Krefeld Generationenprojekt Operette

Krefeld · Mit einer Operettenrevue beweist das Theater, wie junge und erfahrene Sänger von einander profitieren.

 Routiniers und Bühnenfrischlinge sind gemeinsam in der Operettenwelt unterwegs: (v.l.) Janet Bartolova, Amelie Müller, Debra Hays und Matthias Wippich in "Wär nur die Sehnsucht nicht so groß".

Routiniers und Bühnenfrischlinge sind gemeinsam in der Operettenwelt unterwegs: (v.l.) Janet Bartolova, Amelie Müller, Debra Hays und Matthias Wippich in "Wär nur die Sehnsucht nicht so groß".

Foto: Matthias Stutte

Lampenfieber ist keine Frage von Bühnenerfahrung. "Die Aufregung ist immer dabei", sagt Janet Bartolova. "Adrenalin ist auch nötig, um die Spannung zu halten. Aber man lernt, damit umzugehen", ergänzt Debra Hays. Beide gehören seit vielen Jahren zum Musikensemble des Theaters Krefeld/Mönchengladbach. Damit nehmen sie Amelie Müller die Hoffnung, an einem Premierentag jemals tiefe Gelassenheitzu empfinden und Knie aus Kruppstahl zu haben. Amelie Müller ist am Anfang ihrer Karriere. Sie gehört zum Opernstudio des Theaters, das Absolventen von Musikhochschulen die Möglichkeit gibt, Bühnenerfahrung zu sammeln und im normalen Wahnsinn des Theaterbetriebs ganz selbstverständlich mitzulaufen.

Zurzeit stehen die drei Sängerinnen gemeinsam mit Matthias Wippich und den beiden Opernstudio-Mitgliedern James Park und Manon Blanc-Delsalle in "Wär nur die Sehnsucht nicht so groß" gemeinsam auf der Bühne. Die nächste Aufführung ist am Sonntag, 14. Juni, 20 Uhr, in der Fabrik Heeder.

Die Produktion ist außergewöhnlich: eine Operettenrevue, die in Bonbonfarben und mit viel Lust an der Leichtigkeit des Genres spielt, dabei fast vergessene Melodien aus Operetten jüdischer Komponisten feiert. Für Operndirektor Andreas Wendholz, der das Opernstudio initiiert hat, ist sie das, was Soziologen ein geglücktes Mehrgenerationen-Musiktheater nennen könnten: Die bewährten Sänger und die Berufsneulinge singen und spielen in wundervoller Symbiose. "Es ist schon beruhigend, mit Kollegen auf der Bühne zu stehen, die Erfahrung haben", sagt Müller. "Ich lerne, wie souverän man reagieren kann, wenn etwas nicht so läuft wie geplant, wenn mal ein Requisit fehlt oder etwas mitten in der Szene umfällt. Man muss einfach so tun, als sei gar nichts passiert." Das lehrt die Bühnenwirklichkeit, nicht die Hochschultheorie. "Vieles ist leichter, als wenn man nur unter Anfängern ist", stimmt Park zu. Von den Routiniers guckt er sich das Verhältnis von Konzentration und Gelassenheit bei den Proben ab. Wann man voll aussingen muss und wann man nur markiert, also mit halber Kraft fährt, ist ein wertvoller Tipp aus der Praxis. "Ich habe nicht gewusst, dass das überhaupt erlaubt ist", sagt Amelie Müller und erzählt, dass sie bei den Älteren auch gerne mal nachfragt, ob sie an einer heiklen Stelle atmen darf .

Solche Nöte kennen Bartolova und Hays: "Wir waren auch jung und haben uns solche Fragen gestellt. Aber wir profitieren auch von den Jungen. Das bringt frischen Wind", findet Debra Hays. "Und es ist spannend, zu sehen, wie sehr die jungen Sänger sich entwickeln", sagt Bartolova. Das Projekt Opernstudio läuft am Gemeinschaftstheater im vierten Jahr. Und es hat bundesweite Kreise gezogen: "Wir hatten knapp 130 Bewerber", berichtet Wendholz. Vier Sänger und zwei Repetitoren, die sich ein Stipendium teilen, gibt es zurzeit am Haus. "Ich habe im vergangenen Jahr in Berlin von der Möglichkeit an diesem Haus erfahren und mich beworben", erzählt Sopranistin Müller. Sie sah es als Chance, auszuprobieren, ob Oper der richtige Berufswunsch war. "Ich hab es mir glamouröser vorgestellt und wusste gar nicht, ob diese Welt etwas für mich ist. Aber hier geht es sehr offen zu und sehr lustig. Wir sind absolut ins Ensemble integriert. Ja, es ist stressig, aber es macht viel mehr Spaß, als ich gedacht habe." Auch zwei Rollen zu spielen, eine dritte zu probieren, wie es im Theateralltag eben so läuft, gefällt ihr. "Wenn man das Kostüm anzieht, das Bühnenlicht sieht und die Musik hört, findet man sich schnell in seine Figur herein." Spannend sei es, mit unterschiedlichen Regisseuren zu arbeiten. "Was ich bei einem gelernt habe, habe ich auch bei einem anderen umgesetzt. Der sagte aber: Nee, bitte lass das."

Das Opernstudio ist für die jungen Sänger so etwas wie eine stetig wachsende Sedcard. Sie studieren die Rollen aus dem Theaterrepertoire ein und sind in vielen Produktionen Zweitbesetzungen. "Deshalb sehen wir sie nicht als Konkurrenz, sondern als Beruhigung. Es ist jemand da, wenn man wegen Krankheit ausfällt", erklärt Hays. Und für die Bühnenneulinge bedeutet das: "Es ist so ein schöner Beruf, man kann so vieles spielen und ausprobieren", so Müller. Janet Bartolova versichert ihr: "Und das bleibt auch noch nach 30 Jahren so."

(RP)
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