Krefeld Ein Ratgeber für Lehrer: "Unterrichten Sie sich glücklich!"

Krefeld · Die CDU-Politikerin und Lehrerin Simone Roemer hat ein sympathisches Buch geschrieben, das man leicht verreißen und über das man lange streiten kann. Eine skeptische Lese-Empfehlung.

 Buch-Cover von Simone Roemer: Unterrichten Sie sich glücklich, Beltz-Verlag, 175 Seiten, 19,95 Euro.

Buch-Cover von Simone Roemer: Unterrichten Sie sich glücklich, Beltz-Verlag, 175 Seiten, 19,95 Euro.

Foto: Beltz-Verlag

Es wäre leicht, einen Verriss zu schreiben. Es gibt Sätze in diesem Buch, die klingen so sehr nach Großstadt-Schamanentum, dass es schwerfällt, nicht das satirische Hackebeil 'rauszuholen. "Der Wald fegt die Sorgen aus dem Kopf", heißt es etwa, "und sollten Sie einen Impuls spüren, diesen Baum zu umarmen - tun Sie es! Halten Sie sich fest an seiner Stärke. Das ist Energie pur." So lautet eine Empfehlung für Lehrer, die gebeutelt sind von ihrem Beruf. Überschrift des Kapitels: Mein Freund, der Wald. Alexandra lässt grüßen, nur dass ihre Liebe zu Freund Baum entgrenzt ist: Seid umschlungen, Millionen! Bäume, versteht sich.

Es gibt Dutzende solcher Sätze in dem Buch von der Krefelder CDU-Politikerin und Lehrerin Simone Roemer, das sich unter dem Titel "Unterrichten Sie sich glücklich! Mit Herz und Begeisterung in den Schulalltag" anschickt, Lehrern Lebenshilfe zu geben. Das Buch hat das Zeug zum Erfolg, weil es gegen den Strich gebürstet ist: Roemer will erklärtermaßen den Fokus auf das Beglückende am Lehrerberuf lenken, und davon gibt es ja auch reichlich.

 Simone Roemer.

Simone Roemer.

Foto: T. L.

Sie habe, berichtet Roemer, dem Beltz-Verlag ein Konzept geschickt und zu ihrer Überraschung innerhalb von drei Tagen die Zusage für die Veröffentlichung bekommen. Aus gutem Grund: Das Buch hat den Mut zur Antithese gegen den Mainstream, und in dem hängen nun mal zurzeit vor allem Tristesse-Gemälde über verhaltensauffällige Schüler, überfordert Lehrer und eine Schulpolitik, die sonntags schöne Reden hält und alltags die Schulen im Stich lässt. Aber wie das so ist mit beherzten Antithesen: Sie sind Gratwanderungen. Das Ausrufungszeichen im Titel ist wie ein Fanal: Roemer pflegt den Appell. Doch das, was Mut machen soll, klingt oft genug nach Befehl oder wie ein rührend hilfloser Einspruch gegen eine übermächtige Realität. "Richten Sie sich zunächst mental wieder auf", heißt es einmal. So ein Wort klingt schnell zynisch. Du bist verzweifelt? Komm schon, richte dich mental auf. Für Leute in tiefer Not ist das ein Nullsatz.

Doch dieses Buch hat sympathische und ernsthafte Kerne, die man nicht einfach vom Tisch wischen mag. Roemer beschreibt kundig die Nöte von Lehrern und lässt ahnen, wie groß die Belastungen in diesem Beruf sind. Immer wieder finden sich wache Beobachtungen, wie sie nur Leute aus dem Inneren eines Maschinenraums machen: Etwa der Hinweis, dass es in der Kultusbürokratie den unguten Zug zur Zentralisierung gibt. Vor einigen Jahren noch sollten Schulen in mehr Selbstständigkeit entlassen werden - alles Schall und Rauch. Der Untertanenstaat feiert ausgerechnet im Schulbereich fröhliche Urständ.

Deutschland, beklagt Roemer weiter, konzentriere sich zu sehr auf Lehrpläne "und vergisst darüber die Lehrer"; Lehrer, betont sie, seien die "Nahtstelle zur Leistung". Das klingt nur nach Binsenweisheit, das sagen Fachleute immer wieder: Auf den Lehrer kommt es an. Deutsche Bildungspolitik aber verkämpft sich bis heute gern in Strukturdebatten. In solchen Punkten ist Roemer ein unbestechlicher Zeitzeuge.

Sympathisch ist auch, dass sie ernsthaft den Versuch unternimmt, konkrete Hilfen für Leute zu geben, deren berufliches Leben aus dem Ruder läuft. Und da möchte man dann genauso ernsthaft mit der Autorin diskutieren. Die zentrale Frage ist, ob der im Titel formulierte Anspruch, glücklich im Beruf zu werden, nicht eine neue, große Überforderung darstellt. "Wir müssen einzigartig sein!", heißt es einmal. Diese Rhetorik des Ausrufungszeichens hat manchmal etwas von Peitschenhieben: Was, wenn man nur ein gewöhnlicher Lehrer ist, der einfach einen ordentlichen Job macht?

Manche Passagen lesen sich, als müsse Unterricht eine psychedelische Vereinigung von Lehrern und Schülern hinkriegen: Wenn vom "inneren Licht" des Lehrers die Rede ist oder der Rat erfolgt: "Lassen Sie das Glück wie eine Hintergrundmusik im Unterricht laufen." Diese Glücksrhetorik ist nachgerade gefährlich: Glück kann niemand laufen lassen wie ein Zirkuspferdchen. Das Ansinnen überfordert alle: Lehrer und Schüler und den Unterricht, der wesentlich davon lebt, dass eine Gruppe sich darauf einigt, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Ich-fixierte Glückssucher stören da rasch. Und wo sie unterwegs sind, sind auch Verletzungen nicht weit und vor allem tief. Dieses Glücksansinnen überrascht bei Roemer auch deshalb, weil sie an anderer Stelle sehr wohl für professionelle Distanz plädiert. "Ich finde es in Ordnung, wenn ein Lehrer sich nicht ständig pur präsentiert; wenn er vor dem Eintreten in die Klasse in eine Lehrerrolle schlüpft", schreibt sie auch. Man möchte zuspitzen: Ja was denn sonst? Ein Lehrer pur, mit all seinen Glücks-Turbulenzen, seinen innersten Problemen, seinen Lebensängsten und Hoffnungen wäre ein Schock für die Schüler. Muss, darf man sich im Kontext Schule so eng auf die Pelle rücken? Die Fähigkeit zur Distanz (auch von sich selbst) kann wohltuend und befreiend sein, ja Bedingung für sachgerechte Zusammenarbeit. Denn darum geht es wohl auch wesentlich bei diesem Projekt Schule.

Trotz aller Skepsis sei der Band jedem zur Lektüre empfohlen, der sich mit Schule auseinandersetzt. Das warme Herz des Buches ist der schöne Versuch, an Würde, Größe und Glücksmomente im Lehrerberuf zu erinnern. Vielleicht ist es an der Zeit, daran zu erinnern - und darin liegt die tiefe Berechtigung dieses Bandes.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort