Krefeld Ein Menschenfreund in der Kulturfabrik

Krefeld · Die erste Show des Jahres widmet Bernhard Hoëcker den Krefeldern. "So liegen sie richtig falsch" hält ihnen den Spiegel vor. Irrgänge des menschlichen Gehirns enttarnt er wie die Vorlieben seiner Gäste - und nutzt dabei modernste Technik.

 Ganz in seinem Element: Comedian Bernhard Hoëcker erklärt den Krefeldern, warum das Denken für Probleme bei der Kommunikation sorgen kann. Ohne die Zuschauer gründlich über ihre Gewohnheiten zu löchern, ging er am Donnerstag allerdings nicht nach Hause.

Ganz in seinem Element: Comedian Bernhard Hoëcker erklärt den Krefeldern, warum das Denken für Probleme bei der Kommunikation sorgen kann. Ohne die Zuschauer gründlich über ihre Gewohnheiten zu löchern, ging er am Donnerstag allerdings nicht nach Hause.

Foto: Lammertz

Da ist es wieder. Dieses laute Lachen. Aah-hah-hah! Bernhard Hoëcker hat in der ersten Reihe etwas entdeckt, was ihn so richtig amüsiert. Es sei sein erster Arbeitstag im neuen Jahr, was denn die Zuschauer beruflich machen, will er wissen. Es melden sich ein Altenpfleger aus der Psychiatrie, ein Ergotherapeut und ein Gynäkologe. "Moment, ist hier nebenan eine Klinik?", fragt Hoëcker und schaut dann den Mann aus der Psychiatrie an. "Oder sind das alles etwas deine Leute und die denken nur sie wären ...?". Hoëcker braucht gar nicht weiter sprechen. Die Kulturfabrik grölt bereits. Und er dann auch. Aah-hah-hah!

Eigentlich gehört es zum schlechten Ton, über seine eigenen Späße zu lachen. Es wirkt so, als wolle man dem Publikum direkt vor dem Witz noch einen Schubs verpassen. Achtung, jetzt wird's lustig! Doch nicht so bei Bernhard Hoëcker. Es macht ihn irgendwie sympathisch, den Mann, der sich mit zwei Punkten auf dem e schreibt, damit niemand auf die Idee kommt, man spreche den Namen wie den Fettspeicher eines Kamels aus. Was anderswo als Besserwisserei verstanden werden könnte, funktioniert bei Hoëcker - ausgesprochen gut sogar.

Das mag daran liegen, dass der fast ausverkaufte Saal in der Kulturfabrik am Donnerstagabend gemerkt hat: Der quierlige Kerl ist einfach so. Er verstellt sich nicht, spielt keine aufgesetzte Rolle, sondern zieht das Publikum mit einer Wesensart auf seine Seite, die einige andere deutschen Comedians vermissen lassen: Authentizität. Das half ihm auch schon an anderer Stelle, etwa bei der Sat1-Show "Genial daneben", oder dem Parodie-Format "Switch" auf ProSieben, wo er jahrelang erfolgreich in der ersten Comedy-Reihe mitspielte. Obwohl sich Hoëcker in der Kulturfabrik mit einem Programm, das er schon seit 2015 aufführt, auf die Bühne traute, ist seine erste Show des Jahres ein komödiantischer Hochgenuss. "So liegen Sie richtig falsch" ist keine Performance, die der Kapuzenpulli-Mann in Krefeld genauso runter spielt, als sei er in Paderborn oder Berlin. Ungewöhnlich oft sind die Seidenstadt und ihre Bewohner Thema, es geht um die Bauarbeiten am Krefelder Bahnhof, Einkaufen in der Innenstadt, Burg Linn, und warum man bei den Nachbarn in Düsseldorf besonders gut Tauchen kann. Immer wieder spricht Hoëcker die Zuschauer direkt an, fragt nach Hobbys und Berufen, will aber auch wissen, welche Toilette sie in der Pause am liebsten benutzen (vorne, mitte oder hinten), oder ob sie das Gefühl haben, in Krefelder Supermärkten besonders lang an der Kasse zu stehen.

Für letzteres - und das ist wirklich als Innovation zu loben - nutzt der 47-Jährige seine eigene Internetseite, um die Gäste über ihre Gewohnheiten auszufragen. Mit einem Code war es möglich, per Smartphone auf bernhardfragt.de Auskunft über Toilettennutzung und Taktiken zum Schnürsenkelbinden zu geben. Die Ergebnisse projizierte Hoëcker direkt auf Leinwand und erklärte daran die Tücken des menschlichen Gehirns: Weil eben alle denken, die hintere Toilette müsse die sauberste sein, sei sie am Ende doch die dreckigste von allen. Lachen und dabei noch etwas über sich und die Mitmenschen lernen - die hoëckersche Methode ging auf. Zuweilen waren einige Pointen aber doch zu sperrig, zu wissenschaftlich und gingen zu wenig über zu oft gehörte Probleme zwischen Männern und Frauen hinaus. Wenn Hoëcker mit einem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun - mal wieder - nur darauf hinaus will, dass Frau nie versteht, was Mann eigentlich will, waren viele Reihen wie auf stumm geschaltet. Am Ende spielte das allerdings keine Rolle. Über zwei Stunden hörten die Krefelder viel Aah-hah-hah!, aber immer auch sich selbst lachen, zum Teil über das eigene unbedachte Verhalten. Und Hoëcker? Er, der bodenständige Analyst, schafft es wie kaum ein anderer, intelligente Gags zu zünden, die jeden mitnehmen.

(atrie)
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