Heiligabend Friedensstifter Durch Gewalt Frieden stiften

Krefeld · Manchmal geht es nicht anders: Jörg Grothus, Polizei-Experte für Kriminalprävention, berichtet über die Grenzen der Friedfertigkeit.

 Jörg Grothus ist seit 17 Jahren bei der Krefelder Polizei, momentan im Bereich Kriminalprävention. Für ihn sind Polizisten "Friedensstifter".

Jörg Grothus ist seit 17 Jahren bei der Krefelder Polizei, momentan im Bereich Kriminalprävention. Für ihn sind Polizisten "Friedensstifter".

Foto: Lammertz

Wer in seinem Leben schon mit der Polizei zu tun hatte, verbindet damit nicht zwingend den Gedanken an Frieden. Wenn die Beamten beispielsweise das eigene Auto nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhalten, ist das eher ein Grund zum Ärgern anstatt für friedliche Entspannung. "Unser Handeln dient aber immer dem Schutz aller, auch wenn der Einzelne das vielleicht nicht als 'Frieden' empfindet", sagt Jörg Grothus von der Kriminalprävention. Dabei gelten für die Beamten nicht die gleichen Regeln wie für andere "Friedensstifter". "Der Spruch 'Gewalt ist keine Lösung' gilt für uns Polizisten nicht immer", sagt Grothus.

Mit dieser Aussage will der erfahrene Beamte keinesfalls unverhältnismäßige Polizei-Gewalt gutheißen. "Manchmal muss man aber auch durch Gewalt Frieden stiften - natürlich nur auf Grundlage der Gesetze", erklärt Grothus. Das Wort sei zwar "die wichtigste Waffe eines Polizisten", dieses reiche auf der "Friedensmission" der Beamten nur leider nicht immer aus. Für den Experten passt der Begriff "Friedensstifter"allerdings trotzdem sehr gut zum Alltag der 520 Krefelder Polizisten: "Jeder Kollege trägt mit seinem Einsatz zu einem friedlichen Miteinander bei."

Ein Beispiel: Polizisten werden zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen, bei der ein Partner den anderen körperlich bedroht oder sogar verletzt hat. "Die zuständigen Kollegen nehmen sich der Sache erst einmal neutral und unvoreingenommen an. Diese Professionalität ist wichtig, denn nicht immer ist die Situation so, wie sie sich im ersten Moment darstellt", sagt Polizeisprecherin Karin Kretzer. "Wir halten also zunächst Abstand und versuchen die Lage durch Kommunikation zu deeskalieren", pflichtet ihr Grothus bei.

Um selbst Respekt einzufordern, verhalten sich die Polizisten angemessen und achten gegenüber aufgebrachten Menschen auf die eigene Gestik, Mimik und Stimmlage, um zu beruhigen. "Diese Kommunikationstechniken sind ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Schon beim Einstellungstest müssen Bewerber ein Konfliktgespräch führen", erklärt Kretzer.

Das Problem an Einsätzen im häuslichen Umfeld sei, dass die Menschen ihren Emotionen dort eher freien Lauf lassen und es schneller zu Aggressionen kommt als etwa auf dem Polizeirevier. "Wenn das passiert, müssen wir natürlich auf unsere eigene Sicherheit und die aller Beteiligten achten", sagt Grothus. Das gehe in solchen Fällen nur durch konsequentes Handeln. "Man kann nicht jeden beruhigen", erklärt Grothus und ergänzt: "Wir müssen in solch einem Fall den 'Frieden' beziehungsweise die Sicherheit anderer über die des mutmaßlichen Verursachers stellen - zur Not auch körperlich". Solch eine gesetzlich legitime Intervention sei für die Polizei jedoch immer das letzte Mittel. Besser sei es, eine Situation ohne körperliche Konfrontation zu lösen.

Das versuchen die Beamten den Krefeldern durch verschiedene Angebote nahezubringen. Im Bereich Jugendschutz und Jugendkriminalität besuchen die Polizisten beispielsweise Schulen. "Dort fragen wir die Schüler immer, wer schon einmal eine Straftat begangen hat", erzählt Grothus. Meist meldet sich niemand. "Wenn man dann fragt, wer schon mal jemanden beleidigt oder vielleicht seine Geschwister geschlagen hat, gehen auf einmal die Arme hoch. Vielen ist gar nicht bewusst, was eine Straftat ist", berichtet Grothus.

Den Kindern, Jugendlichen, Lehrern und Eltern gibt Grothus vor allem eines mit auf den Weg, das seiner Erfahrung nach für alle Menschen gilt: "Beleidigungen sind die größte Ursache für Gewalt. Im Sinne eines friedlichen Miteinanders sollten wir alle darauf verzichten." Und wenn es doch einmal dazu kommt, dass man eine unflätige Bemerkung zu hören bekommt, empfiehlt der Experte, nicht drauf einzusteigen - sei es in der Schule, zu Hause oder im Straßenverkehr. "Nachgeben bedeutet nicht verlieren, wenn man dadurch für Frieden sorgen kann", sagt Grothus. Und im äußersten Fall gebe es immer noch eine letzte Lösung für das Problem: Ein Anruf bei der Polizei.

(kron)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort