Krefeld Gedenkgang für neue Stolpersteine

Krefeld · Die Verlegung ist meist nüchtern und zügig - um die neuen Stolpersteine und ihre Stifter respektvoll zu würdigen, gab es jetzt einen Gedenkrundgang, der von Schülern der Gymnasien Stadtpark und Fabritianum gestaltet wurde.

 Alte Krefelder Straße: Schülerinnen des Fabritianum spielten Klarinette - zum Gedenken an Familie Daniels.

Alte Krefelder Straße: Schülerinnen des Fabritianum spielten Klarinette - zum Gedenken an Familie Daniels.

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Die wohl anrührendste Szene war die, als zwei Kinder aus der Familie von Alfred Mayer neben den Stolpersteinen Blumen auf die Straße malten - zur Erinnerung an ihn. Erinnerung ist das zentrale Stichwort. Nachfahren von Alfred Mayer waren aus Paderborn zu einer besonderen Gedenkfeier nach Krefeld gereist. Nach der Verlegung der ersten Stolpersteine in Uerdingen gab es jetzt einen "Gedenkgang" mit kleinen Zeremonien, die von Schülern der beiden Uerdinger Gymnasien Fabritianum und am Stadtpark ausgerichtet wurden. Die Schulen haben die Steine gestiftet, die an die Wohnstätten vertriebener und ermordeter Juden erinnern.

Organisiert wurde der Gedenkgang von Sibylle Kühne-Franken und Ingrid Schupetta von der NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer. Ziel des Rundgangs ist es, die eher schlichte, vom handwerklichen Tun geprägte Verlegung der Stolpersteine zu ergänzen: "Wir haben uns gedacht: Es ist respektvoller, wenn wir einen Gedenkgang anbieten, an dem auch die Spender teilnehmen können", sagt Schupetta auf Anfrage unserer Redaktion.

 Bruchstraße: Neuntklässler des Stadtpark-Gymnasiums trugen die Lebensläufe der Familie Mayer vor.

Bruchstraße: Neuntklässler des Stadtpark-Gymnasiums trugen die Lebensläufe der Familie Mayer vor.

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Die erste Station führte zum Haus Alte Krefelder Straße 39, wo früher die Familie Daniels gelebt hat. Als besonderer Gast und Zeitzeuge war der 94-jährige Hans Rabanus zugegen, der in dem Elternhaus seines Schulfreundes Werner ein- und ausging. Die Jungen sammelten beide Briefmarken.

Rabanus verlas unter anderem den in Latein verfassten Abschiedsbrief von Werner Daniels. Zwei Schülerinnen des Fabritianums spielten Klarinette, ein Junge spielte mit der Trompete das Lied "Sounds of Silence".

 Bruchstraße: Die jüngsten Nachfahren von Alfred Meyer malten Blumen neben die Stolpersteine, die an die jüdische Familie Mayer erinnern.

Bruchstraße: Die jüngsten Nachfahren von Alfred Meyer malten Blumen neben die Stolpersteine, die an die jüdische Familie Mayer erinnern.

Foto: schup

Andere Schüler trugen die Lebensläufe von Familienmitgliedern vor. Neben Schulleiter Horst Obdenbusch und Organisator Thomas Tillmanns waren auch einige Lehrer zugegen. Die Schüler legten Blumen auf dem Gehweg ab und zündeten Grableuchten an.

Die Familie Daniels bestand aus der Witwe Marta Daniels und ihren Kindern Kurt, Ruth und Werner. Der Vater war 1932 gestorben. Ruth floh 1939 nach London, Kurt und Werner nach Belgien, Mutter Marta zog 1942 nach Wuppertal, um ihren im Ersten Weltkrieg erblindeten Bruder zu pflegen. Sie wurde 1942 nach Theresienstadt und von dort 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Kurt und Werner flohen weiter nach Südfrankreich, wurden jedoch als "unerwünschte Ausländer" verhaftet. Kurt wurde 1942 in Auschwitz ermordet, Werner konnte fliehen und schloss sich der Résistance an. Unter dem Namen René Dizier erlebte er die Befreiung. Wie seine Schwester Ruth kehrte er nicht nach Deutschland zurück. Die Gedenkfeier für die Familie Mayer an der Bruchstraße 31 wurde vorwiegend von der Klasse 9 des Gymnasiums am Stadtpark bestritten - vorbereitet von der Lehrerin Barbara Hopmann. Hier waren Angehörige von Alfred Mayer aus Paderborn gekommen. Statt Blumen niederzulegen, malten die Jüngsten in der Familie Blumen auf den Bürgersteig. Familie Mayer war 1941 aus Krefeld nach Lodsch (Litzmannstadt) deportiert worden; Alfred wurde 1944 in ein anderes Arbeitslager geschafft - er überlebte. Ruth wurde in Kulmhof ermordet. Rosel und Doris starben im Konzentrationslager Stutthof. Max Meyer überlebte die Befreiung in Bergen-Belsen nur um einen Monat. Der ehemalige Schulleiter Bernd Röhrscheid aus Willich konnte berichten, dass Alfred Mayer nicht gerne über seine Erlebnisse sprach. Erst kurz vor seinem Tode öffnete er sich gegenüber einer Schülerin, die eine Facharbeit schrieb.

(RP)
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