IHK im Interview "Frank Meyer muss nun auch liefern"

Krefeld · Wie war der Start der Landesregierung, wie wirtschaftsfreundlich ist die Stadt? Wir sprachen mit Jürgen Steinmetz, Stefan Dresely und Erich Bröker von der IHK über das, was aus Sicht der Wirtschaft in 2018 angepackt werden muss.

 Im RP-Gespräch (v.l.) : Die IHK-Vizepräsidenten Erich Bröker und Stefan Dresely, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und RP-Redaktionsleiter Jens Voß.

Im RP-Gespräch (v.l.) : Die IHK-Vizepräsidenten Erich Bröker und Stefan Dresely, IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz und RP-Redaktionsleiter Jens Voß.

Foto: gra (1)/ vo (2)

Wie beurteilen Sie den Start der neuen Landesregierung?

Jürgen Steinmetz Bislang hat die Landesregierung einen guten Start hingelegt. Sie hat zwei Entfesselungspakete zum Abbau von Bürokratie auf den Weg gebracht. Die Hygieneampel ist abgeschafft, das Tariftreue- und Vergabegesetz wird überarbeitet, die Regelung zu verkaufsoffenen Sonntagen ist verbessert worden. In der wirtschaftspolitischen Ausrichtung sind unsere Erwartungen bisher erfüllt.

Wo sehen Sie auf kommunaler Ebene Handlungsbedarf?

Steinmetz Krefelds wirtschaftliche Entwicklung muss mehr Fahrt aufnehmen. Wir haben 12.000 Unternehmen mit 90.000 Beschäftigten in der Stadt. Sie erwirtschaften 130 Millionen Euro für die Stadtkasse allein über die Gewerbesteuer; das sind 15 Prozent der Erträge des städtischen Haushalts. Vergleichbare Städte erreichen bis zu 25 Prozent, aber nicht, indem sie die Unternehmen mehr belasten, sondern indem es ihnen gelingt, eine größere Basis zu schaffen und mehr Unternehmen anzusiedeln.

Wo sehen Sie Handlungsansätze für die Stadt?

Erich Bröker In Krefeld haben wir nach wie vor das Problem, dass es für Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen, in der Verwaltung eine Fülle von Stellen gibt, an die man sich wenden muss. Wenn man eine Genehmigung braucht, muss man von Pontius zu Pilatus gehen. Wir wünschen uns daher eine "One-Stop-Agency": dass man also eine Anlaufstelle schafft, die einen Unternehmer durch die Verwaltungsinstanzen begleitet. Andere Kommunen haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Stefan Dresely Ein weiterer Punkt ist die Ausstattung der Wirtschaftsförderung. Geschäftsführer Eckart Preen macht sehr gute Arbeit und hat Erfolge vorzuweisen; wir wünschen uns allerdings mehr Geld für die Wirtschaftsförderung. Es gibt Städte vergleichbarer Größe, die ihre Wirtschaftsförderung deutlich besser ausstatten. Bröker So war es sinnvoll, den Zuschuss im vergangenen Jahr um 150.000 Euro zu erhöhen, um zwei Mitarbeiter für das China Board einzustellen und das Chinageschäft besonders zu pflegen. Doch Krefeld könnte da mehr tun. Die Wirkung spürt man sofort. Das ist gut angelegtes Geld.

Wie steht es Ihrem Eindruck nach generell um die Wirtschaftsfreundlichkeit in der Verwaltung?

Bröker Wir haben bei unseren Gesprächen immer wieder gehört, dass die Servicefreundlichkeit besser sein könnte.

Man hört mal haarsträubende Geschichten, mal läuft es aber auch wunderbar. Wer hat Recht?

Bröker Auf der Ebene der Einzelbeispiele kommt man in dieser Debatte nicht weiter. Man kann Wirtschaftsfreundlichkeit messen. Wir haben schon vor Jahren gefordert, dass sich die Verwaltung um das Zertifikat "Wirtschaftsfreundliche Verwaltung" bewirbt. Um dieses Gütesiegel zu bekommen, durchläuft sie einen Prozess mit festen Parametern. Aus uns unerfindlichen Gründen wehrt man sich in Krefeld dagegen.

Kann man auch durchfallen, oder gibt es für jeden einfach eine schöne Plakette fürs Rathaus?

Dresely Man kann auch durchfallen. Es gibt noch nicht viele Städte in Deutschland, die dieses Zertifikat vorweisen können. Aber selbst wenn man durchfällt, hat man einen Mehrwert. Die Verwaltung erhält dann nämlich wichtige Hinweise, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, damit die Wirtschaftsfreundlichkeit verbessert wird. Das Zertifikat wird alle zwei Jahre überprüft und bestätigt. Steinmetz Ein weiterer Vorteil ist, dass die Verwaltung Kritik und Pannen in Einzelfällen, die es ja überall gibt, glaubhaft mit dem Argument begegnen kann, dass die Standards in 90 Prozent der Fälle erfüllt werden.

Hängen solche Verbesserungen an mehr Personal? Und wie lange dauert ein Zertifizierungsprozess?

Dresely Das hängt nicht nur an mehr Personal. Es geht sicher auch um eine Veränderung der Prozesse. Das notwendige Zertifizierungsverfahren könnte noch 2018 abgeschlossen werden.

Oberbürgermeister Frank Meyer ist auch mit dem Versprechen angetreten, die Verwaltung zu reformieren. Wie nehmen Sie seine Arbeit wahr?

Steinmetz Positiv ist, dass Herr Meyer die Anliegen der Krefelder Wirtschaft aufnimmt. Wir sagen aber auch: Er muss nun auch liefern und zum Beispiel die Verwaltung wirtschaftsfreundlicher aufstellen. Bei diesem und anderen Anliegen werden wir unterstützen. Wir wollen nicht nur meckern, sondern uns auch aktiv einbringen und Veränderung mit organisieren. Bröker Handlungsbedarf gibt es auch beim Thema Digitalisierung. Für uns ist das ein Thema der Daseinsvorsorge. Andere Städte waren schneller als Krefeld, was den Abruf der Fördermittel angeht. Die Stadt hat jetzt die Stelle eines Breitbandkoordinators geschaffen und angekündigt, den Netzausbau in diesem Jahr voranzutreiben. Darauf setzen wir. Wir haben in Krefeld noch unterversorgte Gebiete; der Hafen ist nur ein Beispiel. Dresely Wichtig ist auch, dass noch in diesem Jahr die Nordanbindung des Hafens angegangen wird. Die Erreichbarkeit der Unternehmen ist gefährdet, weil die Infrastruktur an ihre Grenzen stößt. Wir benötigen eine leistungsfähige Nordanbindung über die B 288 und die Uerdinger Rheinbrücke. Hier fordern wir eine schnelle Lösung.

Wie steht es um das Gewerbegebiet an der A44?

Dresely Wir hoffen, dass es dort jetzt schnell vorangeht. Schließlich sind die zur Verfügung stehenden Gewerbeflächen in Krefeld knapp. Das Gebiet an der A44 ist unter anderem wegen seiner guten Verkehrsanbindung und der Nähe zu Düsseldorf ein Premiumstück. Die Vermarktung dürfte kein Problem sein. Es wäre wünschenswert, wenn Krefeld und Meerbusch sich auf eine gemeinsame Entwicklung einigen. Der erste Spatenstich sollte 2025 erfolgen.

Spielt für die IHK eigentlich die Debatte um das Seidenweberhaus eine Rolle?

Bröker Aber ja. Das Thema Stadtentwicklung spielt für die IHK eine große Rolle. Schließlich ist eine attraktive Innenstadt unter anderem für die Fachkräftegewinnung ein wichtiger Faktor. Deshalb beobachten wir natürlich auch die Diskussion um die Zukunft des Seidenweberhauses. Ein Neuanfang am Theaterplatz ist für das Image der Stadt eminent wichtig. Das könnte ein Leuchtturm für Krefeld werden. Dresely Wichtig ist, dass es in diesem Jahr eine Entscheidung darüber gibt, wo eine neue Veranstaltungshalle entstehen soll. Dabei muss die Zukunft des Seidenweberhauses mitgedacht werden. Auch wenn eine Veranstaltungsstätte im Kesselhaus im Mies van der Rohe Business Park verwirklicht werden soll, muss auf jeden Fall gleichzeitig eine städtebauliche Lösung für das Seidenweberhaus gefunden werden

In Krefeld ist oft Kritik daran zu hören, dass die Stadt zum Logistikstandort wird. Hoher Flächenverbrauch - wenig Arbeitsplätze, lautet der Vorwurf. Wie sieht die IHK das?

Steinmetz Das ist so nicht richtig. Natürlich muss man darauf achten, dass Flächenverbrauch und Zahl der Arbeitsplätze in angemessenem Verhältnis stehen. Aber der Logistiksektor ist der Wachstumsmotor Nummer eins für Beschäftigung in unserer Region. Diese Branche hat in den vergangenen Jahren die höchste Anzahl an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen geschaffen. So sind von 2008 bis 2016 in der Region Mittlerer Niederrhein in der Branche "Verkehr und Lagerei" knapp 8.000 Jobs entstanden. Und Logistikunternehmen sind längst keine reinen Transportunternehmen mehr, sondern erbringen viele andere Dienstleistungen.

(RP)
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