Krefeld Düsteres Tanztheater irritiert Publikum

Krefeld · Mit einer ungewöhnlichen Produktion startete das Tanzfestival "tanz nrw 2015" jetzt den Krefelder Part in der Fabrik Heeder. Felix Bürkle zeigte das Zwei-Mann-Stück "You, the other", das Beziehungen und Beziehungslosigkeit thematisiert. Eine düstere Performance, die nicht nur das Publikum verstört, sondern mit ihrer Dramatik auch die Tänzer in höchster Anspannung hält.

 Völlig ungewöhnliche Sichtweisen verlangt Tänzer und Choreograf Felix Bürkle den Zuschauern ab in "You, The Other".

Völlig ungewöhnliche Sichtweisen verlangt Tänzer und Choreograf Felix Bürkle den Zuschauern ab in "You, The Other".

Foto: Oliver Look

Die Studiobühne 1 der Fabrik Heeder ist in schummriges Licht getaucht, die riesigen Bühnenlampen sind gedimmt. Nur ihr Summen ist zu hören, zu sehen sind zwei Tänzer, die sich scheinbar nicht bewegen. Die Stille, die scheinbare Regungslosigkeit - all das fühlt sich bedrückend an. Und dieses Gefühl wird auch nicht besser, als die Stille von lauten, unangenehmen Geräuschen unterbrochen wird und sich die Tänzer ein klein wenig mehr bewegen.

"Lassen Sie sich Raum für eigene Assoziationen, aber auch Irritationen", hatte Kulturdezernent Gregor Micus während seiner Eröffnungsrede zu tanz.nrw 15 dem Publikum empfohlen. Das biennale Festival für zeitgenössischen Tanz ist in neun Städten zu Gast, drei Produktionen und einige Extras machen in Krefeld Station. Das Krefelder Eröffnungsstück "You, The Other" des Düsseldorfers Felix Bürkle schöpfte den Raum für Irritationen der Zuschauer jedenfalls völlig aus. Was war auf der Bühne passiert?

Zwei Tänzer, Felix Bürkle - Choreograf und Tänzer - und Lihito Kamiya, tauchen hinab in eine Welt der Zwei- und Einsamkeit und der Begegnungen, die sie tänzerisch darstellen. Wie in Zeitlupe scheint Bürkle seinem Tanzpartner zuzuwinken, der will oder kann ihn nicht sehen und dreht sich, ohne eine Spur des Erkennens im Gesicht, von Bürkle weg.

Unterlegt sind die sparsamen Bewegungen nicht mit Musik, sondern mit einem statischen, rhythmischen Rauschen, das mal lauter und mal leiser wird.

Felix Bürkle hat eine Ausbildung am Lido Ecole de Cirque in Toulouse gemacht, danach studierte er Tanz an der Folkwang Universität der Künste. Das Stück "You, The Other" wurde in Münster uraufgeführt. Bürkle widmet sich darin der Frage, was Begegnungen eigentlich sind. Was macht eine Beziehung aus? Wann hinterlässt eine Begegnung Spuren? Eines haben die Begegnungen in dem Stück schon auf den ersten Blick gemeinsam - selbst wenn es die Protagonisten für einen begrenzten Zeitraum schaffen, sich miteinander harmonisch zu bewegen, sie trennen sich doch immer und immer wieder. Ob aus eigenem Antrieb oder von einem äußeren Einfluss geleitet.

Der gebürtige Freiburger hat eine unerwartete Sicht auf die Dinge, heißt es in der Beschreibung des Stückes. Unerwartet düster sollte dort vielleicht stehen - ein Dauerhaftigkeit verheißendes Happy End gibt es bei den Begegnungen nämlich scheinbar nicht. Und nicht nur das Publikum scheint verstört durch das fortwährende Drama. Auch die Tänzer können sich erst wenige Minuten nach dem Ende des Stücks wieder gelöst gegenseitig anlächeln.

Auch die Beziehung zum Publikum wird in "You, The Other" thematisiert. So werden die Zuschauer schon bald nach Beginn des Stückes von einer lauten Bass-Linie, passend zu einer abrupten Bewegung des Tänzers, erschüttert. Wahrscheinlich mittels einer Box unter der Tribüne, die die Sitz-Konstruktion zum Vibrieren bringt. Und auch ansonsten suchen die Tänzer den Blickkontakt mit den Zuschauern, was eher ungewöhnlich ist. Sie schauen jedoch nur, eine echte Verbindung zwischen einander entsteht scheinbar nicht.

Ungewöhnlich ist auch der Zugang, den Bürkle zum zeitgenössischen Tanz gefunden hat. Durch die Jonglage und Akrobatik kam er zum Tanz - jedoch sind in seinem neuen Stück, im Gegensatz zu den alten, diese spielerischen Elemente fast komplett verschwunden.

(RP)
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