Krefeld Experte: Rhein könnte wieder Eis führen

Krefeld · Die Kleine Eiszeit von 1420 bis 1850 ist Thema eines Aufsatzes von Professor Josef Klostermann vom Geologischen Dienst NRW und dem Verleger Stefan Kronsbein. Doch schon in voraussehbaren Jahren könnte es wieder zu Eisbildung kommen.

 Stefan Kronsbein, Margareta Siepen und Josef Klostermann (v.l.) haben an dem Buch mit dem Beitrag über die Kleine Eiszeit mitgewirkt.

Stefan Kronsbein, Margareta Siepen und Josef Klostermann (v.l.) haben an dem Buch mit dem Beitrag über die Kleine Eiszeit mitgewirkt.

Foto: Thomas Lammertz

Das letzte Eis auf dem Rhein in Uerdingen wurde 1962/63 gesichtet. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass wir in absehbaren Jahren wieder Eisschollen auf dem Rhein erleben können. Solche für den Laien überraschende Aussagen ergaben sich gestern bei der Vorstellung des Aufsatzes "Die kleine Eiszeit am Niederrhein und ihre Klimaindikatoren Hochwässer und Eisgang" in dem Buch "Beiträge zur Archäologie des Niederrheins und Westfalens", das - wie berichtet - anlässlich des 65. Geburtstags von Christoph Reichmann, dem Leiter des Museums Burg Linn, im Mai erschienen ist.

"Der Rhein ist wieder so sauber, dass es für die Eisbildung reicht, wenn mehrere Monate lang Temperaturen unter null Grad herrschen", sagt Prof. Josef Klostermann, Leiter des Geologischen Dienstes NRW, der besagten Aufsatz gemeinsam mit dem Verleger Stefan Kronsbein geschrieben hat.

Derartige Temperaturen gab es insbesondere in der Kleinen Eiszeit zwischen 1420 und 1850, auf die sich Klostermann, der auch Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins Krefeld ist, und Kronsbein in dem Aufsatz konzentrieren. Solche Kleinen Eiszeiten herrschen, wenn die mitteleuropäische Jahresdurchschnittstemperatur von neun Grad Celsius über einen längeren Zeitraum um nur 0,7 Grad sinkt. Das ist in der seit rund 10 000 Jahren herrschenden Warmzeit mehrmals geschehen. Die Folgen waren auch in unserer Region verheerende Eisgänge und Hochwässer, die auch Menschenleben kosteten. Ein Beispiel ist der Uerdinger Eisgang von 1784, der in einem Gemälde festgehalten ist, das heute im Uerdinger Heimatmuseum zu besichtigen ist.

Bei einem Eisgang bleiben Eisschollen in Flachuferbereichen hängen und verdichten sich nach und nach zu Barrieren, so dass sich das nachfließende Wasser staut, bis es sich einen neuen Weg sucht und so das Umland überschwemmt - wenn nicht vorher unter dem Druck die Eisbarriere bricht. In diesem Zusammenhang zeigt Klostermann eine Karte, auf der die früheren Wasserläufe des Rheins mit dazugehöriger Jahreszahl verzeichnet sind.

"Wir hatten gedacht, dass Eisgänge in den Kleinen Eiszeiten häufiger auftreten als sonst. Das ist aber nicht der Fall. Auch nach 1850 kamen sie noch relativ häufig vor. Wir müssen aber noch erforschen, warum das so ist", sagt Klostermann. Es könne sein, dass das auch mit dem vermehrten Auftreten von Sonnenflecken zusammenhängt.

Der 17 Seiten umfassende Aufsatz basiert zu großen Teilen auf knapp 3000 Belegen über klimatische Beobachtungen, die Kronsbein aus alten Büchern und auch Zeitschriften für die Zeit zwischen 800 und 1850 zusammengetragen hat, rund 1000 davon zu Eisgängen und Hochwässern. Erst nach dem Erscheinen des eingangs genannten Buchs, das er gemeinsam mit Margareta Siepen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum Burg Linn, herausgegeben hat, ist Kronsbein auf einen bemerkenwerten Hinweis gestoßen: Den letzten Sommer-Nachtfrost am Niederrhein hat es am 14. Juli 1800 in Holtheide bei Wachtendonk gegeben. Dabei war dem Hinweis gemäß der Buchweizen kaputtgefroren. Seit 1850, also dem Ende der Kleinen Eiszeit, hat es zwischen Juni und August am Niederrhein keinen Nachtfrost mehr gegeben.

(RP)
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