Serie: "Im Märzen der Bauer" Ein Tag in einem Krefelder Kuhstall

Krefeld · Seit März berichten wir einmal im Monat aus dem Alltag und der Wirtschaft der Höfe in Krefeld - diesmal aus Hüls. Die Kühe, die dort leben, geben rund 30 Liter Milch pro Tag, die man auch an einer Milchtankstelle auf dem Hof zapfen kann.

Mikrokosmos Kuhstall
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Mikrokosmos Kuhstall

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Foto: Thomas Lammertz

Vorn rechts im Kuhstall ist die Wellnessgruppe. Kühe, die frisch gekalbt haben, können sich dort von den Strapazen der Geburt erholen. Die Zone ist ein Tiefstrohbereich mit einer 20 Zentimeter dicken Strohschicht; es gibt Liegeplätze, die die Kühe, wenn sie sich niederlassen, über raffiniert gebogene Bügel so lenken, dass die Hinterteile in Gangnähe zur Ruhe kommen und Kuhfladen nicht ins saubere Stroh fallen. Spätestens wenn man die Biegung der Bügel nachvollzieht, versteht man: Ein Kuhstall ist eine Welt für sich.

Die Kühe, die hier leben, geben im Schnitt 30 Liter Milch pro Tag. Das, was nach alter Väter Sitte Stall heißt, ist ein Mikrokosmos, der perfekt abgestimmt ist auf das Leben der Tiere. "Eine Kuh braucht Routine", sagt Peter Geurden, "man muss sie pünktlich melken, pünktlich füttern und kontinuierlich mit ihr arbeiten." Abweichungen von den Abläufen bereiten Kühen Stress, und Stress ist nicht gut.

Peter Geurden ist 28 Jahre alt; er leitet mit seinem Bruder Toni (30) Gut Steuwen in Hüls am Boomdyk 69. Toni verantwortet den Ackerbereich, Peter das Milchvieh. Der Kuhstall misst 80 mal 35 Meter und ist Heimat für rund 280 Kühe. Der Stall ist relativ neu und in vielen Details eine Eigenentwicklung. "Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Architekten Musterpläne aus der Schublade ziehen", sagt Peter Geurden. Jeder Kuhstall ist anders.

Die Geurdens haben einen "offenen Boxenlaufstall"; offen, weil er nach allen Seiten hin geöffnet werden kann - mit Anbindung an eine Weide. Eine Besonderheit ist die Dachkonstruktion. "Die Dächer haben üblicherweise nur einen schmalen Schlitz im Dachfirst", sagt Geurden, "im Sommer kann die nach oben drängende Luft nicht richtig entweichen und sinkt wieder auf die Kühe herab." Und das ist nicht gut für ihr Wohlbefinden; frische Luft bekommt Tieren wie Menschen besser. Geurdens Lösung: Der Schlitz ist viel breiter; darunter verläuft ein Steg, der Regen auffängt.

Das Thema Wohlbefinden der Tiere zieht sich wie ein roter Faden durch das Gespräch mit Geurden. Er sei, berichtet er, regelmäßig zwischen den Kühen unterwegs, um zu sehen, wie es ihnen geht. Stressvermeidung, Ruhe, Regeln: Der Umgang mit den Kühen ist behutsam, weil der Mensch verstanden hat, dass es sensible Tiere sind. Niemand brüllt, niemand schubst, niemand schlägt. Es gibt regelrechte Kuhflüsterer, die bei Seminaren über den richtigen Umgang mit Kühen informieren - keine Esoteriker, sondern Verhaltensforscher, so wie ja auch Peter Geurden ständig seine Tiere beobachtet, um zu erkunden, was ihnen behagt. Ein Beispiel: Melkanlagen sind heute rund - gern Kuhkarussells genannt - , weil sich herausgestellt hat, dass Kühe lieber im Bogen als geradeaus laufen.

Geurden hat auch erkannt, dass die Tiere die Weide keineswegs dem Stall vorziehen. Anfangs hat er seinen Kühen die Wahl zwischen Wiese und Stall gelassen. Ergebnis: "Die meisten Tiere zogen es vor, im Stall zu bleiben", geschützt vor Wind und Wetter. Und der Stall bietet auch Raum zum Auslauf, denn die Kühe können sich zwischen Futter-, Wasser- und Liegestätten frei bewegen. "Man holt die Wiese in den Stall", sagt Geurden dazu. So grasen zurzeit nur ein paar Kühe auf der Weide - "Schwangerschaftsurlaub", sagt Geurden. Gemeint ist, was im Fachjargon "Trockenstehzeit" vor der Geburt genannt wird. Die trächtigen Kühe werden separiert; so können sie bis zur Geburt ihre Milchzellen regenerieren. Zudem werden sie sechs Wochen davor nicht gemolken.

Im Stall gibt es neben dem Wellnessbereich Zonen für eine Hoch- und eine Niedrigleistungsgruppe der Kühe - je nach Milchproduktion. Die Trennung sei sinnvoll, um die Fütterung besser auf die Tiere einstellen zu können, sagt Geurden.

Der Stallboden ist nur in einem sehr kleinen Bereich ein Spaltboden, wo Mist gleich durchfällt. Im weitaus größten Bereich ist der Boden geschlossen - "die Tiere fühlen sich darauf wohler", sagt Geurden. Dreimal täglich werden die Kühe gemolken - dann werden die Gänge gesäubert.

Ganz vorn links ist die Melkanlage; ein Rundbau mit einem Gewirr aus Gestänge, Behältern und Schläuchen. Der Boden im Innern ist abgesenkt, so dass der Melker mit dem Kopf in Höhe des Euters steht. Die Kühe selbst werden auf einem schmalen Rundsteg bis zu den Melkplätzen gelenkt und geleitet. "Die Tiere kennen die Prozedur und stehen ganz ruhig", berichtet Geurden.

Zu den Hightech-Raffinessen im Stall gehört ein Ding, das den Tieren um den Hals hängt und zunächst blaues Bömmelchen heißt. Gemeint ist ein Transponder, ein Mikrochip, der alle Informationen über das Tier sammelt - etwa wie viel Milch eine Kuh gibt. Weicht der Wert stark vom Durchschnitt ab, kann das ein Hinweis auf ein gesundheitliches Problem sein. Geurden kann ein solches Tier dann per Computerbefehl über ein Schleusensystem in einen Selektionsbereich lenken. Diese Zone dient dazu, Kühe zu befruchten, zu untersuchen und zu pflegen - etwa bei der Klauenpflege. 80 Prozent der Kühe werden übrigens künstlich besamt. "Es gibt Tiere, die kriegst du künstlich nicht befruchtet. Das schafft dann der Bulle", sagt Geurden. Es gibt eben Situationen, da hilft kein blaues Bömmelchen mehr, da muss die Natur ran . . .

(RP)
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