders: Ab fuffzich aufwärts kann man nicht mehr einfach drauflosrennen, zumal eines Morgens klar war, dass sich über Nacht einiges an Gewicht angesammelt hat, was da, wo es war, nicht hingehörte. Eine Invasion von der Wega. Seltsam.

Was ist ein Milonzirkel?

Zirkeltraining mit acht Übungen. Sechs Einheiten sind Kraftübungen, die Bein-, Arm-, Rücken- und Bauchmuskulatur betreffen; zwei Stationen (Mitte und Ende) sind Ausdauerübungen: Radfahren und Crosstraining. Die Kraftübungen sind je 60 Sekunden lang; man hat 30 Sekunden Zeit, die Station zu wechseln. Die Ausdauerübungen dauern je vier Minuten. Man durchläuft pro Training zwei Runden, so dass man brutto 35 Minuten Sport macht (ohne Warmlaufen). Das Ganze soll effektiv und schonend sein. Muskelkater hat man tatsächlich nicht. Und Überlastung ist bei vernünftiger Einstellung der Geräte nicht möglich. Seine Majestät das Knie jedenfalls hat nie mehr gemuckt.

35 Minuten - das klingt wenig, und man sollte nicht zugucken, denn es ist immer etwas komisch wenn Leute treten, heben, drücken und strampeln, ohne dass sich irgendetwas von der Stelle bewegt. Besonders lächerlich ist Crosstraining: eine Mischung aus Laufen, Treppensteigen und Wasserpumpen. Sehr lustig. Bis man selber auf dem Gerät läuft, treppensteigt und wasserpumpt. Das Miststück.

Der Milonzirkel ist die Erfindung der deutschen Firma Milon. Der Name des Zirkels spielt auf Milon von Kroton an, der in der Antike als Athlet in Olympia viele Siege errungen hat. Der Clou beim Milontraining ist: Das Krafttraining wird stufenlos elektronisch gesteuert, individuell angepasst und auf einem Mikrochip gespeichert. Man steckt dann seine Karte mit dem Chip in die Geräte, und der Chip stellt alles so ein, wie man es braucht. Erhöht man die Widerstände, wird auch das gespeichert, ebenso wie die komplette Trainingsgeschichte.

Milieu & Mode

In Studios mit Milonzirkel trifft man eher weniger auf Tattoos, an denen noch Oberarme hängen. Bei Monatspreisen um die 50 Euro ist dort ein gutbürgerliches Publikum vertreten. Oberkörper mit "muscle shirt" kennt man hier eher aus der Bruce-Willis-Kollektion der Kinder und Enkel. Dennoch: Das Publikum ist gemischt. Zwar ist die Generation 40 plus X stark vertreten, und es finden sich auch akkurat kolorierte Mallorca-Blondinen der Klasse 60 plus X oder Herren, die keine figurbetonende Funktionswäsche mehr tragen sollten. Aber unterm Strich sind dort alle vertreten: Junge. Ältere. Alte. Männer. Frauen. Superfitte, die megafit werden wollen. Die "Jetzt fang ich endlich an"-Schicksale. Leute, die Spezialtraining nach OP oder Unfall brauchen. Oder Untertanen, denen seine Majestät das Knie was gehustet hat.

Die beiden Scheißerchen

Jeder hat im Milonzirkel mindestens zwei Dinge, denen man mit einem gewissen Respekt begegnet. Zum Beispiel der Geschwindigkeitsbalken. Bei den Kraftübungen soll man eine imaginäre 50-Prozent-Marke nicht überschreiten - ein kleiner, hüpfender, digitaler Balken signalisiert, ob man die Grenze reißt. Ist er zu schnell, bist du zu schwach. Ist er zu zittrig, bist du viel zu schwach. Das gilt für den Hin- und den Rückweg einer Übung - denn ein Hub besteht aus beidem. Merke: Rückwege können verdammt lang sein.

Die Trainer

Die Trainer sind Freunde. Sie stellen alles ein, zeigen dir die Übungen und sagten "klasse", wenn man keucht. Manchmal kommen sie und sagen: "Mach die Übung mal so: Brust raus, Po etwas nach hinten, Hände nach außen". Klar, denkt man, Brust raus. Danach ist alles ist anstrengender. Es wird immer anstrengender, wenn die Trainer kommen und sagen: Mach das mal so.

Frust

Frust kommt auf, wenn man doch keine Zeit findet. Wenn man rumkränkelt, der innere Schweinehund zu mächtig wird, wenn man zu erschöpft ist, weil die Woche verdammt anstrengend war - kurz: Wenn man das Training unterbricht oder unterbrechen muss.

Lust

Schafft man den Milonzirkel zwei- bis dreimal die Woche, spürt man rasch den Erfolg: Warmlaufen auf dem Laufband geht einfacher. Der Balken liegt satt an der 50-Prozent-Marke. Der Crosstrainer, das kleine Mistkerlchen, ist kein Feind mehr - man streicht den Vornamen "Schlimmer als chinesische Wasserfolter". Die Übungen gewinnen an meditativer Tiefe: Man spürt das Ziehen seines Körpers und wird durchflutet von dem großen "still alive"-Gefühl. Schön.

Abnehmen

Britische Wissenschaftler haben jüngst herausgefunden, dass Sport allein nicht dünn macht. Das hätten die auch ohne Studie haben können. Sport ist Motivationshilfe, mit mehr Muskeln wird mehr Fett verbrannt, wenn man sie benutzt, aber von Sport allein nimmt man nicht ab. Punktum. Da gilt die alte Formel: FdHudR. Friss die Hälfte und das Richtige.

Aber das ist eine andere Geschichte.

(RP)
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