Serie Krefelder Künstler im Museum Kunstpalast Die Verwandlungskünstlerin

Krefeld · Sibylle Gröne liebt Transformationen. Dafür setzt sie Dinge ein, die Geschichten haben und ihr zufallen.

Sibylle Gröne in ihrem Atelier in der ehemaligen Weinbrennerei Dujardin. An der Wand rechts Arbeiten aus dem 20-teiligen Zyklus "Arcadien".

Sibylle Gröne in ihrem Atelier in der ehemaligen Weinbrennerei Dujardin. An der Wand rechts Arbeiten aus dem 20-teiligen Zyklus "Arcadien".

Foto: T. Lammertz

Kunst ist Veränderung: Sibylle Gröne arbeitet mit materiellen und formalen Transformationen. Metalle, die verwittern und rosten, Blätter, die durch Pressung ihre Lebenssäfte in zarte, Gaze-artige Papiere einträufeln, sind ihre Sache. Sie hat einen Blick für geeignete Fundstücke, Metalle, die kräftig Eisenoxyd absetzen, Riesenblätter der Urpflanze Gunnera Manicata (Mammutblatt) oder Holzkohle, die nach einem Großbrand übrig geblieben ist, setzt sie ein, verwandelt sie zu neuen Formen: Aus dem dickfleischigen Blatt ist als Abdruck im Papier ein zartes Universum von Blattadern, Fasern und Maserungen geworden, ein Tummelplatz für Augen, die in den Wolken zahlreiche Bilder finden können. Und die Holzkohle hat sie zu feiner Asche vermahlen, pigmentiert, mit Kreide, Ton und Leinöl vermengt, auf Papier aufgetragen und mit dem Rakel abgezogen. Durch unterschiedlich starken Druck hat sie eine Lamellenwirkung erzielt.

Das ist hochkonzentrierte Arbeit, denn jeder Strich hat Gültigkeit. Nachträgliche Korrekturen, wie sie bei Pinselarbeiten möglich wären, sind hier ausgeschlossen. "Ich liebe es, Dinge zu tun, die man nie vorher gemacht hat, um zu erfahren, wie etwas funktioniert. Das ermöglicht ein intensives Stoffgefühl", sagt Gröne.

Geboren ist Sibylle Gröne 1958 in Meerbusch. Sie hat an der Fachhochschule Köln Freie Kunst studiert und an der Fachhochschule Niederrhein ihr Grafik-/Design-Diplom abgelegt. Ihr Atelier hat sie im Künstlerhaus der ehemaligen Dujardin-Weinbrennerei. Für die NRW-Ausstellung im Düsseldorfer Museum Kunstpalast hatte sie Jugenderinnerungen transformiert in Sehnsuchtslandschaften. Jetzt füllen sie als "Arcadien" eine Wand im Atelier - wie ein nostalgischer Reiseführer fürs Nimmerland.

In den 60er Jahren war Italien die Glücksverheißung par excellence für die Deutschen, die mit dem VW-Käfer den Tourismus entdeckten. Sonne, Süden, blaues Meer: So fühlte sich die Sehnsucht einer ganzen Generation an. Auch Sibylle Gröne hat als Kind etliche Sommer an der Ligurischen Küste verbracht und verbindet damit schöne Erinnerungen. Ein Souvenir von damals ist ein Leporello, das ganz im Geiste jener Zeit sehr blauen Himmel, noch blaueres Meer, prächtige Gebäude und opulente Parklandschaften in Szene setzt. "Mit jeder Ansicht verbinde ich ein positives Erlebnis, schöne Ausflüge, Feriengefühl", sagt Gröne. Und deshalb hat sie die Motive eingescannt, digitalisiert, sie aber nicht vom Kitsch freigebürstet, sondern die Überhöhung des Idylls für den Zyklus "Arcadien" noch einmal potenziert: Sie hat die Bilder an ihrer Mittelachse gespiegelt. So entsteht eine Symmetrie, die nicht immer auf den ersten Blick erkenntlich ist: Der See, der von prächtigen Blumen absolut symmetrisch umgeben ist, war tatsächlich eine Bucht. Die beiden gefällige Landschaft, die den Blick aufs Meer rahmt, war eigentlich nur einmal vorhanden.

Gröne spielt mit der Bildgläubigkeit des Menschen, mit seinen Sehgewohnheiten. "Seit dem Barock kennen wir die Symmetrie als Schönheitsideal", sagt die Künstlerin. Gerne gaukelt sie mit den 91 mal 39 Zentimeter großen Ansichten eine Einheit und Komplettheit vor, die es gar nicht gibt. Nicht zufällig wirkt der Pigmentdruck auf hochwertigem Hahnemühle-Papier aus der Ferne wie Malerei. Hier muss der Betrachter die Transformation vervollständigen. Seine Sehnsüchte und Erinnerungen bestimmen die Wahrnehmung - und verändern sie. Und nicht nur eine Bucht, die sich scheinbar in die Unendlichkeit des Horizonts weitet, lässt Raum für Tagträume von Arcadien.

In dieser Serie haben wir fünf Krefelder Künstler vorgestellt, die an der "Großen NRW" im Museum Kunstpalast beteiligt waren.

(RP)
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