Krefeld Ein Theater erfindet sich neu

Krefeld · Mit einem neuen Konzept öffnet das Theater hintenlinks am 10. März nach zweimonatiger Pause. Der Hinterhofcha-rakter soll betont werden. Die kleine Bühne stellt sich thematisch soziokulturell und "am Rand des Ruhrgebiets" auf.

 Industrie-Flair: Der alte Kachelfußboden ist freigelegt, die Türen zu den Toiletten und Garderoben sind mit Fotografien bedruckt.

Industrie-Flair: Der alte Kachelfußboden ist freigelegt, die Türen zu den Toiletten und Garderoben sind mit Fotografien bedruckt.

Foto: Thomas Lammertz

Klein zu sein, bedeutet nicht immer nur Schwäche. Wer im Haifischbecken mit den Größeren und Stärkeren nicht mitschwimmen will, kann leichter die Richtung ändern, weil kein großes Gefolge daran hängt. Deshalb haben sich Anuschka und Peter Gutowski entschlossen, ihr "Theater hintenlinks" (THL) einer gründlichen Revision zu unterziehen. "Wir wollen uns stärker von Stadttheater unterscheiden", sagt Peter Gutowski. Das Nicht-Anecken mit Unterhaltungsprogramm, das sei er nicht. So traut er sich mit Ende 50 und nach finanziell harten Zeiten zur Veränderung, wohl wissend, dass manches "sicher auch wehtut". Am 10. März startet in der ehemaligen Brotfabrik Im Brahm an der Ritterstraße die neue Zeitrechnung mit einem "Happening" unter dem Titel "Das Theater ist tot! - Es lebe das Theater!". Ein Neuanfang nach zwei Monaten Pause.

 Noch ist alles auf Umbau eingestellt in der alten Brotfabrik. Am 10. März ist die Eröffnung mit einem Theaterhappening.

Noch ist alles auf Umbau eingestellt in der alten Brotfabrik. Am 10. März ist die Eröffnung mit einem Theaterhappening.

Foto: Lammertz Thomas

50 Statisten - vom Flüchtling bis zum Rentner -, darunter 19 Schüler der Gesamtschule Uerdingen, mit denen das THL eine Kooperation verbindet, werden das Ensemble "bei seiner bitterbösen Betrachtung des landläufigen Kulturbetriebs" verstärken, formuliert es Gutowski. Viel mehr will er nicht verraten - nur, dass er einen Satz des Philosophen Theodor W. Adorno doppelt unterstreiche: "Aufgabe von Kunst heute ist es, Chaos in die Ordnung zu bringen."

Als "Die Komödianten" hat die Geschichte des kleinen Theaters vor mehr als einem Vierteljahrhundert begonnen. Man hat in Bunkern und auf wechselnden Bühnen gespielt und viele Sommer lang auch im Zelt im Stadtwald. Vor zwölf Jahren sind Peter und Anuschka Gutowski als "Theater hintenlinks" in die ehemalige Brotfabrik gezogen. Jetzt ist es wieder Zeit für Veränderung. Der Name bleibt diesmal, erhält aber eine Ergänzung: "das Hinterhoftheater am Rande des Ruhrgebiets". Und das ist Programm: "Niederrhein steht für Landschaft und Ländlichkeit. Das Ruhrgebiet ist ein bisschen schmuddeliger", sagt Anuschka Gutowski. Aber wichtiger sei ihnen der "Rand" als Attribut. "Wir wollen und können den Mainstream nicht bedienen. Es ist ein Bekenntnis, dass wir dahin gucken, wo man sonst vielleicht nicht so gerne hinschaut, und die Komfortzone verlassen. Wir möchten aber auch mehr Publikum aus dem Raum Duisburg und Ruhrgebiet erreichen", betont der Theaterleiter.

Diese Orientierung findet sich im Programm. Künftig werden Schwerpunkt-Themen gesetzt: Krieg und Vertreibung, aber auch Arbeitswelten. Zu diesen Schwerpunkten wird es nicht nur theatrale Auseinandersetzungen geben, sondern auch Kino- und Dokumentarfilme, Lesungen und Gespräche. Mit "Maikäfer, flieg!" im Kinder- und Jugendkino geht das Programm am 14. März los. Für Erwachsene zeigt das THL am 21. März Charlie Chaplins Filmklassiker "Moderne Zeiten" von 1936. Noch älter ist die Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt in "Tagebuch eines Wahnsinnigen", das Nikolai Gogol 1835 schrieb. Es ist die erste Eigenproduktion für das neuausgerichtete Theater und hat am 20. April Premiere.

Wie aus einem Baukasten können die Zuschauer sich so ihre eigenen Reihen und Kombinationen zum Thema zusammenstellen, das ist die Idee, die mit jeweils eigenen Programmflyern von "Unsere Highlights" bis "Junges Theater" unterstützt wird. Auf der neu gestalteten Homepage gibt es den Überblick.

Mit dem satirischen Weihnachtsstück "Hilde, der Baum brennt" haben die Gutowskis im vergangenen Dezember einen Publikums- und Kassenerfolg gelandet. "Das werden wir sicher wieder aufnehmen". Auch Revuen gibt es - aber als Wunschprogramm, das für Geburtstage und Feiern buchbar ist.

Damit die Neuausrichtung auch sichtbar wird, bekommt das Theater mit überdimensionalen Fotografien und Metallregalen im Used-Look industriellen Charme. Im Zuschauerraum ist ein Teil des früheren Kachelbodens wieder freigelegt worden. "Man soll schon beim Hereinkommen den Hinterhofgedanken spüren", sagt Gutowski.

Programminfos unter: www.theaterhintenlinks.de

(RP)
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