Krefeld Forstwaldeslust um 1900

Krefeld · Der Bürgerverein Forstwald hat eine Sammlung historischer Postkarten mit Motiven aus dem Forstwald geerbt - ein Fundus von unschätzbarem Wert, an dem die Geschichte des Forstwalds abgelesen werden kann. Manche Motive sind auch zum Schmunzeln: zum Beispiel nackt badende Männer, denen nachträglich Badehosen gemalt wurden, die das Nötigste bedecken sollen.

Ein kleines Kreuzchen markiert den Tisch, der Ort vieler fröhlicher Stunden gewesen sein muss. "Hier haben wird gerne gesessen", ist in akribischer Handschrift auf der Vorderseite der historischen Postkarte vermerkt, die im Jahr 1906 von Forstwald nach Barmen versendet wurde. Die Ansichtskarte ist Teil einer umfassenden Sammlung, die der Bürgerverein Forstwald geerbt hat. Bereits im Jahr 2000 hatten der Heimatforscher Kunibert Schmitz und der damalige Vorsitzende des Bürgervereins Hans-Jürgen Herzog verabredet, dass Schmitz' Vermächtnis eines Tages in den Besitz des Bürgervereins übergehen sollte. Im Oktober 2014 verstarb Schmitz im Alter von 82 Jahren. Seither hat eine Arbeitsgruppe des Bürgervereins viel Zeit aufgewendet, um das historische Kleinod zu sichten und zu digitalisieren, um es dann der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Buch ist im Gespräch, eventuell eine Ausstellung.

Drei Bände mit insgesamt 242 Postkarten umfasst die Sammlung. Viel Arbeit für das Team um Jürgen Reck. Zwar ist die Sammlung akribisch geführt. "Doch Experten haben uns empfohlen, nicht mit den Originalen zu arbeiten, um diese zu schützen", sagt Reck. Daher hat er begonnen, Vorder- und Rückseiten zu scannen. Immer wieder hat er dabei Details entdeckt, die auf der Original-Karte leicht übersehen werden können. "Aber wenn man scannt, kann man die Fotos auf dem Bildschirm sehr groß ziehen", erklärt er. So fand er auch die zierliche Aufschrift "Hier haben wir gerne gesessen". "Zunächst dachte ich, der Text hieße "Hier haben wir gerne gesoffen", sagt Reck und lacht. Denn in der alten Schrift Sütterlin sieht das "s" aus wie ein "f". "Es wäre toll, wenn wir jemanden finden könnten, der uns hilft, die Texte auf den Postkarten zu entziffern, jemand, der Sütterlin gut lesen kann", wünscht sich Reck. Denn einen Großteil des Charmes der Sammlung machen natürlich die handschriftlichen Grüße aus. Sie sind genauso Zeitdokument wie die Bildmotive. "Sie bewahren mit Ansichten längst untergegangener Einrichtungen wie der Badeanstalt oder nicht mehr existierender Gebäude einen guten Teil unseres historischen Gedächtnisses", macht Günther Porst, Vorsitzender des Bürgervereins deutlich. "Man kann die Geschichte des Forstwalds ablesen."

Ein besonders amüsantes Detail hat Reck auf einem Motiv der Badeanstalt entdeckt. "Damals badeten Männer und Frauen getrennt, und auf dem Foto, das für die Ansichtskarte verwendet wurde, waren alle Männer offenbar nackt. Weil das natürlich für eine Postkarte nicht so günstig war, hat man mit damaligen Retuschemethoden allen Männer einfach eine weiße Badehose verpasst." Pikant: Für die letzte Badehose hatte wohl die Farbe nicht gereicht, die "Hose" lässt Einblicke auf das Darunter zu.

Die älteste Postkarte stammt aus dem Jahr 1897. Anhand der Marken und Stempel - damals wurden noch Abgangs- und Eingangsstempel verwendet - lassen sich interessante Details rekonstruieren. Zum Beispiel, dass die Postlaufzeit für eine Karte von Krefeld nach Amsterdam gerade mal 24 Stunden betrug. Die Sammlung umfasst auch die beiden Weltkriege, viele Postkarten, die an der Front geschrieben wurden, sind dabei. "Man erkennt sie daran, dass sie ohne Briefmarken verschickt werden konnten", erklärt Reck.

Jürgen Reck hat den ersten Band, vornehmlich mit Bildmotiven des Forsthauses, komplett digitalisiert und aus den Dateien ein Buch drucken lassen - dieses Buch dient zunächst als Arbeitsunterlage. Er könnte sich durchaus auch vorstellen, erklärt er, die schönsten Motive aus dieser Sammlung später in einem Bildband zusammenzustellen und ihn Interessierten zum Kauf anzubieten.

(RP)
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