Krefeld Ein Pianola fürs Linner Jagdschlösschen

Krefeld · Bürgerschaftliches Engagement brachte ein wertvolles Pianola der Linner Musikinstrumentensammlung wieder zum Erklingen. Nun soll die bekannte Sammlung wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

 Das Pianola von 1928 klingt wieder wie neu. Christoph Dautermann (2.v.r.) vom Museum Burg Linn, freut sich, dass viele Helfer das ermöglicht haben: (v.l.) Nachtwächter Peter Beurskens, Restaurator Jörg Borchardt und Heide Gerritzen, Vorsitzende des Vereins Freunde der Museen Burg Linn.

Das Pianola von 1928 klingt wieder wie neu. Christoph Dautermann (2.v.r.) vom Museum Burg Linn, freut sich, dass viele Helfer das ermöglicht haben: (v.l.) Nachtwächter Peter Beurskens, Restaurator Jörg Borchardt und Heide Gerritzen, Vorsitzende des Vereins Freunde der Museen Burg Linn.

Foto: TL

Die Abdeckungen des 1928 von dem renommierten Braunschweiger Piano-Hersteller Zeitter & Winkelmann hergestellten Pianola mit Selbstspieleinrichtung sind abgebaut. Der Blick kann ungehindert auf die restaurierte Technik fallen. Denn auf das Schätzchen, das jetzt im Linner Jagdschloss präsentiert wird, ist man sichtlich stolz: ein wertvolles Pianola, frisch restauriert.

"Mit den Fußtasten wird ein Vakuum erzeugt, das die Tonfolge auf der papiernen Notenrolle antreibt. Der im deutschen Sprachraum verbreitete Begriff "Elektrisches Klavier" ist falsch; es gibt keinen Elektromotor", erklärt Restaurator Jörg Borchardt. Dann setzte er sich vor die Tastatur und stellt die Schiebehebel für Vor- und Rückwärtslauf der Papierrolle, langsames und schnelles Spiel und Lautstärke ein. Zuletzt fädelt er die gelochte Notenrolle ein und führt sie über die glänzende Messingwalze. Erst nach einigen Vorbereitungen kann ein Pianolist mit dem Spiel beginnen. "Ein langes Loch bedeutet, dass der Ton gehalten wird, ein kurzes Loch tippt den Ton nur an", sagt Borchardt. Durch emsiges Pumpen der breiten Fußtasten erzeugt er den Antriebsunterdruck, dann füllt George Gershwins "I got Rhythm" volltönend den ehemaligen Verwaltungsraum im Jagdschloss des Linner Museums, in dem die Musikinstrumentensammlung behelfsweise untergebracht ist, bis sie wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.

Die aufwändige Restaurierung des Pianolas ist ein wichtiger Schritt dahin. "Leider hat man damals nicht servicefreundlich gebaut", kritisiert der Restaurator. In achtwöchiger Arbeit hat er in seiner Rüdesheimer Werkstatt alle aus Naturstoff gefertigten Teile wie Dichtungen und Bälge erneuert, ebenso die verhärteten Lederdichtungen unter den Verschraubungen. Die Arbeit habe sich gelohnt, schließlich könne das unverbastelte Instrument die kommenden 40 Jahre locker überstehen und könne bei entsprechender Pflege dann weitere 40 Jahre altern.

Heinz-Peter Beurskens spendet die Einkünfte seiner nächtlichen Einsätze als Linner Nachtwächter regelmäßig den Linner Kindergärten und dem Verein der Freunde der Museen Burg Linn. Zu den von ihm gespendeten 4000 Euro griff Dörte Lorenz, Schatzmeisterin der Museumsfreunde, noch mal tief in die Kasse und legte den Rest der Restaurierungskosten dazu. Gemeinsam will man in den kommenden Jahren weitere Instrumente der Linner Sammlung wieder funktionstüchtig machen.

So schnell der Aufstieg der Pianolas im vorletzten Jahrhundert erfolgte, so rasant endete auch deren Ära. Es dauerte zwar einige Zeit, bis die Schallplatte die Qualität erreicht hatte, die Musikgenuss ohne störende Nebengeräusche ermöglichte, dann jedoch verbreiteten sich deren Abspielgeräte in großer Zahl in den wohlhabenden Haushalten, die zuvor Pianolas bevorzugt hatten. Viele Pianolas wurden abgewrackt, indem die Pneumatik zugunsten der reinen Klaviertechnik entfernt wurde. Diese Entwicklung wurde beschleunigt, als sich Mitte der 1920er Jahre der Rundfunk stark ausbreitete. Die beiden weltgrößten Pianola-Hersteller, die New Yorker Aeolian Company und die Leipziger Ludwig Hupfeld AG konnten nur durch die Herstellung anderer Produkte wie Kinderwagen den Untergang abwenden. Im Zweiten Weltkrieg wurden Pianolas wegen der in ihnen verbauten kriegswichtigen Metalle ausgeschlachtet.

Mit dem Einzug der Elektronik sei das Interesse an den Pianolas wieder erwacht und es habe sich eine kleine, eng vernetzte Sammlerszene gebildet, sagt Rainer Scharl von der privaten Musikinstrumentensammlung Jakobi in Köln. Besucher seien am technikgeschichtlichen Kontext interessiert und würden bei Vorführungen das Zusammenspiel von Antrieb, Programmierung und Erzeugen der Melodie eines Pianolas intensiv verfolgen. Scharl berät die Krefelder Instrumentensammlung und wird auch die Schulung der Ehrenamtler übernehmen, die demnächst an Sonntagen so wie früher die Instrumente vorführen sollen.

"Wer Spaß an dieser interessanten Aufgabe findet, sollte sich in den nächsten Wochen an das Museum Burg Linn wenden", lädt der stellvertretende Museumschef Christoph Dautermann ein. Kontakt: Telefon 02151 155390.

(RP)
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