Radserie in Krefeld Fahrradtechnik — ein längst fälliger Hassgesang

Krefeld · Dynamo, Bremsklötze, Schläuche – lauter Fallen. Wer selber Hand anlegt, braucht starke Nerven und eine robuste Psyche.

 Zum Heulen: Drahtsalat statt Steckkontakt. So sieht ein Dynamo am Beginn des 21. Jahrhunderts aus.

Zum Heulen: Drahtsalat statt Steckkontakt. So sieht ein Dynamo am Beginn des 21. Jahrhunderts aus.

Foto: Lammertz, Thomas

Dynamo, Bremsklötze, Schläuche — lauter Fallen. Wer selber Hand anlegt, braucht starke Nerven und eine robuste Psyche.

Massai-Jungen müssen einen Löwen erlegen, um zum Mann zu werden; die männliche westeuropäische Jugend muss irgendwann erstmals einen Platten flicken. Nach allen Erfahrungen mit Fahrradtechnik darf man als Europäer sagen: Lass mich lieber einen Löwen töten. Denn du hast keine Chance gegen eine Technik, die darauf setzt, Kupferdrähte mit Schrauben gegen irgendwas zu pressen, anstatt mit Steckvorrichtungen zu planen.

Fahrräder sind technisch gesehen Mischwesen, ach was, seien wir ehrlich: Mistkerle. Einerseits sind sie modern wie Raketen, andererseits sind es Raketen, bei denen dort, wo sonst der Düsenantrieb sitzt, eine Handkurbel ist. Als Radfahrer kannst du superleichte, hammerharte Spitzenmaterialien kaufen; du hast High-Tech-Gangschaltungen mit gefühlt 500 Gängen, mit denen man den Mount Everest hochfahren kann, ohne zu schwitzen, aber wehe, du hast einen Platten. Dann heißt es: Ab zurück ins Neolithikum. Du musst quetschen, drücken, schieben und schnaufen, als ginge es gegen einen Mammut. Ingenieure der Welt, erbarmt euch!

Klar gibt es Nabendynamos, aber immer noch ist es ein Abenteuer, Drähte am Fahrrad zu verlegen. Das Bild aus der Jugend gilt noch: Wenn du Pech hast — und du hast immer Pech —, ist dein Draht abgefressen und ein Bild des Jammers. Am Ende hängen höchstens drei, wahrscheinlich zwei Fasern raus, die du mit Ach und Krach irgendwo gegengequetscht kriegst und dann betest: Gott, lass den Strom jetzt fließen. Manchmal hört Gott zu, meistens aber nicht. Bösartig, zynisch und hinterhältig sind auch Felgenbremsen. An den Bremshebeln sind immer irgendwelche Stellschrauben, mit denen man angeblich den Zug nachstellen kann. Ihr Erfinder muss ein wahnsinniger Wissenschaftler sein, der die Menschheit hasst. Denn du drehst an diesem Schräubchen und drehst und drehst — an der Zugkraft deiner Bremsen ändert sich aber null Komma null gar nichts. Sisyphus hatte einen lauen Lenz dagegen.

Und Bremsklötze austauschen? Vergiss es. Die Dinger leben. Die Alten kriegt man ab, okay, und sie sehen immer grauenerregend aus wie Mumien von Fledermäusen. Die Neuen hingegen lächeln dich an, aber es sind Feinde Europas, Feinde der Welt: Sitzen, wenn man sie an die Träger rangefummelt an, immer falsch, und zupacken tut immer nur einer. Die Sausäcke.

Das Beste, Schlimmste, Furchtbarste ist immer noch das Auswechseln von Schläuchen. Rad abmontieren: Geht! Mantel abstreifen: Geht! Neuen Schlauch aufziehen: Geht! Mantel wieder aufziehen: Ein Alptraum. Die Werkzeuge dazu sind Reifenheber, die wie eine Mischung aus Angelhaken und Stilett aussehen und sich auch so benehmen. Einmal falsch angesetzt, wird der schöne neue Schlauch gleich wieder verletzt, geschlitzt, getötet. Diese Werkzeuge sind in Wahrheit fast genauso bösartig wie all die Feinde des Fahrradreifens, die auf unseren Straßen darauf warten, sich voller Hass in die Reifen friedliebender Fahrradfahrer zu bohren. Haie sind dagegen Kaninchen mit Kiemen.

Kurz und gut: Wer als Radfahrer selber Hand an sein Rad legt, ist verloren. Die Technik hat sich an zentralen Belastungspunkten nicht weiterentwickelt, jedenfalls nicht benutzerfreundlich.

Nun gut, die Zeiten, in denen man sich unters Auto gelegt und daran herumgeschraubt hat, sind ja auch schon lange vorbei. So bleibt nur der Weg in die Werkstatt. Ganz klar: Da sitzen Helden, die jeden Tag mit Orks in Form von ausgefransten Kupferdrähten kämpfen. Und gewinnen. Ein Wunder. Ihnen gilt unsere Hochachtung.

Ansonsten freuen wir uns selbstredend auf die nächste Radtour.

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