Krefeld Eltern kämpfen um Pflege für Sarah

Krefeld · Für die Familie Müller hat das neue Jahr mit bangem Warten begonnen. Sie kämpfen für ihre schwerstbehinderte neunjährige Tochter seit anderthalb Jahren um eine Erhöhung der häuslichen Krankenpflege.

 Dirk Müller und Anisa Boukhou-Müller mit ihrer neunjährigen Tochter Sarah und Pflegeberaterin Annette Boy (v.l.). Das Sauerstoffgerät ist ein ständiger Begleiter des kleinen Mädchens.

Dirk Müller und Anisa Boukhou-Müller mit ihrer neunjährigen Tochter Sarah und Pflegeberaterin Annette Boy (v.l.). Das Sauerstoffgerät ist ein ständiger Begleiter des kleinen Mädchens.

Foto: Thomas Lammertz

Wenn Sarah entspannt lächelt und sie sich sichtlich wohl fühlt, dann leuchten auch die Augen von Dirk Müller und Anisa Boukhou-Müller. Es sind Momente, in denen die täglichen Ängste und Sorgen um die neunjährige Tochter vergessen sind. Sarah ist körperlich und geistig behindert. Sie leidet seit ihrer Geburt an einer seltenen Stoffwechselerkrankung, die unter anderem mit einer Muskelschwäche, epileptischen Anfällen und Atemaussetzern einhergeht. Sie ist nicht nur auf den Rollstuhl angewiesen, sondern benötigt eine Rundumbetreuung. Das Sauerstoffgerät ist ein ständiger Begleiter und das kleine Mädchen muss regelmäßig abgesaugt werden.

Seit Jahren greift die Familie daher auf die häusliche Krankenpflege zurück. "Wir haben uns dabei für die Variante eines persönlichen Budgets entschieden", informiert Boukhou-Müller. Das heißt, sie bekommen keine Leistung an sich, sondern erhalten für ein vorgegebenes tägliches Stundenkontingent eine festgelegte Summe pro Monat. Sie können entsprechendes Fachpersonal selber aussuchen und mit diesem Geld bezahlen. Für diese häusliche Krankenpflege als spezielle Krankenbeobachtung im Rahmen eines persönlichen Budgets stehen elf Stunden am Tag zur Verfügung. Doch diese Stundenanzahl reicht nicht mehr aus. Seit sich Sarahs Gesundheitszustand vor anderthalb Jahren verschlechtert hat, versucht die Familie die täglichen Stunden von elf auf 20 zu erhöhen. Sarah in ein Kinderhospiz zu geben kommt für die Eltern nicht in Frage. Sie wollen ihrer kranken Tochter genauso wie ihren drei gesunden Kindern die Geborgenheit einer Familie geben. "Doch wir sind alle am Rand unserer Kräfte. Es ist nicht mehr leistbar. Durch die Verschlechterung des Gesundheitszustandes müssen wir auch nachts vermehrt in den Einsatz gehen. Wann ich eine Nacht durchgeschlafen habe, weiß ich nicht mehr. Wir müssen nachts absaugen und erleben Epilepsieanfälle", beschreibt Boukhou-Müller die Situation.

Vor anderthalb Jahren stellte das Ehepaar bei der Krankenkasse einen Antrag auf die Erhöhung der Krankenbeobachtung von elf auf 20 Stunden am Tag. Das heißt, Fachpersonal würde die Familie statt wie bisher elf Stunden am Tag dann über 20 Stunden unterstützten, was einen Teil der Nacht mit abdecken würde. Heute 18 Monate und sechs Gutachten später ist man keinen Schritt weiter gekommen. Vielmehr gab es noch einen heftigen Rückschlag. Am 25. September vergangenen Jahres fand bei der Familie vor Ort ein sogenanntes "Gespräch zu Bedarfsfeststellung" statt. Ein Teamleiter und eine weitere Mitarbeiterin der Barmer sowie die Pflegeberaterin Annette Boy als auch zwei Mitarbeiterinnen eines weiteren Unternehmens, das bundesweit beim persönlichen Budget berät und unterstützt, weilten vor Ort. "Bei diesem Gespräch gab uns der Teamleiter der Barmer eine mündliche Zusage für die gewünschte Erhöhung der Stundenzahl. Wir waren überglücklich", erinnert sich Boukhou-Müller. Sie kümmerte sich in Eigenregie um entsprechendes Fachpersonal und war mehr als nur froh, als sie dieses fand und auch Sarah auf die neuen zusätzlichen Personen positiv reagierte.

Doch rund eine Woche vor Weihnachten kam eine böse Überraschung. Die Familie erhielt einen Brief, in dem die Barmer davon sprach gegenwärtig noch keine Leistungsentscheidung treffen zu können und erneut der Medizinische Dienst der Krankenversicherung hinzugezogen werden sollte. "Wir waren wie vor den Kopf geschlagen", erzählt die Krefelderin. Auch Boy kann die Vorgehensweise nicht nachvollziehen. Sie spricht von einem traumatischen Erlebnis für die ganze Familie. "Wir sind der Willkür der Krankenkasse ausgesetzt. Wir fühlen uns als Spielball", sagt Boukhou-Müller. Eine Nachfrage bei der Barmer seitens unserer Redaktion wurde wie folgt beantwortet: "Eine mündliche Zusage, dass die beantragte Aufstockung des persönlichen Budgets auf 20 Stunden bewilligt würde, wurde zu keinem Zeitpunkt getroffen. Dies bestätigen beide bei dem Besuch anwesenden Mitarbeiter." Die Pressestelle der Krankenkasse informierte weiter, dass "eine ablehnende Entscheidung bis heute dennoch nicht getroffen wurde, um Familie Müller die Gelegenheit zu geben, uns insbesondere aussagekräftige Dokumentationen zur Verfügung zu stellen, um den tatsächlichen zeitlichen Bedarf der kontinuierlichen Krankenbeobachtung zu ermitteln". Für die Familie heißt dies weiter warten. Wobei die Barmer bis zum morgigen 10. Januar eine Entscheidung treffen will, wie sie Sarah Müller schriftlich mitteilte.

(RP)
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